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Luxemburg unterstützt Mr. Euro
Juncker deklassiert Regierungsparteien

Die Spitzenkandidaten haben bei der Europawahl für ihre Heimatparteien ein dickes Stimmen-Extra geholt: Die SPD in Deutschland profitierte vom Schulz-Effekt, in Luxemburg führte Mister Euro, Jean-Claude Juncker, seine oppositionellen Christdemokraten zum Erfolg – für die neue Koalition im Großherzogtum ein Desaster.

Von Tonia Koch | 27.05.2014
    Jean-Claude Juncker bei einem Interview in Madrid.
    Seine Partei profitierte vom Spitzenkandidaten-Effekt (picture alliance / dpa / Zipi)
    Neidlos muss der liberale luxemburgische Regierungschef Xavier Bettel anerkennen, dass die Luxemburger Jean-Claude Juncker, ihrem Mister Europa, den Rücken gestärkt haben. „Die Wählerinnen und Wähler konnten dieses Mal endlich einmal mitbestimmen, wer an Europas Spitze stehen soll und wir hatten die Chance dafür als Luxemburger einen Kandidaten aufzubieten", kommentierte Bettel die deutlichen Stimmengewinne für Junckers christlich-soziale Volkspartei. "Viele Wähler wollten das Duell zwischen Juncker und Schulz beeinflussen. Das sieht man auch in Deutschland, dass Martin Schulz ein gutes Resultat erzielt hat. Niemand hätte geglaubt, dass die SPD zulegen würde und niemand hätte daran geglaubt, dass die CSV so zulegen würde. Der Wähler wollte sich an diesem Duell beteiligen."
    Herbe Niederlage für die Sozialisten
    Ein Test für die luxemburgische Koalitionsregierung aus Liberalen, Sozialisten und Grünen sei diese Wahl nicht gewesen, so Bettel, auch wenn die
    Regierungsparteien allesamt an Zustimmung eingebüßt hätten. Liberale, Grüne und Sozialisten konnten allerdings ihren Sitz im europäischen Parlament verteidigen. Alle verfügten bislang über jeweils ein europäisches Mandat. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die luxemburgischen Sozialisten mit minus 7,7 Prozent eine herbe Niederlage einstecken mussten.
    Das sei zwar ein ziemliches Debakel, räumte Parteichef Claude Hagen ein, aber - so trösten sich die Sozialisten - die Luxemburger wollten halt lieber Juncker als Schulz. Und Juncker dürften nun auf dem Weg an die Spitze der EU-Kommission keine Steine mehr in den Weg gelegt werden, sagt die wiedergewählte sozialistische EU-Abgeordnete Mady Delvaux –Stehres gegenüber Radio 100,7. "Ich gehe davon aus, dass die EVP den Vorrang hat, wenn es um den Posten des Präsidenten geht."
    Eine Auffassung die auch vom liberalen luxemburgischen EU-Abgeordneten Charles Goerens geteilt wird. „Die Parteien waren sich einig, denjenigen zum Zuge kommen zu lassen, der die meisten Stimmen auf sich vereint. Das haben die Leute so verstanden und so haben sie auch abgestimmt. Alles andere wäre Wahlbetrug."
    Mit diesen deutlichen Worten reagiert Goerens jedoch nicht nur auf die aktuell einsetzende Diskussion um den EU-Kommissions-Präsidenten, sondern auch auf innerluxemburgische Verhältnisse. Denn aus den vorgezogenen luxemburgischen Parlamentswahlen im Oktober des vergangen Jahres waren trotz Verlusten die Konservativen als stärkste Partei hervorgegangen, nur wollte keiner mit ihnen koalieren. An Junckers CSV vorbei organisierten Liberale, Sozialisten und Grüne eine regierungsfähige Mehrheit.
    Bye bye Luxemburg
    Für die bis dahin erfolgsverwöhnten luxemburgischen Christsozialen war das eine bittere Erfahrung und für ihren Spitzenmann Jean-Claude Juncker eine tief sitzende Enttäuschung. Auf europäischer Ebene soll ihm das kein zweites Mal passieren. Und wohin das führe, könne man in Luxemburg sehen, so Juncker: "Die, die eine Koalition an mir vorbei gebildet haben in Luxemburg, haben die Antwort des Luxemburgischen Volkes heute bekommen, meine Partei hat sieben Prozent dazu gewonnen und die Regierungsparteien sind dramatisch eingebrochen."
    Obwohl Juncker in Luxemburg nicht Spitzenkandidat war und dort weder im Wahlkampf in Erscheinung getreten ist noch von Plakatwänden lächelt, ist das luxemburgische Europawahlergebnis für ihn ein persönlicher Erfolg. Und zwar eines mit dem er sich guten Gewissens aus der luxemburgischen Innenpolitik verabschieden kann, denn er würde als Wahlsieger und nicht als gefühlter Wahlverlierer das Land in Richtung Europa verlassen. Nach zwei Jahrzehnten, in denen die CSV in all ihren Belangen auf einen Mann, auf Jean-Claude Juncker zugeschnitten war, braucht die Partei einen Neuanfang. Und nichts würde den Luxemburger Konservativen dabei mehr helfen, als ein europäisches Spitzenamt für Jean-Claude Juncker.