Fernando Menis-Ausstellung in Berlin

Mit Magie und Vernunft

Fernando Menis' Sacred Museum mit Blick auf den "Barranco del Inferno" auf Teneriffa
Zu Menis' Projekten zählt auch das "Sacred Museum" auf Teneriffa. © iamgo stock & people
Von Tobias Wenzel · 09.12.2018
Zum ersten Mal ist eine Retrospektive des Architekten Fernando Menis in Deutschland zu sehen. Tobias Wenzel hat die Ausstellung im Aedes Architekturforum in Berlin besucht - und mit Menis über seine emotionale und seine rationale Seite gesprochen.
Im Zentrum des Ausstellungsraums im Aedes Architekturforum steht ein von schwarzen Theatervorhängen eingehüllter Kubus. "Wie abweisend!" denkt man, bis man ihn betritt und von den im Halbdunkel golden angestrahlten, bis hoch über den Köpfen gestapelten Modellen des spanischen Architekten regelrecht verzaubert wird. Wir befinden uns "Backstage" in der Experimentierküche von Fernando Menis und seinen Mitarbeitern: "Alle unsere Projekte sind mit Licht und Schatten verbunden, mit Mystik und Magie, aber auf sehr streng rationale Weise", erklärt Fernando Menis.

Die ersten "Lehrmeister" waren Vater und Mutter

In Barcelona studierte er zwar Architektur, schrieb aber eine Doktorarbeit zur Akustik. Das habe seine rationale Seite gestärkt. Seine emotionale Seite sei wiederum durch Teneriffa geprägt worden, durch die Naturgewalt seiner Geburtsinsel aus Vulkangestein. Wenn Menis heute seine Architektur, die von einer Kirche bis zum Sportstadion reicht, mit den Schlagworten Vernunft und Emotion beschreibt, dann hat das auch mit seinen Eltern zu tun:
"Meine ersten Lehrmeister waren mein Vater und meine Mutter. Mein Vater war ein sehr pragmatischer und rationaler Mensch. Mir, meiner Schwester, uns allen hat er beigebracht, mit Hammer und Holz unser eigenes Spielzeug herzustellen. Und auf der anderen Seite war da meine Mutter. Bei ihr wusste ich nie, ob das, was sie erzählte, ihrer Phantasie oder der Wirklichkeit entsprang. In mir habe ich den Einfluss meines Vaters und meiner Mutter schon als Kind vereint. Ich erinnere mich noch, wie ich mit neun Jahren meine ersten Ziegelsteine aus Ton selbst gemacht habe, mit dem Ton aus einer Lagune auf Teneriffa. Daraus habe ich dann zum Beispiel ein kleines Schloss gebaut."

Architekturmodelle aus Ton

Noch heute formt Fernando Menis einige seiner Architekturmodelle in Handarbeit aus Ton, als wäre er ein bildender Künstler. Dabei lässt er sich von Prozessen der Natur wie der Erosion inspirieren. Tatsächlich wirken viele seiner Bauwerke wie Skulpturen. So wie sein Kultur- und Kongresszentrum Magma auf Teneriffa. Im Innenbereich hat er, der Ästhetik wegen, Lavagestein mit Beton mischen und dann, der Akustik wegen, viele kleine Stücke heraushämmern lassen.
Bei einem Kultur- und Kongresszentrum im polnischen Torun hat er den Beton mit Ziegelsteinen kombiniert, die das Bild der dortigen Altstadt prägen. Menis verwendet nämlich immer die Baumaterialien, die vor Ort typisch und verfügbar sind. Aus Identifikations- und Umweltgründen.
Der Architekt deutet auf das Modell eines Schwimmbeckens mit einem Steg. Menis wollte mit seinem Badeschiff einen symbolischen Beitrag dazu leisten, dass die Berliner wieder in der Spree baden können. Wenn auch indirekt in einem Becken, das wiederum in der Spree schwimmt:

"Wenn man ins Wasser geht, schafft man Architektur"

"Ich, der ich auf einer Insel lebe, konnte das nicht verstehen: Auf Teneriffa gehe ich zum Strand, nehme ein Sonnenbad, aber schwimme natürlich auch. Aber hier in Berlin konnte man eben nicht ins Wasser gehen. Mir hat ein Freund gesagt, und das stimmt: Wenn man ins Wasser geht, schafft man Architektur. In der Stadtarchitektur sehen wir das Licht nur, wenn es die Wände berührt. Aber im Wasser sieht man das Licht in der Luft durch das Wasser hindurch."
Auch an der Gestaltung des Berliner Badeschiffs wirkte Menis mit. Hier links im Bild zu sehen.
Auch an der Gestaltung des Berliner Badeschiffs wirkte Menis mit. Hier links im Bild zu sehen. © Guido Bergmann / dpa
Wir steigen aus einem Taxi vor der Arena Berlin aus und nähern uns der Spree und dem Badeschiff. Und dann die Überraschung für den Architekten: Der Steg endet in der Spree. Das Badeschiff ist weg. Aber Fernando Menis ist nicht etwa enttäuscht. Im Gegenteil: "Das berührt mich schon etwas, hier wieder zu sein: Obwohl das Boot nicht da ist, kann ich es sehen."

Architektur nicht verstehen, sondern erleben

Der kalte Wind an der Spree ist plötzlich zu stark für den Windschutz des Mikrofons. Der promovierte Akustiker Menis reagiert sofort: Obwohl er friert, öffnet er den Reißverschluss seiner dünnen Jacke und formt damit eine schützende Höhle über dem Mikrofon. Bleibt eine Frage: Enttäuscht es ihn, wenn Menschen das Badeschiff nutzen, ohne über die Ideen dahinter nachzudenken?
"Die Menschen müssen nicht die Architektur verstehen. Sie müssen sie erleben. Und wenn sie ins Badeschiff springen und glücklich sind, bin auch ich glücklich."
Glücklich wirkt Fernando Menis, der mit einer Krimiautorin verheiratet ist, auch in diesem Moment. Durch den scharfen Wind gehen wir zurück Richtung Taxi. Da blickt sich der Architekt noch einmal um: "Der Geist des Badeschiffes ist da. Aber das Badeschiff selbst verbringt den Winter an einem wärmeren Ort."

Die Ausstellung "Backstage" ist noch bis zum 17. Januar im Aedes Architekturforum zu sehen.

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