FC Barcelona und die Unabhängigkeit

Warum Barça den Spagat üben muss

Spieler des FC Barcelona beim Training: Neymar (links), Rafinha Alcantara und Sergio Busquets (rechts) am 16. September 2016
Spieler des FC Barcelona beim Training: Neymar (links), Rafinha Alcantara und Sergio Busquets (rechts) am 16. September 2016 © dpa / picture alliance / Alejandro Garcia
Von Burkhard Birke · 26.11.2017
In einem unabhängigen Katalonien müsste der ruhmreiche FC Barcelona in einer zweitklassigen Liga antreten, und der spanische "clásico" gegen Real Madrid würde ausfallen. Weil ihn das viel Geld kosten würde, sendet der Klub gemischte Signale.
"Més que un Club". Das Vereinsmotto sagt es: Der FC Barcelona ist zurzeit nicht nur unangefochtener Tabellenführer der spanischen Liga, sondern mehr als nur ein Klub. Barça ist eine katalanische Institution. So verwundert es wenig, wenn in letzter Zeit bei Heimspielen Transparente mit Forderungen nach Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit auftauchten inmitten eines Meeres von gelb-rot gestreiften Fahnen. Gefordert wird die Freilassung der inhaftierten Führer der Zivilbewegungen für Unabhängigkeit und der festgenommenen Politiker.
Längst nicht alle Fans freilich befürworten die Unabhängigkeit Kataloniens. Und in der Brust des nicht unumstrittenen Barça-Präsidenten Josep Maria Bartomeu dürften auch zwei Herzen schlagen: Eines für Katalonien und eines für den Erhalt der Wirtschaftlichkeit des fünfmaligen Champions-League-Siegers. In offiziellen Statements übt sich Bartomeu denn im Spagat:
"Wir sind mehr als nur ein Klub und deshalb müssen wir unsere Leute in so schwierigen Zeiten unterstützen. Deshalb haben wir uns der unabhängigen Kommission für Mediation, Dialog und Versöhnung angeschlossen, die das berühmte Anwaltskollegium ins Leben gerufen hat. Gemeinsam mit anderen zivilen Einrichtungen wollen wir Brücken des Dialogs bauen, die zu einer einvernehmlichen und friedlichen Lösung des Konfliktes führen."
Bis jetzt konnten nicht allzu viele Brücken gebaut werden. Was Barça jedoch auf alle Fälle verhindern will, ist der sportliche Abstieg in die Zweit- oder Drittklassigkeit. Denn Ligachef Javier Tebas hat nie Zweifel daran gelassen, was eine Unabhängigkeit Kataloniens für den Fußball bedeuten würde. Wenn es wirklich zu einer einseitigen Unabhängigkeit käme, wäre Katalonien nicht mehr in der EU und die Klubs könnten nicht mehr in der spanischen Liga spielen. Bei diesen Prozessen wird nicht die Wahrheit gesagt und deshalb sind sie gefährlich. Dann gibt's Überraschungen.

Ex-Präsident Puigdemont jubelte mit Girona

Betroffen wären nicht nur Barça. Auch Girona und der Lokalrivale Espanyol, der zurzeit auf Platz 14 weit hinter Aufsteiger Girona rangiert, könnten nicht mehr in der Primera Division antreten. Girona ist der Lieblingsclub von Ex-Präsident Puigdemont, der sich wie ein kleines Kind freute, als sein Verein mitten auf dem Höhepunkt der Unabhängigkeitskrise die Königlichen von Real Madrid 2:1 schlug.
Barça in einer katalanischen Liga gegen Espanyol, Girona und drittklassige Vereine wie Sabadell – unvorstellbar. Barça wie Monaco in der französischen Liga – oder gar in der Premier League!? Viel wurde in letzter Zeit spekuliert, dabei hätte auch die spanische Liga mit dem Weggang des 24-fachen Meisters einen herben Verlust zu beklagen – allein schon wegen des Wegfalls des Clásico gegen den Erzrivalen Real Madrid.
Barça selbst würde Not leiden: Kassiert der Verein allein an Fernsehrechten 170 Millionen Euro pro Saison von der spanischen Liga. Barça ist eben "més que un Club": Mehr als nur ein Klub, ein riesiges Wirtschaftsunternehmen, das anders als Banken und produzierende Unternehmen seinen Firmensitz nicht mal eben aus Katalonien auslagern kann.

Ein Heimspiel vor leeren Rängen

Schlimm genug war, dass die Partie gegen Palmas unkängst vor leeren Rängen abgehalten werden musste. Auf dem Höhepunkt der Unabhängigkeitskrise wollten die Verantwortlichen das Match absagen. Angesichts des drohenden Sechs-Punkte-Strafabzuges fand das Spiel dann vor leerem Stadion statt – ein Verlust von drei Millionen Euro.
Eine Neuauflage ist nicht auszuschließen, obwohl nach Übernahme der Kontrolle durch die Zentralregierung in Madrid die Welt äußerlich in Ordnung scheint. Nur äußerlich wohlgemerkt, denn die Emotionen kochen höher denn je seither. Spieler wie Gerard Piqué haben nie einen Hehl aus ihrer Neigung für Unabhängigkeit gemacht – so weit, dass Piqué, der im Nationaltrikot deshalb regelmäßig ausgepfiffen wird, unlängst sogar seinen Abschied von der Roja, der Nationalmannschaft, nicht mehr ausschloss.

Welche Rolle spielen die Differenzen um den Status von Katalonien in den beliebtesten spanischen Mannschaftssportarten, im Fußball, Handball, Basketball oder Rollhockey? Florian Haupt, Journalist in Barcelona, sagt, dass für den Sport eine ganze Menge auf dem Spiel stehe:
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