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Presseschau
"Beihilfe zum Massenmord"

Ein Gericht in Den Haag macht die Niederlande mitverantwortlich für das Massaker von Srebrenica vor 19 Jahren - und wird dafür von einigen Zeitungskommentatoren gelobt, von anderen kritisiert. Ein weiteres Thema unserer Presseschau: die Entwicklung im NSU-Prozess.

16.07.2014
    Grabsteine der Potocari Gedenkstätte für den Völkermord in Srebrenica. Rund 8.000 männliche Muslime wurden im Juli.1995 in Srebrenica von bosnisch-serbischen Truppen ermordet, obwohl die Stadt UN-Schutzzone war.
    Gedenkstätte für den Völkermord in Srebrenica (picture alliance / dpa / Foto: Thomas Brey )
    Das Urteil in Sachen Srebrenica kommentiert die BERLINER ZEITUNG:
    "Die von den Niederlanden entsandten Blauhelme schauten damals nicht nur zu, sie lieferten auch Hunderte Opfer an ihre Mörder aus. In Srebrenica ging es nicht nur um das Versagen der Beschützer, sondern um Beihilfe zum Massenmord."
    Die THÜRINGISCHE LANDESZEITUNG wendet ein:
    "Die Vereinten Nationen haben in Srebenica mindestens ebenso versagt, weil sie die Soldaten im Stich gelassen haben. Der niederländische Staat muss jetzt haften, während sich die UNO, die das Mandat erteilt und die Schutzzone eingerichtet hatte, aus der Verantwortung stehlen konnte."
    Und der KÖLNER STADT-ANZEIGER erinnert:
    "Der Sicherheitsrat hatte sich nur zu einer nicht kampffähigen Blauhelmtruppe durchringen können. Zwar waren die Bataillone bewaffnet und durften sich verteidigen. Angriffe oder Menschenrechtsverletzungen stoppen, durften sie aber nicht. Deshalb kann man die Niederländer für das Versagen der Truppen auch nicht verantwortlich machen."
    Nach Deutschland. Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Zschäpe, hat ihren Verteidigern das Vertrauen entzogen. Für die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG kommt das nicht überraschend:
    "Denn besonders durchdacht wirkte die Verhandlungsführung der drei Pflichtanwälte nie. Sicher kein Zufall ist der Zeitpunkt: Im Zeugenstand sitzt derzeit immerhin der bekannte Rechtsextremist Tino Brandt. Er gab bereits offen zu, mit Geld vom Verfassungsschutz eine Neonazigruppe finanziert zu haben, in der die späteren NSU-Terroristen Mitglieder waren."
    Über Konsequenzen für den weiteren Prozess gibt es bisher nur Spekulationen - etwa von den WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster:
    "Ausgerechnet die schweigsame Hauptangeklagte sorgt für einen fulminanten Paukenschlag. Sie will offenbar endlich reden. Es wäre ein großer Gewinn für den weiteren Verfahrensverlauf."
    Anders sehen das die KIELER NACHRICHTEN:
    "Verschleppt Zschäpe die Verteidiger-Frage, platzt der Prozess. Sie hat den weiteren Verlauf in der Hand. Das ist keine beruhigende Vorstellung."
    Dagegen lautet die Einschätzung der SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:
    "Deutsche Gerichte tanzen nicht gern nach der Pfeife der Angeklagten. Sie entbinden Pflichtverteidiger höchst selten von ihrem Mandat. Der Angeklagte muss eine dauerhafte und ernsthafte Störung des Vertrauens darlegen. Das wird schwierig."
    Zum Schluss noch ein kurzer Blick auf eine Szene beim Empfang der deutschen Fußball-Weltmeister in Berlin, die heute für Diskussionen gesorgt hat. Über den "Gaucho-Tanz" einiger Spieler schreibt die LANDESZEITUNG aus Lüneburg:
    "Die Aktion war sicher im wahrsten Sinne des Wortes eine Schnappsidee, unnötig und überflüssig. Es war eine Unsportlichkeit, für die es auf dem Feld eine Gelbe Karte gegeben hätte. Aus der missratenen Tanzeinlage aber den Vorwurf eines neues Nationalismus oder sogar Rassismus zu konstruieren, ist maßlos übertrieben."
    Und die NEUE PRESSE aus Hannover findet:
    "Es gehört schon eine Menge intellektueller Griesgrämigkeit dazu, um aus einem harmlosen Siegesritual, das es seit Jahren gibt, eine Staatsaffäre zu konstruieren. Es war ein Spaß, ein Freudentanz. Lasst den Gaucho einfach mal im Dorf."