Donnerstag, 28. März 2024

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DOSB-Präsident
"Entscheidung des IOC ist gut nachvollziehbar und sachlich klar begründet"

Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Alfons Hörmann, nimmt den IOC wegen seines Beschlusses im Doping-Skandal in Schutz. Das IOC überlasse den internationalen Sport-Fachverbänden die Verantwortung, die ihnen zustehe, sagte Hörmann im DLF. Alles andere wäre ein Eingriff gewesen.

Alfons Hörmann im Gespräch mit Doris Simon | 25.07.2016
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    DOSB-Präsident Alfons Hörmann spricht am 20.05.2016 beim Festakt zum 10. Geburtstag des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) in der Paulskirche in Frankfurt am Main (Hessen). (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Das IOC habe klar entschieden, dass kein russischer Sportler an den Olympischen Spielen in Rio teilnehmen dürfe, wenn er nicht über die jeweiligen Sport-Fachverbände nachweisen könne, dass er im Ausland auf Doping geprüft worden sei.
    Er wundere sich, dass bei aller Kritik der Präzedenzfall Leichtathletik ausgeblendet werde. Auch bei dem Ausschluss russischer Leichtathleten habe der internationale Fachverband entschieden. Für gut geführte Verbände sei es kein Problem, innerhalb kurzer Zeit nachzuweisen, ob ein Athlet außerhalb Russlands geprüft wurde.

    Das Interview in voller Länge:
    Doris Simon: Es gibt viel Enttäuschung und viel Kritik an der Entscheidung des IOC zu Russland, aber auch große Zufriedenheit.
    Das Internationale Olympische Komitee hat keine Sperre aller russischen Sportler in Rio verfügt, sondern stattdessen die Arbeit delegiert an die internationalen Fachverbände. Russische Athleten müssen dem jeweiligen Weltverband ihrer Disziplin beweisen, dass sie nicht gedopt haben. Russische Sportler mit positiven Dopingproben in der Vergangenheit dürfen nicht teilnehmen in Rio. - Am Telefon ist jetzt Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Guten Morgen.
    Alfons Hörmann: Guten Morgen!
    Simon: Herr Hörmann, elf Tage vor Rio eine komplizierte Entscheidung. Hätten Sie es gern klarer gehabt?
    Hörmann: Es war absehbar, dass es sehr schwierig wird und dass eine Entscheidung zu treffen ist, die niemals die Wünsche aller Betroffenen und insbesondere der Öffentlichkeit erfüllen wird. Ich denke aber, dass das, was Thomas Bach mit seinem Team entschieden hat, gut nachvollziehbar und auch sachlich klar begründet ist.
    Simon: Aber das IOC ist ja selber eigentlich dafür da, Leitlinien vorzugeben und zu entscheiden. Warum haben die einfach nicht jetzt entschieden? Es gab ja jede Menge Dinge, die abgewartet worden waren, wie die Entscheidung des Sportgerichtshofs CAS. Die hatten klar gesagt, alle russischen Leichtathleten raus, und weil man weiß, dass das Problem viel größer ist als nur die Leichtathletik, hätte das IOC doch wirklich kein Problem gehabt zu sagen, jetzt alle russischen Athleten raus.
    Hörmann: Das IOC hat klar entschieden, nämlich dass kein russischer Sportler aus den anderen Disziplinen teilnehmen darf, wenn er nicht über die jeweiligen Fachverbände international den Nachweis erbringt, dass er außerhalb des Systems Russlands getestet wurde und sich dort auch im Wesentlichen aufgehalten hat.
    "IOC hat den Fachverbänden die Verantwortung überlassen, die ihnen zusteht"
    Simon: Aber das ist doch hoch kompliziert, zehn Tage vor Olympia.
    Hörmann: Das ist im Grunde genau die gleiche Vorgehensweise wie im Falle der Leichtathletik. Ich wundere mich sehr, wie man seit gestern den Präzedenzfall Leichtathletik ausblendet.
    Erinnern wir uns einige Wochen zurück. Über die Leichtathletik ist das gesamte Thema ja ans Licht gekommen - Gott sei Dank, müssen wir alle gemeinsam sagen. In der Leichtathletik ist genau der Weg gewählt worden. Der internationale Fachverband hat entschieden und es gibt im Moment eine einzige Ausnahme. Von den 68 Athletinnen und Athleten der Leichtathletik Russlands konnte eine Weitspringerin den Nachweis erbringen.
    Jetzt bleibt abzuwarten, wie es in anderen Sportarten aussieht, und ich möchte daran erinnern, dass es eine weltweit bewährte Sportarchitektur gibt. Das IOC hat nichts anderes getan, als sich konsequent daran zu halten, nämlich den internationalen Fachverbänden die Verantwortung zu überlassen, die ihnen zusteht. Andernfalls wäre es ein Eingriff gewesen.
    Simon: Die Fachverbände sagen zum Teil aber jetzt schon, das ist ein Aufwand, der gar nicht zu leisten ist. Viele Athleten aus Russland werden einfach durchgewunken werden. Bei uns im Programm hat gestern Abend der Präsident des Deutschen Tischtennisverbandes gesagt, das IOC schiebe da den Verbänden zehn Tage vorher die Drecksarbeit zu.
    Hörmann: Das ist aus meiner Sicht eine vollkommen falsche Interpretation und auch keinerlei Problem, denn wer sich mit dem gesamten Thema fach- und sachorientiert beschäftigt weiß, dass auf Knopfdruck nachzuweisen ist, wann wer welche Kontrollen in den letzten Wochen und Monaten hatte. Und ich prognostiziere, dass Sie heute im Laufe des Tages dazu eine ganze Reihe von neuen Meldungen bekommen.
    Beispielsweise der Tennisverband, der internationale, hat gestern Abend ja noch, also wenige Stunden später, die Freigabe für seine Sportlerinnen und Sportler erteilt, weil es für gut geführte Verbände überhaupt kein Problem ist und auch für die Athletinnen und Athleten, innerhalb weniger Stunden nachzuweisen, ob außerhalb Russlands getestet wurde oder nicht. Die Dinge sind alle elektronisch sauber und präzise erfasst.
    "Wir hatten abzuwägen zwischen der kollektiven Verantwortung und den Rechten des Individuums"
    Simon: Aber das Problem ist doch: Wir reden jetzt von lauter Einzelfällen, die jetzt geprüft werden müssen. Es geht doch um ein systemisches Problem. Es geht um Staatsdoping. Das hat die IOC-Agentur WADA etabliert. Das Gesamtsystem ist das Problem. Und das passiert doch jetzt mit dieser Entscheidung überhaupt nicht. Russland kann in Rio antreten mit Flagge, mit Fahne, mit Funktionären. Das heißt: Noch mal gut gegangen für Russland.
    Hörmann: Die klare Ansage des IOC vor der Entscheidung und noch klarer gestern nach derselben war: Wir hatten abzuwägen oder haben abzuwägen zwischen der kollektiven Verantwortung und den Rechten des Individuums. Und genau das Letztere hat letztlich den Ausschlag gegeben zu sagen, wir werden das Gesamtsystem einer besonderen Prüfung unterziehen. Im Gegensatz zu allen anderen Nationen sind russische Athleten nicht per se über die Qualifikation zugelassen, sondern die Athletinnen und Athleten müssen den Nachweis erbringen, außerhalb des Systems getestet worden zu sein. Das heißt, das System ist sehr wohl als nicht akzeptabel und so in keiner Weise tragbar klassifiziert worden, weil in keiner anderen Nation weltweit gleich vorgegangen wurde.
    Eine Entscheidung, die "zweifelsohne umstritten ist"
    Simon: Herr Hörmann, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche und schnell noch fragen darf. Diejenige, die das alles ans Licht gebracht hat, die Mittelstrecklerin Stepanowa, die wollte ja als neutrale Athletin teilnehmen. Die darf jetzt überhaupt nicht teilnehmen. Man hat gesagt, sie hat ja selber irgendwann gedopt, deswegen darf sie nicht teilnehmen. Regelkonform ist das, aber die Botschaft ist klar: Haltet den Mund, Aufdecken, Whistleblowing wird bestraft, das lohnt sich nicht. Ist das olympisch?
    Hörmann: In dieser Entscheidung, sage ich ganz offen, schlagen auch in meiner Brust zwei Herzen, weil man definitiv, ich sage einfach, gute Argumente dafür finden konnte oder kann, dass genau das nicht passiert. Das IOC hat an der Stelle wohl die Vergangenheit der Athletin, dass sie zahlreiche Jahre ebenfalls in dem System unterwegs war, und auch für alle anderen, die jemals in irgendeiner Form des Dopings überführt wurden, als schwerer zu gewichten bewertet. Aber eine klassische Entscheidung, die zweifelsohne umstritten ist und die man hätte auch anders treffen können.
    Simon: ... sagt Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Vielen Dank, Herr Hörmann.
    Hörmann: Gern geschehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.