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Sanierungsstau
Geld ist da, aber Pläne fehlen

In Berlin befinden sich Schulen in einem miserablen baulichen Zustand. Zum Teil ist Geld durchaus vorhanden, aber wird nicht verbaut. Die Gründe sind dafür ganz unterschiedlich: zum Beispiel kein Personal und keine Koordination.

Von Anja Nehls | 27.10.2016
    Berlin-Weißensee: Die Proteste an den Schulen weiten sich aus. Nach dem geplanten Lehrerstreik am 12. April 2000 wollen die Schüler zu einem großen Sternmarsch im Mai aufrufen. Andere hoffen, dass ihre marode Schule wenigstens teilweise saniert wird.
    Über fünf Milliarden Euro sollen in Berlin in den nächsten zehn Jahren für die Schulen zur Verfügung stehen. (picture alliance / dpa / Berlin Picture Gate)
    Am Berliner Fichtenberg Gymnasium fällt der Putz von der Fassade, die Turnhallenwände des Lilienthal Gymnasiums sind verschimmelt, in der Alt Lankwitzer Grundschule wachsen Efeu und Knöterich durch undichte Fugen nach innen, in der Wilma Rudolph Schule stolpern Schüler über Eimer die das Regenwasser auffangen, das durch die Decke kommt und im Andreas Gymnasium stehen große Teile des Untergeschosses gleich ganz unter Wasser. Beispiele aus dem sehr besonderen Adventskalender "einstürzende Schulbauten", den jedes Jahr eine Elterninitiative zusammenstellt. Viele der Probleme, mit denen sich Schüler, Eltern und Lehrer herumschlagen, gibt es schon seit Jahren oder Jahrzehnten:
    "Von oben tropft es durch, befeuchtet dann die Deckenplatten – also wir waren auch mal hier im Unterricht und dann ist die Decke da runtergefallen, also da in der Ecke war es auch öfters so, dass da was getropft hat und dann ist das runtergefallen – und dann hoffen wir immer, dass das in einer Zeit passiert, in der hier keine Kinder sind. Wir haben immer noch unsere kaputten Fenster, wir haben immer noch die marode Fassade – viele Kinder verdrücken sich es, die gehen gar nicht mehr aufs Klo in der Schule, weil sie es eklig finden."
    Eine Milliarde Euro wird gebraucht
    Über viele Jahre hat Berlin so viel gespart, dass es jetzt bei den Schulen einen immensen Sanierungsrückstau gibt. Eine Milliarde Euro wird gebraucht, um den innerhalb von zehn Jahren aufzuarbeiten, schätzt der Berliner Finanzsenator. Dazu noch einmal jeweils zwischen eins und zwei Milliarden, um den laufenden baulichen Unterhalt der Schulen zu bezahlen und um neue Schulen zu bauen. Denn Berlin wächst und in den nächsten Jahren kommen rund 70 bis 80.000 Schüler dazu. Nachdem das Fichtenberg Gymnasium kurz vor der Schließung stand, wird jetzt endlich mit den Arbeiten begonnen, freut sich Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD):
    "Ein Thema ist, dass manchmal so war in der Vergangenheit, dass Projekte, die besonders groß waren und deshalb eigentlich auch besonders wichtig, nicht angepackt worden sind. Und es ist eben so, dass es ganz schwer ist für so ein großes Vorhaben wie Fichtenberg in einem Haushalt das Gesamtvolumen dafür freizustellen. Deshalb ist es manchmal so, dass es manchmal richtig ist, den großen Elefanten in Scheiben zu verspeisen."
    Bis es alles fertig ist, werden die Schüler also Jahrzehnte auf einer Baustelle lernen müssen. Über fünf Milliarden Euro sollen in Berlin in den nächsten zehn Jahren für die Schulen zur Verfügung stehen. Ob diese Gelder von der Stadt und den Bezirken auch tatsächlich zeitnah verbaut werden, bezweifelt der Finanzexperte Marcel Fratzscher von DIW.
    "Bei vielen liegt es an den Planungskapazitäten, dass sie sagen, wir können das gar nicht umsetzen, wir wissen, wir haben ein Problem bei den Schulen, aber wir haben gar nicht die Ingenieure, die Planer, die das jetzt wirklich umsetzen können. Und in vielen Bereichen fehlt es einfach an Koordinierung."
    Verschiedene Ämter müssen sich zum Teil absprechen
    Für den baulichen Unterhalt der Schulen sind in Berlin die einzelnen Bezirke zuständig. In vielen Bezirken müssen sich drei verschiedene Ämter bei Schulbauten absprechen. Allein der Bezirk Steglitz-Zehlendorf musste 400.000 Euro für Schulsanierungen an das Land Berlin zurückgeben, weil das Bauamt des Bezirks nicht genug Personal hatte, um das Geld zu verplanen. Ähnlich verhält es sich mit den Berliner SIWA-Mitteln, Sondervermögen für Investitionen in die wachsende Stadt. Die werden aus den Haushaltsüberschüssen gebildet, die Berlin erfreulicherweise seit Kurzem wieder hat – und die nicht schnell genug eingesetzt werden können, gibt der Finanzsenator zu:
    "Es stimmt, der Mittelabfluss von SIWA1 ist durchaus langsam. Dadurch, dass das erst einmal neu war, müssen sich erst einmal alle dran gewöhnen und dann ist es auch wichtig, dass man durchaus versucht, Objekte schon vorzuplanen, die man dann abruft, wenn es denn die Gelegenheit dazu gibt."
    Damit sind häufig sowohl Schulen, als auch Bezirke überfordert. Eine Lösung könnte eine ausgelagerte neuzugründende Gesellschaft sein, die nur für Schulbauten zuständig ist, sagt Marcel Fratzscher. In Hamburg läuft so etwas bereits sehr erfolgreich:
    "Dann wären die Bezirke ein bisschen raus, weil man dann im Prinzip ein bisschen besser koordinieren kann. Denn nicht jeder Bezirk kann das in der gleichen Qualität, Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit, Kosteneffizienz umsetzen, wie wenn man das bündelt."
    Nach Jahren des Kaputtsparens will Berlin das Schulproblem jetzt endlich anpacken. Die Investitionsquote soll wieder auf das Niveau der anderen Bundesländer ansteigen. Zusätzlich sollen 50 Prozent der SIWA-Mittel ausschließlich den Schulen zugutekommen. Bleibt die Hoffnung, dass das viele zusätzliche Geld dann auch wirklich verbaut wird.