Fazil Says Versöhnung mit Erdogan

Musik statt Politik

Der Pianist Fazil Say bei einem Konzert in Bad Wörishofen.
Fazil Say bei einem Konzert in Bad Wörishofen. Bislang galt das Verhältnis zwischen dem türkischen Pianisten und Staatschef Erdogan als zerrüttet. © imago / MiS
Susanne Güsten im Gespräch mit Gabi Wuttke · 21.01.2019
Der international bekannte Pianist und Komponist Fazil Say war eine Gallionsfigur für die türkische pro-westliche Elite. Nun faltet er die Hände und verbeugt sich vor Präsident Erdogan. Warum tut er das?
"Warum so eine Eile? Hast du eine Geliebte, die auf dich wartet, oder einen Rakı auf dem Tisch?", das hatte der international bekannte Pianist und Komponist Fazil Say vor knapp sechs Jahren über den Gebetsruf eines Muezzins getwittert. Daraufhin wurde er in der Türkei wegen Blasphemie zu zehn Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Acht Monate vor dem Putschversuch gegen Präsident Erdogan hob das oberste Gericht das Urteil jedoch wieder auf. Der Tweet wurde als Meinungsäußerung eingestuft.
Das Verhältnis von Fazil Say und Präsident Erdogan galt seitdem als zerrüttet. Nun soll sich das Blatt gewendet haben. Bei einem Konzert, das der türkische Präsident besuchte.

Persönliche Begegnung zwischen Erdogan und Say

"Früher war Say sehr arrogant gegenüber der fromm-konservativen Bevölkerungsmehrheit in Anatolien, die in den letzten Jahren an die Macht gekommen ist", erklärt die freie Journalistin Susanne Güsten. Say habe sich über den Islam lustig gemacht und seine Verachtung für die anatolische Volksmusik deutlich zu erkennen gegeben. "Das wurde ihm übel genommen", so Güsten. Er bekam immer weniger Auftrittsmöglichkeiten. Konzerte und Festivals wurden abgesagt, Orchester haben nicht mehr mit ihm zusammengearbeitet. Laut Susanne Güsten hat ihm das zu schaffen gemacht.
Nach dem Tod seiner Mutter, sagt Güsten, habe Say auf einmal einen Anruf von Erdogan bekommen. Der Präsident habe kondoliert. Bei dieser Gelegenheit, erklärt Güsten, habe ihn Fazil Say dann zur Premiere der Troja-Sonate eingeladen.

Symbolbild der Kapitulation

Nach dem Konzert, erzählt Susanne Güsten, habe es stehenden Applaus gegeben. "Und auch Erdogan ist aufgestanden und hat ihm stehend applaudiert." Dann sei Erdogan auf die Bühne gegangen, um eine Lobesrede zu halten.
Dabei entstand ein Bild, das nun die Medien bestimmt: Während Erdogan spricht, steht Fazil Say vor seinem Klavier und hat den Kopf leicht gesenkt, die Hände vor dem Bauch gefaltet. "Das wird hier als Symbolbild der Kapitulation, als Zu-Kreuze-Kriechen verbreitet und in den Regierungsmedien mit Triumph und etwas Häme gedruckt", sagt Güsten.

"Wir werden politisch nicht mehr viel von ihm hören"

Susanne Güsten sieht Fazil Says Weltkarriere dadurch nicht gefährdet, seine Weltkarriere sei "schwer zu zerstören", da stehe er mit seinem Schaffen als Pianist inzwischen drüber. Fazil Say habe immer großen Wert darauf gelegt, dass seine Musik auch in Anatolien, wo er aufgewachsen ist, gehört und verstanden wird. "Vielleicht stellt er sich auch vor, dass er in einem Land mehr bewirken kann, wenn er diesem Land seine Musik gibt, als wenn er sich auch noch in die Menge der Demonstranten einreiht."
Susanne Güsten hat den Eindruck, dass Fazil Say schon seit längerer Zeit seine Lehren gezogen hat: "Ich glaube, wir werden von ihm politisch nicht mehr viel hören." In der Türkei gebe er überhaupt keine Interviews mehr.
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