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Ausstellung "Made in North Korea"
Nordkoreas knallbunter Alltag

Pinker Lachs auf Etiketten, Kampfjets vor blutrotem Himmel - und eine Postkarte von Lady Diana: Eine Londoner Ausstellung zeigt Alltagsdesign aus Nordkorea und gibt Einblick in eine knallbunte Welt. Die Schau verzichtet auf Porträts aus der Kim-Dynastie, ist aber dennoch nicht unpolitisch.

Von Friedbert Meurer | 23.02.2018
    Ein buntes Poster mit Agitationssprüchen in der Ausstellung "Made in North Korea" im Ultra Modern Art Museum in Moscow.
    Rot, gelb, pink: Nordkoreanische Grafiker lieben kräftige Farben - und kombinieren sie kühn untereinander (imago / Sergei Fadeichen)
    Fast alles ist grellbunt: die gelbe Zigarettenpackung, auf der ein nordkoreanischer Arbeiter die rote Fahne schwenkt. Oder die rote Streichholzschachtel mit der Silhouette eines Stahlwerks. Grellbunt fällt auch die blaue Schachtel aus, in der einmal bunte Bonbons verpackt waren. Dazu heißt es, der nordkoreanische Verteidigungsminister habe einmal in einer Rede gesagt: "Kameraden, wir können ohne Bonbons leben, aber nicht ohne Kugeln."
    Vieles erinnert an sozialistischen Realismus
    Die Schau in London "Made in Northkorea" zeigt aber doch eher die Bonbons, oder deren Verpackung, und nicht die Kugeln. Das Design der Alltagsgegenstände ist im "House of Illustration" gleich hinter dem Bahnhof King's Cross geradezu liebevoll in Szene gesetzt. Der Sammler Nicholas Bonner:
    "Sie lieben kräftige und lebendige Farben, rot, gelb, pink. Und sie haben kein Problem damit, das alles zueinander zu führen. Das ist die koreanische Tradition, dazu kommen die Einflüsse aus China und von der japanischen Besetzung von 1910 bis 1945. Und dann der russische Einfluss."
    Vieles erinnert an den sozialistischen Realismus. "Unser Land ist das Beste" - das sei die Devise, die häufig transportiert werde, ohne dass die allermeisten Nordkoreaner jemals die Chance hätten, ihr Land mit einem anderen zu vergleichen. Ähnlich wie Werbung bei uns in den 50er und 60er Jahren zeigen die Verpackungen schlicht das, was sich dahinter verbirgt: Lachs in Dosen, Birnen, Erbsen oder Hühnerfleisch. Im Jahr 2002 habe jeder Nordkoreaner Anspruch gehabt auf ein Huhn und fünf Eier - pro Monat.
    "Ich mag, dass das alles per Hand gezeichnet wurde. 2002 begann dann die Digitalisierung mit neuen Druckmethoden. Jetzt sieht alles gleich aus, der gleiche asiatische Look. Jetzt findet man in Nordkorea die gleichen Produkte wie in Singapur, Vietnam oder in China."
    Alltagsgrafik aus der jüngeren Vergangenheit
    Die Ausstellung zeigt also Alltagsgrafik, die bereits der jüngeren Vergangenheit angehört. Nicholas Bonner begann als Landschaftsarchitekt, studierte dann in China, entdeckte Nordkorea. Pjöngjang sei viel schöner als Peking. Natürlich aber wolle er nicht unter den gegebenen sozialen Umständen in Nordkorea leben - die den jungen US-Studenten Otto Warmbier das Leben kosteten. Er hatte nur einen Polit-Schriftzug gestohlen und war dafür zu absurden 15 Jahren Arbeitslager verurteilt worden.
    "Diese Strafe in Nordkorea war absolut unverzeihlich. Das war eine Schweinerei. Es war ein Slogan, kein Poster, darauf stand der Name von Kim Jong-Il. Die Grafik, die ich sammele, ist okay. Otto hatte einen Fehler gemacht, und dafür wurde er entsetzlich von den Nordkoreanern behandelt."
    Comics mit heldenhaften Soldaten
    Bonners Ausstellung zeigt keine Polit-Plakate, keine Konterfeis der Kim-Dynastie - deswegen ist sie aber nicht unpolitisch. Eine Neujahrs-Postkarte aus dem Jahr 2000 zeigt glückliche Menschen, hinter ihnen aber fliegen am glutroten Himmel Kampfjets und Trägerraketen für eine "leuchtende Zukunft Nordkoreas". Dutzende von Comics erzählen von nordkoreanischen Soldaten, die heldenhaft gegen die Imperialisten aus den USA kämpfen.
    Und dann gibt es da auf einmal eine Ansichtskarte mit Lady Di, die Nordkorea aus Anlass der Geburt ihres ältesten Sohns William 1982 herausgebracht hat. "Fast niemand in Nordkorea kennt Lady Di, es gibt kein Internet. Die Postkarte war nur für internationale Briefmarkensammler gedacht, um Devisen zu verdienen. Sie haben ihre eigenen Briefmarken. Lady Diana wird ganz sicher nicht auf einer gewöhnlichen Briefmarke in Pjöngjang auftauchen."