Fernseh-Journalismus

Wie Bilder inszeniert werden

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sieht sich am 15.05.2014 im Feldlager Novo Selo im Kosovo bei den Soldaten des Kfor-Einsatzbatallions eine Mikado-Aufklärungsdrohne an.
Zu Beginn ließ sie sich nicht mit Drohnen ablichten, mittlerweile schon: Von der Leyen vor einer Aufklärungsdrohne. © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Stefan Maas · 25.08.2014
Es ist ein Ringen um die besten Bilder: Politiker wollen sich im Fernsehen darstellen; Journalisten wollen authentische Bilder. Doch auch wenn die Bedürfnisse so gegensätzlich sind: Es gibt Regeln, auf die sich beide Seiten ohne Worte geeinigt haben.
Journalistin: "Wenn Sie uns einen Moment gönnen..."
Ronald Pofalla: "Ja klar, gönne ich Ihnen."
Journalistin: "Bis wir uns wieder zurechtgerüttelt haben."
Pofalla: "Jajaja"
Sommer 2013. Deutschland regt sich auf. Über die NSA. Über massenhaft ausgespähte Daten. Und Ronald Pofalla, der Kanzleramtsminister, will erklären, warum die NSA-Affäre beendet ist. Auf diese Antwort warten sie alle. Höchstgespannt.
Pofalla: "Ach so, er muss auch noch die Kassette wechseln."
Da hat natürlich auch ein Kanzleramtsminister Verständnis.
Lautenbach: "Alle sind da sehr geduldig", ...
...hat Robin Lautenbach festgestellt. Seit vielen Jahren berichtet er für die Tagesschau aus Berlin. Hat Politiker im In- und Ausland begleitet und dabei eines gelernt:
"Es ist eben doch ganz wichtig, das Ziel, was alle haben wollen: Sie möchten gerne im Fernsehen vor einem Millionenpublikum auftreten für ein paar Sekunden. Und dafür nimmt man viel in Kauf."
Lassen sich ins rechte Licht rücken, setzen oder stellen sich, nehmen dicke Bücher aus ihrem Regal und blättern darin, tragen Akten, tippen auf der Computertastatur. Oder laufen auf die Kamera zu und daran vorbei – auch mehrmals, wenn es sein muss.
"Wir haben ein Tabu, wenn wir Politiker filmen"
"Nach meiner Erfahrung: Alle Politiker fügen sich allen Anweisungen, die man Ihnen gibt."
Das gilt für Hinterbänkler genau so wie für Fraktionschefs und Minister. Die Politiker selbst seien meist ganz unkompliziert, sagt Lautenbach. Also, keine Regeln?
"Ich glaube, es gibt keine Tabus."
Kaum ist der Satz ausgesprochen, legt Robin Lautenbach die Stirn in Falten:
"Wir haben ein Tabu, wenn wir Politiker filmen."
Also doch!
"Dass wir in der Regel niemanden zeigen, wenn er isst. Das ist so ein kleines Tabu, was man einhält, weil man dann sagt, da würden wir dem Menschen zu nahe treten."
Das ist alles? Was ist mit Kanzlern, die auf Kisten stehen, um größer zu wirken? Was mit Politikern, die keine Treppe runterlaufen wollen vor der Kamera, weil das nach Abstieg aussieht. Lautenbach überlegt kurz, schüttelt den Kopf, überlegt weiter:
"Wolfgang Schäuble sitzt im Rollstuhl. Und wenn seine Leute ihm helfen beim Aussteigen, dann zeigen wir das auch nicht, weil wir denken, das Nichtgehenkönnen, das ist eine ganz persönliche Geschichte. Das muss nicht gezeigt werden."
Eine Selbstverständlichkeit, sagt er. Ebenso, dass Kameramann und Reporter auf Augenhöhe gehen. Und sonst?
"Also, Politikern ist es zunächst einmal wichtig, dass sie überhaupt im Fernsehen auftreten."
Aber gerade die Spitzenpolitiker sind ja meist nicht alleine unterwegs.
Manche Bilder versucht der Pressesprecher zu verhindern
"Wenn es um Regierungsmitglieder geht oder um höherrangige Politiker geht, die ihren Stab haben, ist es manchmal so ein Spiel. Die versuchen dann, ja, Bildsituationen zu inszenieren oder zu schaffen. Manchmal auch Bildsituationen zu vermeiden."
Das gilt nicht nur für die bewegten Bilder. Denn Bilder sagen mehr als tausend Worte – zumindest bleiben sie viel besser im Gedächtnis als der dazu gesprochenen Text. Das ist weit mehr als eine Binsenweisheit. Das ist sogar wissenschaftlich bewiesen.
"Ich kann mich erinnern, Frau Merkel und Sigmar Gabriel als Umweltminister waren sie in Grönland vor dem Eis und es ging um das Thema Klimawandel. Da nehme ich an, steckte natürlich auch eine Idee dahinter."
Schroeren: "Wenig von dem, was an Bildern erscheint, ist wirklich geplant von den Ministern oder von den Pressestellen. Vieles ergibt sich naturwüchsig."
Der Mann muss es wissen. Michael Schroeren. Vor Barbara Hendricks hat er schon bei zwei weiteren Umweltministern als Pressesprecher gearbeitet. Bei Jürgen Trittin. Und eben: Sigmar Gabriel.
Daher die Frage an den Experten: Was ist eine "natürwüchsige Situation"?
"Denken Sie an die Bilder mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Wulff mit seiner Frau, als er seinen Rücktritt erklärt hat... Die Bilder wie sie durch die Tür gehen, sind Legende. Die Bilder kann man gar nicht vermeiden, was hätte er denn anders als abzutreten und dabei gefilmt zu werden. Er hätte ja nicht stehen bleiben können. Das sind Dinge, auf die man achtet."
Aber es gibt doch sicher Bilder, die man vermeiden kann. Zumindest möchte. Michael Schroeren lächelt. Lächelt ein bisschen länger. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wie dutzende Situationen in seinem Kopf durchlaufen.
"Ich habe einmal versucht, ein Foto zu verhindern, wo sich Sigmar Gabriel vom Flugzeug abseilt. Das war ein Bild, wo sich ein freischwebender Minister zwischen Himmel und Erde befindet. Hätte ich so nicht... wenn ichs hätte verhindern können, hätte ich so nicht passieren lassen. Aber der Minister wollte es. Und damit ist es dann auch okay."
Denn natürlich haben Politiker auch eine eigene Vorstellung davon, wie sie gerne wirken möchten. Wagemutig, fürsorglich, nahbar.
Von der Leyen sorgte sofort für die richtigen Bilder
TV-Atmo: "Ankunft von Ursula von der Leyen im deutschen Hauptlager in Masar-e-Sharif..."
Die Ministerin steigt aus dem Flugzeug. Die Ministerin mit Tablett in der Kantine. Die Ministerin sitzt zwischen den Soldaten am langen Tisch. Dezember 2013, wenige Tage vor Weihnachten – Ursula von der Leyen ist da seit fünf Tagen Verteidigungsministerin. Und sorgt schon für die richtigen Bilder. Oder vermeidet sie
"Bei Frau von der Leyen war es eine Zeit lang auffällig, dass sie vor Kampfdrohnen sich nicht abfilmen lassen wollte. Oder dann bei Ausstellungen sich ferngehalten hat von diesen Gegenständen, weil sie diese Diskussion gerade nicht führen wollte oder damit in Verbindung gebracht werden wollte. Da achtet dann manchmal die Umgebung drauf."
Und die Journalisten und Kameraleute spielen mit, Herr Lautenbach? Der nickt und grinst:
"Wir achten dann auf das Gegenteil, denn wir wollen natürlich manchmal diese Bilder haben."
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