Fazit nach Olympia in Rio

"Der Gigantismus ist das Problem"

Feuerwerkskörper erleuchten über dem Stadion Maracana in Rio de Janeiro.
Abschlussfeier der Olympischen Spiele von Rio de Janeiro © pa/dpa
Thomas Wheeler im Gespräch mit Dieter Kassel · 22.08.2016
Es waren mitnichten die traurigsten Olympischen Spiele, wie manch ein Medienvertreter nach Olympia in Rio behauptet, sagt Thomas Wheeler. Die Spiele in Nazi-Deutschland 1936 oder 1972 in München sowie 1996 in Atlanta mit ihren Anschlägen seien sicher trauriger gewesen.
Zu beklagen sei aber, dass bei den ersten Sommerspielen in Südamerika der Funke nicht übergesprungen sei, meinte Sport-Redakteuer Thomas Wheeler im Deutschlandradio Kultur.
"Das hatte mehrere Gründe. Die umfangreiche, aber natürlich berechtigte Doping-Debatte im Vorfeld der Spiele, das wachsende soziale Gefälle in Brasilien und die Gigantomanie des IOC."
In Zukunft müssten sich alle Beteiligten die Frage stellen, so Wheeler, welche Art von Spielen sie wollten. Immer mehr Wettkämpfe und damit aufgeblähtere und unübersichtlichere Spiele - oder Spiele, die eine Nummer kleiner und damit womöglich wieder attraktiver für die Sport-Fans vor Ort und am Fernseher seien.

Die Kosten müssten reduziert werden - das passiert aber nicht

Wheeler: "Man muss auf jeden Fall etwas lernen: Und zwar dieser Gigantismus insgesamt, was das Wettkampfprogramm angeht, das ist so wahnsinnig groß geworden. 1988 in Seoul, da lagen wir bei knapp 240 Entscheidungen. Mittlerweile sind wir bei 306, und es soll auch noch mal aufgestockt werden. In Tokio 2020 kommen fünf neue Sportarten hinzu. (...) Und auf der anderen Seite muss man natürlich weiter die Kosten reduzieren für solche Veranstaltungen. Und wenn ich dann auf Tokio blicke, die sich ein Olympiastadion hinstellen wollen, das nach momentanen Schätzungen 1,8 Milliarden Euro kosten soll, dann hat man, glaube ich, überhaupt nichts gelernt."
Man müsse auch die Frage stellen, ob das System mit all seinen Auswüchsen - Leistungsnormen, Doping und die Erwartungen der Medien und Zuschauer nach Höchstleistungen - ob das alles miteinander nicht zusammenhänge. Und ob deshalb eben grundsätzlich reformiert werden müsse.

"Es geht den Herren in Lausanne um die Vermehrung der Reichtümer"

Es bestehe jedoch wenig Hoffnung, dass der Veranstalter die Probleme anpacke.
Wheeler: "Nein, denn das IOC ist in erster Linie darauf aus, weiter Geld zu verdienen. Das bekommt man durch die Fernsehrechte. Für den Zyklus Winterspiele 2014 in Sotschi und die Spiele jetzt hier in Rio waren es 3,35 Milliarden Euro, die man durch den Verkauf der TV-Lizenzen eingenommen hat. Das war Einnahmenrekord.
Zwar ist das Wachstum zurückgegangen isgesamt, aber es ist weiter so: Es geht den Herren dort in Lausanne um die Vermehrung der Reichtümer des Internationalen Olympischen Comitees. Und deswegen ist natürlich auch der Korruption Tür und Tor geöffnet."
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