FDP-Politiker Lambsdorff: Wahl in NRW wurde im Bund verloren

Alexander Graf Lambsdorff im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 10.05.2010
Das schlechte Abschneiden von CDU und FDP bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen sei ein Warnschuss für die schwarz-gelbe Koalition in Berlin, sagt der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff.
Jan-Christoph Kitzler: Was war das für ein seltsamer Wahlabend: Da hat die SPD in Nordrhein-Westfalen mit 34,5 Prozent das schlechteste Ergebnis bei einer NRW-Wahl seit über 50 Jahren eingefahren, fühlt sich aber dennoch als Siegerin. Und die FDP hat ein wenig hinzugewonnen, kommt auf 6,7 Prozent, gilt aber als die klare Verliererin. Natürlich muss man die Vorgeschichte kennen, zum Beispiel die Bundestagswahl vor noch nicht einmal acht Monaten, da lag die SPD noch bei für sie jämmerlichen 23 Prozent und die FDP bei stolzen 14,6. Die Wahl wird Folgen haben, auch für die FDP, das ist klar, und darüber spreche ich jetzt mit dem nordrhein-westfälischen FDP-Europaabgeordneten Alexander Graf Lambsdorff. Schönen Guten Morgen!

Alexander Graf Lambsdorff: Guten Morgen, Herr Kitzler!

Kitzler: Der Schwung, der Ihrer Partei bei der Bundestagswahl ein Traumergebnis von fast 15 Prozent beschert hat, ist dahin – wie haben das die Liberalen denn in nun nicht einmal acht Monaten geschafft?

Lambsdorff: Na ja, das Ergebnis ist natürlich wirklich nicht schön für uns, da haben Sie recht. Wir müssen in Rechnung stellen, dass wir ein paar Faktoren hatten, die einfach gegen uns gelaufen sind. Nehmen wir mal die Arbeit der Landesregierung, die wird sogar vom politischen Gegner als ganz ordentlich bezeichnet, auch in der Medienlandschaft sagt man, die Landesregierung war eigentlich ganz okay. Aber der Bundestrend war so, dass es uns überhaupt nicht schadete, jemand in Nordrhein-Westfalen sagte vor einiger Zeit mal, wir haben so einen tollen Rückenwind aus Berlin, dass uns davon manchmal schon die Augen tränen. Und genau so war es, der Gegenwind aus Berlin war so stark, dass wir einfach wirklich nicht dagegen angekommen sind.

Kitzler: Das heißt, die Wahl wurde im Bund verloren, ja?

Lambsdorff: Nach meinem Dafürhalten ja. Wenn Sie mal anschauen, wie Andreas Pinkwart, unser Landesvorsitzender, als Wissenschafts- und Forschungsminister da gearbeitet hat, auch der Innenminister Ingo Wolf, oft kritisiert, aber in der Verwaltungsverschlankung sehr erfolgreich, dann sehen Sie, dass das wirklich eine anständige Arbeit war im Land. Wir haben auch in der Schulpolitik unsere Positionen weiterentwickelt, wir haben in der Hochschulpolitik mit dem Hochschulfreiheitsgesetz sagen wir mal innovativ wirklich die Landschaft dort gestaltet, wir haben neue Fachhochschulen aufgemacht. Es gab eine ganze Reihe landespolitischer Erfolge, die haben wir nicht vermitteln können, das ist gar keine Frage, und das ist jetzt auch müßig, sich sozusagen daran aufzuhalten. Wenn man Ursachenforschung macht, muss man natürlich über das Land hinausgucken, und da gab es ein paar Faktoren, die wirklich gegen uns gesprochen haben.

Kitzler: War denn der größte Fehler das Festhalten am Mantra der Steuersenkungen, die ja auch eine Mehrheit der Bevölkerung für unrealistisch hält?

Lambsdorff: Nein. Ich meine diejenigen, die uns im Bund gewählt haben, Sie haben ja das Ergebnis genannt, 14 Prozent in Nordrhein-Westfalen, die wollen zum einen eine Vereinfachung des Steuersystems, das darf man bitte nie vergessen, und zum anderen wollen wir natürlich schon versuchen, eine Entlastung hinzukriegen. Und auch hier ist es eine Frage der Kommunikation gewesen. Die Leute gehen auch, das gilt für die Zuhörerinnen und Zuhörer wahrscheinlich auch, davon aus, dass der Staat weniger Steuern einnimmt. Das ist ja gar nicht richtig, wir haben wachsende Steuereinnahmen, das haben wir aber auch nicht rübergekriegt, die wachsen nur etwas langsamer als erwartet. Und vor dem Hintergrund ist die Frage von Entlastungen nach wie vor aktuell. Deutschland ist ja in einer Hinsicht ein etwas merkwürdiges Land, das einzige, in dem sich die Bürgerinnen und Bürger bei Steuersenkungen unwohl fühlen. Im Rest Europas, in den anderen Ländern der Welt sind Steuersenkungen eigentlich eine Sache, die vernünftig sind. Worum es dabei geht, ist das Bild vom Staat: Kann der Staat wirklich alles lösen oder sollen die Bürger das machen? Traut man zuerst dem Bürger und dann dem Staat? Ich glaube, dass dieses Mantra, wie Sie es bezeichnen, deswegen nach wie vor richtig ist.

Kitzler: Auf der einen Seite kann man jetzt natürlich sagen, die FDP macht die richtige Politik, die Bürger haben es nur nicht verstanden. Auf der anderen Seite hat auch Ihr Parteivorsitzender gestern von einem deutlichen Warnschuss gesprochen. Was für Konsequenzen wird denn die FDP jetzt ziehen?

Lambsdorff: Na ja, der Warnschuss war nicht nur für die FDP, der Warnschuss war für die Koalition in Berlin insgesamt, für uns natürlich auch, was die Arbeit in der Koalition angeht hier in Berlin, aber ich glaube, das Entscheidende ist Folgendes: Wir haben als FDP in Nordrhein-Westfalen bis zum Schluss einen Wahlkampf geführt, der ganz klar auf die Fortsetzung der bürgerlichen Koalition setzt, der zunächst mal auf den Bürger schaute, auf die Leistungsfähigkeit, auf den Aufstiegs- und Einstiegswillen der Menschen im Land, und wir mussten feststellen, dass die Union sich davon verabschiedet hat. Wir haben festgestellt, dass auf der Schlussveranstaltung Herr Rüttgers die FDP überhaupt nicht mehr erwähnte, wir haben festgestellt, dass er sich zehn Tage vor der Wahl vom zentralen Motto dieser Landesregierung – Privat vor Staat, Erwirtschaften vor Verteilen – verabschiedet hat. Das war ein so unklarer Kurs. Das ist natürlich eine Sache, die sich in Berlin auch spiegelt, ein unklares Erscheinungsbild der Koalition, denken Sie an die ganzen Querschüsse aus München, die wir in den letzten Monaten hier hatten. Diesen Warnschuss müssen alle hören in Berlin, nicht nur die FDP.

Kitzler: Trotzdem wird sich heute möglicherweise die Führungsfrage stellen, das hatte ja auch Andreas Pinkwart, der Landesvorsitzende und Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen aufgeworfen. Er hatte gesagt, die Frage ist, ob man einen Parteivorsitz und das Amt des Vizekanzlers in einer Hand behalten muss – stellt sich diese Frage heute neu?

Lambsdorff: Nun, das ist eines der Themen, das man diskutieren muss. Ich glaube, im Moment stellt sich die Frage im Sinne einer Führungsfrage, was den Parteivorsitzenden angeht, noch nicht, aber wir, man muss natürlich in den nächsten Monaten schon überlegen, wie geht man mit so einem Ergebnis um, was bedeutet das für die Organisation der FDP hier in Berlin, und da kommt dann alles auf den Tisch.

Kitzler: Alexander Graf Lambsdorff war das, der FDP-Europaabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen, vielen Dank für das Gespräch!
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