FDP-Politiker Friedrich fordert strikte Trennung von Netz und Bahnbetrieb

Im Gespräch mit Ernst Rommeney und Ulrich Ziegler · 12.04.2008
Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Horst Friedrich, hat die Bundesregierung vor einer nicht ausgereiften Bahnreform gewarnt. Die Deutsche Bahn AG dürfe nicht inklusive des Schienennetzes an die Börse gehen, sagte Friedrich.
Deutschlandradio Kultur: Die Liberalen plakatieren gern mit der Parole: Privat vor Staat. Gilt das auch für die Bahn?

Horst Friedrich: Aus Sicht der Liberalen nach wie vor und gerade jetzt erst recht. Denn die Bahn hat sich ja aufgemacht, das Schienenthema zu verlassen und global in der Welt Logistik betreiben zu wollen - mit Schiff, mit Flugzeug, mit der Straße. Dann wird das Thema erst recht für uns interessant: Muss das der Steuerzahler finanzieren, das Risiko übernehmen oder kann das nicht wie ein privat organisiertes Unternehmen wie eine Aktiengesellschaft viel besser? Deswegen bleiben wir dabei. Transport ist keine staatliche Sache, deswegen Vollprivatisierung.

Deutschlandradio Kultur: Wie stellen Sie sich die anderen Geschäftsfelder der Bahn vor, also das Schienennetz?

Friedrich: Das Schienennetz ist nach unserer Ansicht eine Sache, die der Staat im Eigentum behalten muss, nicht nur, weil es im Grundgesetz steht, sondern weil nur so aus unserer Sicht wirklich sichergestellt werden kann, dass auch andere Wettbewerber zu gleichen Bedingungen und ohne Diskriminierung aufs Netz kommen.

Deutschlandradio Kultur: Jetzt haben Sie aber wahrscheinlich trotzdem ein Problem, denn zwei Drittel der Bevölkerung sagen, wir wollen überhaupt gar keine Bahnprivatisierung, übrigens auch FDP-Anhänger, weil sie nicht genau wissen, was sie eigentlich davon haben. Was haben private Kunden davon, wenn die Bahn, zumindest die Betreiber auf der Schiene, privatisiert sind?

Friedrich: Vielleicht sollte man zurückdenken an die Zeit vor der Bahnprivatisierung. Da hatten wir eine im Staatsbesitz befindliche Bahn, eine verschmolzene Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn. Die hat ein Wirtschaftsergebnis vorgelegt, in dem die Personalkosten höher waren als die Einnahmen aus der Geschäftstätigkeit. Es gab alte Züge. Es gab marode Bahnhöfe. Es gab Verspätungen. Es war laut. Es hat gestunken. Ich habe niemand erlebt, der gesagt hat, genau das ist die ideale Bahn, die wir haben wollen.

Seit der Bahnreform von 94 haben sich da in gigantischen Sprüngen völlige Neuigkeiten ergeben. Wir haben einen funktionierenden Wettbewerb im Nahverkehr. Wir haben neue Züge. Wir haben neue Anbieter. Wir haben neue Triebwagen, selbst die Bahnhöfe werden mittlerweile wunderschön gemacht. Allerdings wird das Ganze auch etwas unter ökonomischen Gesichtspunkten gesehen, denn eines darf man nicht vergessen: Die Bahn hatte damals 70 Milliarden Schulden, die der Steuerzahler zu finanzieren hat. Die Frage, die sich damals gestellt hätte, wäre: Wie viel darf's denn noch sein für den Steuerzahler? Und alle die, die sich jetzt wieder eine Bahn in Staatshand wünschen, müssen mir eigentlich als Politiker sagen: Was bin ich Steuerzahler denn bereit, tatsächlich noch an Subventionen in die Schiene zu geben über das hinaus, was schon läuft?

Was sie kriegen bei einer Privatisierung, ist ein hocheffizientes System, in dem im Wettbewerb die beste Leistung angeboten wird und in dem Bahn nicht mehr nur Deutsche Bahn ist, sondern eben auch Connex, Veolia, die Länderbahn oder was auch immer, also auch ein echter Wettbewerb mit einem Qualitätssprung und vielleicht sogar zu günstigeren Preisen als unter einem Monopolisten.
Das hat sich bis jetzt eigentlich immer gezeigt. Sowohl im Personennahverkehr als auch im Güterverkehr hat Wettbewerb durchaus positive Signale gesetzt. In beiden Segmenten wird deutlich mehr befördert, deutlich mehr gefahren, deutlich mehr Fläche bedient und deutlich mehr Güter von der Straße auf die Schiene geholt.

Deutschlandradio Kultur: Das kann ich nachvollziehen, aber was ich nicht nachvollziehen kann, ist Ihr Argument, wir bräuchten die Privatisierung, um die Bahn AG selbst noch besser aufzustellen. Sie haben eben gesagt, sie ist ja bereits gut geworden als Staatsbahn.

Friedrich: Sie ist ja 94 formal als Aktiengesellschaft aufgestellt worden.

Deutschlandradio Kultur: Aber immer noch eine Staatsbahn.

Friedrich: Wir haben es jetzt in der Zeit dazwischen bis zum jetzigen Zeitpunkt damit zu tun, dass das Schienenunternehmen Deutsche Bahn sich erweitert hat. Man hat Schenker dazugekauft. Man ist der größte Straßentransportunternehmer Deutschlands. Man hat BAX in Amerika dazu gekauft mit Luft- und Seefracht. Man baut Terminals in Schanghai. Man möchte sich an Hafenanlagen in Amerika beteiligen. Man möchte die Slowenische Staatsbahn übernehmen. Man möchte in England Güterbahn machen, man möchte in Frankreich Bahn machen. Man will in Prag den Nahverkehr übernehmen. Das ist alles etwas Neues. Das finde ich gar nicht schlecht. Nur dann stellt sich für mich erst recht die Frage: Ist das noch mit einem Unternehmen darzustellen, das zu 100 Prozent im Staatsbesitz ist und wo im Umkehrschluss das wirtschaftliche Risiko zu 100 Prozent am Steuerzahler hängt.

Deutschlandradio Kultur: Gleichzeitig stellt sich aber die Frage: Wer garantiert, dass Trassen, die wir hier im Land haben, weiterhin betrieben werden, wenn sie möglicherweise rein wirtschaftlich betrachtet gar nicht sinnvoll sind, aber gleichzeitig von der Infrastrukturproblematik her notwendig sind und der Staat dann sagt, wir wollen das haben, obwohl es ein Zuschussbetrieb ist? Wer übernimmt diese Aufgaben?

Friedrich: Deswegen haben wir ja gesagt: Die Netz AG muss neutral sein, im Staatsbesitz. Also, welche Schiene ausgebaut wird, entscheidet dann der Gesetzgeber im Lichte der Daseinsvorsorge. Auf welchen Trassen Nahverkehr betrieben wird, ist jetzt bereits bestellt. Wir haben 96 die Regionalisierung gehabt. Sprich: Der Nahverkehr, der jetzt fährt, fährt, weil er bestellt wurde, nicht weil die Bahn meint, sie müsse da den Nahverkehr betreiben.

Deutschlandradio Kultur: Was bringt es, wenn dieses dann Private tun, wenn der Staat ohnehin sagt, wir wollen das da haben?

Friedrich: Das bringt zumindest einen Effizienzgewinn. Beispiel: In Baden-Württemberg war eine Strecke, da hat die Deutsche Bahn erklärt, auf der Strecke fahren wir nicht mehr. Das bringt nix mehr. Die Strecke ist ausgeschrieben worden. Ein Wettbewerber hat die Strecke erworben. Innerhalb eines Jahres ist es gelungen, auf der gleichen Strecke die Personenzahlen, die dort transportiert worden sind, zu verfünffachen. Es gibt eine latente Behauptung von Mitbewerbern, von Fachleuten, von Professoren, dass der Nahverkehr zu teuer bestellt wird von den öffentlichen Auftraggebern, dass man das Ganze, die gleiche Qualität mit weniger Geld auch darstellen könnte beziehungsweise mit dem gleichen Geld noch mehr Verkehr anbieten könnte, wenn dezidiert alle Nahverkehrsleistungen ausgeschrieben werden würden.

Deutschlandradio Kultur: Aber spielen nicht die Länder und auch der Bund ein Schwarzer-Peter-Spiel mit der Bahn, weil sie immer wieder der Bahn vorwerfen, sie würde Trassenstilllegungen, wenn nicht durchführen, dann es zumindest durch ihr Verhalten in die Nähe bringen, dass sie stillgelegt werden müssen, während die Bahn zu Recht sagt, das bestimmen doch die Länder, die Politik? Haben Sie überhaupt eine Vorstellung über Ihren Verkehrswegeplan Schiene?

Friedrich: Ich habe eine sehr klare Vorstellung über den Bundesschienenwegeausbauplan. Der ist ja auch im Gesetz, das haben wir auch beschlossen. Das Problem ist, dass sich die Bahn an diesen Plan nicht gebunden fühlt. Das ist das eine. Die Frage ist, was kann ich tun, um es durchzusetzen. Was wir seit vier Jahren von der Bahn wollen, ist ein Netzzustandsbericht. Wir, das Parlament, der Gesetzgeber, möchten wissen, in welchem Zustand das Schienennetz eigentlich ist. Das kriegen wir nicht.

Deutschlandradio Kultur: Warum kriegen Sie das nicht?

Friedrich: Das wird von der Bundesregierung immer mit der Begründung abgelehnt: Der Netzzustandsbericht läge ja in Computerlisten vor. Das wäre aber alles zu kompliziert. Das würden wir nicht begreifen. Und im Übrigen würden wir dann die zwei Stellen sehen, wo man mit dem Hammer dagegen schlagen muss.

Deutschlandradio Kultur: Aber was steckt dahinter?

Friedrich: Es steckt dahinter, dass man den wirklichen Zustand des Netzes verschleiern möchte.

Deutschlandradio Kultur: Und das wird besser mit einer Bundesbehörde Schiene?

Friedrich: Das wird besser, wenn ein Neutraler, der nur ein Interesse hat, nämlich Trassen zu vermarkten, und zwar egal an wen. Das ist der neue Zustand. Jetzt habe ich eine Netz AG, die - ob sie die Trasse vermarktet oder nicht - sicher sein kann, dass sie im Gesamtverbund Schiene ausgeglichen wird.

Deutschlandradio Kultur: Aber ein staatlicher Betreiber schafft das? Dem geben Sie als Liberaler so viel Vertrauen, dass er es macht?

Friedrich: Der Betreiber muss nicht staatlich sein. Der Betreiber des Schienennetzes, des Unterhalts, kann ein Privater sein. Das Entscheidende ist: Die Netz AG muss zu 100 Prozent im Eigentum der Bundesrepublik sein. Die Netz AG ist jetzt Teil der DB AG als eigenständige Aktiengesellschaft. Was ich möchte, ist, die Netz AG aus der DB AG rauslösen. Wer dann das Schienennetz betreibt, ist eine andere Situation. Das muss keine Behörde sein. natürlich könnte Veolia, die Französische Staatsbahn, könnten die Kollegen aus England, die im Osten Bayerns und Deutschlands Schienenverkehr betreiben, auch das Netz betreiben. Auch das kann ich ausschreiben, kann ich vertraglich vergeben. Aber ich muss es zunächst einmal aus der Bahn rauslösen.

Ich will nochmal sagen: Die Masse der Streckenstilllegungen hat in der Zeit bis 1994 stattgefunden, als die Deutschen Bahnen noch im Staatsbesitz waren. Also, die Mär, dass danach grandios stillgelegt worden ist, ist von den Zahlen her nicht zu belegen.

Deutschlandradio Kultur: Wenn wir wollen, dass faire Trassenpreise stattfinden, dass die optimal ausgehandelt werden, brauchen wir eine Bundesnetzagentur, die darüber wacht, dass die Konkurrenz funktioniert. Ist die im Moment nicht stark genug? Hat sie zu wenige Befugnisse? Wie stellen Sie sich das vor, dass eine Bundesnetzagentur tatsächlich sagt, ja, die Konkurrenz funktioniert und wir kontrollieren das?

Friedrich: Die Bundesnetzagentur hat, was den Eisenbahnbereich angeht, noch nicht die optimale Struktur, auch was die Kontrollrechte angeht. Dazu kommt, dass bestimmte Leistungen im Kontrollbereich noch vom Eisenbahnbundesamt vorgenommen werden und dazwischen noch ein bisschen Abstimmung notwendig ist.

Mein Problem, was ich habe, ist: Schienennetz ist ein natürliches Monopol. Deswegen brauche ich in dem jetzigen Zustand eine Regulierung. Das ist immer nur die zweitbeste Lösung für Liberale, weil Regulierung immer nur im Nachhinein passieren kann. Ich kann immer nur Sachen aufklären, die schon passiert sind. Das geht dann im Zweifel vor Gericht. Dann gibt es ein Urteil des Verwaltungsgerichts. Das wird dann beklagt, dann geht’s zum Oberverwaltungsgericht. Und wenn das nicht ausreicht, geht’s vielleicht auch noch vors Bundesverwaltungsgericht. Und dann ist ein Zeitraum vorbei, wo das eigentliche Ereignis schon lange vorbei ist und der Mitbewerber, wenn er sich diskriminiert fühlt, überhaupt keine Chance mehr hat, das Geschäft zu machen.

Mir wäre es viel lieber, wenn das Monopol von vorneherein so neutralisiert würde. Deswegen bin ich so vehement für die Trennung von Netz und Betrieb, dass ich eine Regulierungsbehörde, wenn überhaupt, nur noch brauche, um Trassenpreise zu prüfen. Was ich jetzt machen muss, ist, dass die Netzagentur von der Bahn Kalkulations- und Preisgrundlagen verlangt um nachzuprüfen, ob das Preissystem, ob die Preise, ob die Erhöhung der Stationspreise gerechtfertigt ist. Das ist ein mühseliges Unterfangen. Das ist aber nur deswegen notwendig, weil das Netz noch Teil der Deutschen Bahn ist. Und die Bahn sagt in bestimmten Bereichen, das ist mein Geheimnis. Aber es führt eben dazu, dass von heute auf morgen die Benutzerpreise für die Bahnhöfe um 150 Prozent steigen. Das ist kein Einzelfall.

Deutschlandradio Kultur: Denken wir das nochmal vom Kunden. Gehen wir auf den Fahrbetrieb. Wenn wirklich der Wettbewerb ideal wäre, wenn viele Bahnanbieter über unsere Schienenwege fahren würden, ist das überhaupt noch optimal? Dann habe ich einen Fahrplan, der zerstückelt ist. Dann habe ich Tarife, die zerstückelt sind. Dann kann ich mit meiner Bahncard gar nichts mehr werden.

Friedrich: Es ist eine Frage, wie ich die Information an den Kunden bringe. In England hat man zum Beispiel zwei Fehler beseitigt und jetzt die Situation, dass das Netz wieder dem Staat gehört, dass es ungefähr sieben, acht verschiedene Streckenbediener gibt - und das offensichtlich in einem gemeinsamen Fahrplan, den natürlich dann logischerweise die Gesellschaft aufstellen müsste, der das Netz gehört. Dann steht eben dahinter, so wie im Flugplan, Lufthansa oder Alitalia oder wer auch immer auf den bestimmten Strecken. Ich kann ja bestimmte Destinationen anklicken. Das kann ich dann auch auf der Schiene. Dann kann ich anklicken, von Hamburg nach München fährt dann, dann, dann ein Zug. Der ist Deutsche Bahn, der ist dieser, der ist jener und der ist wieder Deutsche Bahn. Das ist natürlich Voraussetzung, aber das ist kein Hinderungsgrund, um Wettbewerb stattfinden zu lassen. Das funktioniert jetzt ja auch.

Nur da habe ich wiederum das Problem: Die Deutsche Bahn hat sich ja lange Zeit konsequent geweigert, Alternativangebote überhaupt in ihren Fahrplänen zu veröffentlichen. Momentan hat das Wissen übers Netz nur die Deutsche Bahn. Also muss die dann auch die Konkurrenzangebote in ihren Fahrplan einplanen und das veröffentlichen. Auch das musste erst vom Gericht festgelegt werden, dass die Deutsche Bahn das muss.

Deutschlandradio Kultur: Wenn wir ein Netz wollen, das auf staatlicher Ebene kontrolliert werden soll, stellt sich natürlich auch die Frage, dass die Politik die Vorgaben macht. Oder sagen Sie, das entwickelt der Markt, und dann legen wir halt da still und da machen wir vielleicht was und dort überlassen wir es den anderen? Eigentlich müsste doch die Politik klare Vorgaben machen. Das tut sie nicht.

Friedrich: Das kann man so nicht sagen, denn das Bundesschienenwegeausbaugesetz ist eigentlich die Antwort auf die Probleme, die da sind. Die Politik hat bestimmte Prämissen gesetzt. Die Bahn hat gesagt, da und da und da möchte ich dieses und jenes haben. Das Ganze muss verzahnt werden mit der Finanzplanung. Und daraus entwickelt sich dann ein vordringlicher Bedarfsbereich.

Nur der müsste dann auch bitteschön konsequent abgearbeitet werden. Es nützt mir nix, wenn im Schienenwegeausbaugesetz drin steht, vom Bundestag als Gesetz beschlossen, die Strecke Nürnberg-Marktredwitz-Hof-Plauen bis Dresden wird elektrifiziert, steht im vordringlichen Bedarf, und ich kriege von der Bahn die Antwort: Das interessiert mich nicht. Den verkehrlichen Mehrwert für diese Kosten habe ich nicht.

Deutschlandradio Kultur: Also muss man doch mal klären, wer Koch und wer Kellner ist.

Friedrich: Das ist ja an der jetzigen Konstruktion so schwierig. Deswegen sind wir ja dafür, die jetzige Konstruktion zu beenden, und schätzen klare Verantwortlichkeiten. Auch deswegen möchte ich, dass im Netz nicht mehr nur von einem Hauptbetreiber definiert wird, was notwendig ist und was nicht, sondern, dass es neutralisiert wird und auch andere kommen und ich dann als Staat auch sagen kann, okay, ich fange jetzt das Bauen an. Ich schreibe die Leistung jetzt aus. Und dann funktioniert das, und zwar nach dem Willen des Gesetzgebers.

Deutschlandradio Kultur: Aber da kann doch nun nicht jeder auf seinem Gebiet machen, nämlich auf dem Gebiet der Bundesländer, wer will. Wir haben zum Beispiel die norddeutschen Häfen. Die bräuchten ein Verkehrskonzept. Der Lkw-Stau ist da unheimlich in Hamburg und auch in Niedersachsen. Aber es sind mehrere Bundesländer. Eigentlich müsste der Bund gemeinsam mit den Ländern da ein Konzept durchsetzen bei dieser Netzgesellschaft.

Friedrich: Das ist ja das Problem. Die Bahn weiß, dass sie für die Anbindung der drei Häfen Hamburg, Bremerhaven, Wilhelmshaven ungefähr 15 Milliarden Investitionsmittel braucht, um die Abfuhrstrecken zu ertüchtigen beziehungsweise zu bauen. Das hängt nicht an den Ländern. Da brauche ich mit den Ländern keinen Abstimmungsprozess. Das ist eigentlich klar. Das Problem in dem konkreten Fall ist, diese 15 Milliarden sind in der Mittelfristplanung des Finanzministers nicht abgebildet.

Deutschlandradio Kultur: Also ist es doch die Schuld des Bundes und nicht der Bahn. Das wird durch die Privatisierung nicht besser, wenn der Bund so weitermacht.

Friedrich: Das wird schon auch besser, weil ich bleibe dabei: Die Leistungsfähigkeit des Netzes ist bei Weitem nicht ausgereizt. Wir haben nach wie vor die Situation, dass die Deutsche Bahn - sehr grob - zwei Drittel ihres Verkehrs auf einem Drittel des Netzes abwickelt, den Hauptbelastungsstrecken. Der Rest der Strecken sind sogenannte "so-da-Strecken". Die liegen meistens nur "so da". Was wir wollen, auch das war eigentlich Konsens bis jetzt, ist: Wenn ich wirklich die Aussage ernst meine, mehr Güterverkehr auf die Schiene, dass ich dann auch dafür sorge, dass Güterverkehr unbeeinflusst vom Personenverkehr, dem man Vorrang einräumen muss, auch stattfinden kann.

Dann muss ich mir auch mal die Mühe machen, welche Strecken könnte ich aktivieren, wo ein Güterverkehr mit 80, mit 90, mit 100 Stundenkilometer fahren kann. Das reicht ja aus, wenn er kontinuierlich fährt, der muss ja keine 200 Stundenkilometer fahren, um das aufzulösen, was immer noch in vielen Fällen notwendig ist, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit des Güterverkehrs in Deutschland um die 200 Stundenkilometer liegt.

Und ich bleibe dabei: Eine völlig neutrale Netzgesellschaft, die nur einen einzigen Auftrag hat, Netz zu vermarkten, und zwar völlig losgelöst an wen, wird aus diesem Netz mehr machen als das, was jetzt gemacht wird. Es gibt keinen wirklichen Zwang für die Deutsche Bahn, Trassen tatsächlich zu vermarkten und zu bedienen. Dass wir Zuwachs auf der Schiene jetzt haben, liegt doch daran, dass andere, innovativere Unternehmer auf Trassen, die die Bahn bisher nicht, nicht ausreichend oder nicht mehr bedient hat, Angebote gemacht haben, die es schaffen, Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen.

Das ist nicht unmöglich, aber dann muss das Angebot stimmen. Dann muss ich die aber auch lassen dürfen. Es tut sich was auf diesem Markt, Gott sei Dank, endlich. Und wir werden auch im grenzüberschreitenden Verkehr deutlich mehr machen müssen.

Deutschlandradio Kultur: Dann erklären Sie uns doch mal: Wenn das so schlüssig ist, wie Sie es darstellen, dann müsste man doch eigentlich sagen: Jeder vernünftige Mensch sagt und Politiker auch, genauso setzen wir das um, wie die Liberalen sich das vorstellen. Es findet nicht statt. Wo hakt es?

Friedrich: Es war ja bisher nicht nur die Bahnreform der Liberalen, dazu hätten sie gar nicht die Mehrheiten gehabt, sondern die Bahnreform ist beschlossen worden von CDU/CSU, SPD und Liberalen 1994 mit der klaren Fokussierung, die ich gesagt habe. Alle Fachleute - außerhalb der Deutschen Bahn und außer dem Verkehrsminister - sind für Trennung von Netz und Betrieb. Die einzigen zwei, die dieses System bisher gnadenlos verhindert haben, ist der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn…

Deutschlandradio Kultur: Also, der ist der Blockierer.

Friedrich: Ist doch völlig klar. Die Deutsche Bahn ist nach wie vor ein natürlicher Monopolist und das Schienennetz ist ein natürliches Monopol, so wie Leitungsnetze für Strom und für alles andere auch. Kein Mensch gibt freiwillig eine marktbeherrschende Stellung auf, wenn er nicht wirklich muss.

Deutschlandradio Kultur: Aber man kann ihn ja zwingen.

Friedrich: Ja, ja, da brauche ich aber dann auch die Regierung, die das umsetzt. Und jetzt kommt das Entscheidende dazu. Mit der Regierungsübernahme von Rot-Grün und dem Austauschen des Bahnvorstandschefs Ludewig gegen Hartmut Mehdorn ist ja die Gesetzgebung der Bahnreform zurückgedreht worden. Mehdorn hat das, was angelegt war in einer Aufteilung der Bahn, in Auflösung der Holding, umgekehrt. Er hat die Holding gestärkt. Er hat die Zentralen gestärkt. Bodewig war der einzige SPD-Verkehrsminister, der sich getraut hat, das Thema Trennung von Netz und Betrieb auf einem Parteitag der Grünen darzustellen. Das Ergebnis war, er war kein Verkehrsminister mehr. Er musste den Canossagang antreten. Das hat das Kanzleramt, damals Schröder, angeordnet. Und 2005 war es vorbei.

Und der jetzige Verkehrsminister Herr Tiefensee möchte mit leuchtenden Augen den nationalen Champion an die Börse bringen, aber mit Netz. Er hat offensichtlich noch gar nicht begriffen, was es bedeutet, wenn die Deutsche Bahn AG mit Netz an den Markt geht, ob nun als breiter Börsengang oder nicht. Das bedeutet nämlich nach unseren grundgesetzlichen Vorgaben, dass dann der deutsche Steuerzahler für alles haftet, was die Bahn so in der Welt anstellt. Da sind wir der Meinung, ich glaube, da kriegen wir dann auch eine Mehrheit in der Bevölkerung, es ist wirklich keine Aufgabe des deutschen Steuerzahlers, Containeranlagen in Schanghai zu finanzieren.

Deutschlandradio Kultur: Lassen Sie uns noch mal über dieses Konzernargument sprechen. Die Bahn, aber auch die Gewerkschaft TRANSNET sagen ja: Am besten, der Konzern bleibt zusammen, auch wenn er verschiedene Funktionen hat, weil die Synergieeffekte besonders gut sind. Halten Sie was von dem Argument?

Friedrich: Zeigen Sie mir mal die Synergieeffekte zwischen Nahverkehr und Güterverkehr.

Deutschlandradio Kultur: Aber zwischen Schiene und Fahrbetrieb.

Friedrich: Das ist das Totschlagargument gewesen. Wenn das stimmen würde, dürfte eine Connex, eine Veolia, eine Arriva, eine Kölner Hafenbahn auch nicht auf den Gleisen der Deutschen Bahn fahren, weil das sind auch alles keine Eigentümer der Gleise. Es sind alles vorgeschobene Argumente. Es gibt kein technisches Argument gegen die Trennung von Netz und Betrieb. Das dient alles nur dazu, das Monopol geschlossen zu halten, Fakten zu schaffen.

Und genau das passiert. Die Deutsche Bahn baut Weichen aus. Die Deutsche Bahn baut Überholgleise weg. Sie verhindert Gleisbildung, alles mit der nachvollziehbaren Begründung: Ich habe da momentan keinen Bedarf. Dann wird ausgeschrieben. Dann gibt es innerhalb von drei Wochen keinen, der sich meldet, und dann wird abgebaut. Es könnte aber sein, dass in einem Jahr einer kommt und sagt, es gelingt mir mit meiner Initiative und Kreativität dort einen Verkehr zu generieren, nur ich müsste irgendwann mal aufs Hauptnetz kommen. Dahin komme ich aber nicht mehr, weil die Weiche weg ist.

Deutschlandradio Kultur: Irgendwie scheint in der Politik jetzt der Handlungsdruck groß zu sein. Zumindest sagt Herr Kauder, Ende April wollen wir das Ding vom Tisch haben. Der hofft auf eine Lösung. Haben Sie denn eine Vorstellung, wie das aussehen könnte?

Friedrich: Das Problem ist, dass jetzt Union und SPD versuchen, ein Problem zu lösen, das nicht mehr die verkehrspolitischen Argumente berücksichtigt, sondern völlig andere Strategien. Der Herr Beck muss seinen Parteitagsbeschluss sanktionieren, er weiß aber eigentlich nicht, warum. Der Kauder will das Problem gelöst haben, ohne genau zu wissen, weshalb. Die Befürchtung, die ich jetzt habe, ist: Man setzt sich in der großen Koalition unter Druck, um ein Problem los zu bekommen, um irgendein Ergebnis zu kriegen - völlig losgelöst von der inhaltlichen Situation. Ich hoffe nur, dass die Union mit dieser Eierei, momentan ist man sich ja in der SPD offensichtlich nicht einig, zum Ergebnis kommt: Bevor wir was Falsches beschließen, dann beschließen wir lieber nix.

Deutschlandradio Kultur: Und was passiert dann?

Friedrich: Gut, dann bleibt die Deutsche Bahn im Status quo, das zumindest bis zu einer nächsten Bundestagswahl mit dann vielleicht anderen Mehrheiten und anderen Möglichkeiten. Die Verkehrspolitiker, die Fachpolitiker der Union waren immer auf unserer Seite. Mein Namenskollege Hans-Peter Friedrich von der Union ist im Grunde seines Herzens auch für die Trennung von Netz und Betrieb. Er hat nur die Restriktionen bisher bei der SPD gesehen. Also, ich bin sicher, eine schwarz-gelbe Regierungsmehrheit würde ein klares bahnpolitisches Konzept umsetzen mit der klaren Trennung im Organisatorischen: Netz Staatsaufgabe, Betrieb keine Staatsaufgabe.

Deutschlandradio Kultur: Bei einer offenen Abstimmung hätten Sie schon heute die Mehrheit, sehe ich daraus.

Friedrich: Die hätten wir auch schon in der Zeit von 2002 bis 2005 gehabt, weil auch die Grünen mit Albert Schmidt an der Spitze diese Meinung vertreten haben. Nur die konnten sich auch schon damals gegen die SPD nicht durchsetzen, weil die SPD-Verkehrsminister offensichtlich alle ihre Befehle von der Bahnzentrale am Potsdamer Platz übers Kanzleramt bekommen haben.

Deutschlandradio Kultur: Wenn Sie diese Mehrheit hätten, von der Sie träumen, was machen wir dann mit Herrn Mehdorn?

Friedrich: Herr Mehdorn hat erklärt: Wenn die Trennung von Netz und Betrieb kommt, wäre das ein Grund für ihn, das Amt niederzulegen. Mittlerweile ist er offensichtlich für das Holdingmodell, das jetzt von Herrn Steinbrück vorgelegt wurde, das ja in eine Richtung zeigt, die wir mittragen könnten. Es kommt da auf die Randbedingungen an und es kommt darauf an, dass das nur ein Zwischenschritt ist. Danach ist ja die endgültige Trennung möglich, weil das Holdingmodell bedeutet ja jetzt ebenfalls, die Transportgesellschaften in eine eigene Holding und der Rest, sprich Bahnhöfe, Schienen, Signale, in eine andere unter dem Dach der DB AG, aber eben 100 Prozent weiterhin beim Bund, während die Transporttöchter ja an den Markt gebracht werden sollen.

Deutschlandradio Kultur: Aber nur als Zwischenschritt?

Friedrich: Für uns ist eine Ja-Stimme zu diesem Thema nur dann möglich, wenn es a) ein Zwischenschritt ist und b) die Randbedingungen, die TRANSNET und andere jetzt versuchen da beizumischen, nicht so sind, dass man im Endeffekt genau das wieder kriegt, was Mehdorn eigentlich wollte - den integrierten Börsengang eines Konzerns, nur auf anderem Wege. Wenn das am Ende rauskommt, werden wir da Nein sagen dazu. Deswegen kann ich nur sagen: Wenn das nicht zu verhindern ist, dann ist mir lieber, es gibt in dieser Periode keine Entscheidung mehr. Dann muss der Finanzminister deutlich machen, wie er die umwelt- und klimapolitischen Ziele auch über den Verkehrsbereich darstellen möchte. Börsengang als Selbstzweck, nur um an die Börse zu gehen, muss aus unserer Sicht nicht notwendigerweise sein.

Deutschlandradio Kultur: Aber eine Frage interessiert uns noch zum Schluss: Sie sind Modelleisenbahner. Sie haben eine Modelleisenbahn im Keller. Was stehen auf den Lokomotiven für Firmenlogos drauf?

Friedrich: Die Modelleisenbahn ist von der Firma Fleischmann. Und da ich in einer Phase bin, die man als Modellbahner Phase 3 bezeichnet, steht da nur "DB" drauf. Allerdings ist das noch Deutsche Bahn. Damals gab es noch keine anderen.

Deutschlandradio Kultur: Das heißt, Sie müssen demnächst umlackieren.

Friedrich: Ach, ich habe ja das erste Modell schon da stehen. Da steht "Connex" drauf. Bei mir ist die Trennung von Netz und Betrieb schon möglich.

Deutschlandradio Kultur: Herr Friedrich, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Friedrich: Keine Ursache.