Faust philharmonisch

28.11.2013
Richard Wagner und sein zwei Jahre älterer Schwiegervater Franz Liszt: keine leichte Beziehung. Einig waren sich die beiden in ihrer Bewunderung für den Faust-Stoff. Riccardo Chailly bringt die Faust-Musiken der beiden in einem Konzert zusammen.
Nachdem Sir Simon Rattle zu Beginn dieses Jahres seinen Abtritt als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker angekündigt hatte, schossen Nachfolge-Spekulationen ins Kraut. Der Zufall wollte es, dass die Berliner Philharmoniker ihr erstes Konzert nach diesem Paukenschlag unter der Leitung von Riccardo Chailly gaben – kein Wunder, dass der Name des italienischen Maestros immer wieder fällt, wenn über die Besetzung dieses äußerst prestigeträchtigen Postens fabuliert wird.

Dass Riccardo Chailly grundsätzlich für diese Aufgabe geeignet wäre, bezweifelt niemand: Er war Assistent des vormaligen philharmonischen Chefdirigenten Claudio Abbado, kennt die Stadt aus seiner Zeit als Chef des damals noch West-Berliner Radio-Symphonie-Orchesters und hat als Leiter sowohl des Concertgebouworkest (1988-2004) als auch des Gewandhausorchesters (seit 2005) bewiesen, dass er Traditionsorchester behutsam weiterentwickeln kann.

Allerdings wird Chailly dem Vernehmen nach demnächst Musikdirektor der Mailänder Scala, überdies wäre er bereits 65 Jahre alt, wenn der zwei Jahre jüngere Rattle 2018 die Berliner Philharmoniker verlässt – indes: Nicht ist auszuschließen bei der schwierigen Suche nach einem neuen Philharmoniker-Chef, der von den Orchestermitgliedern in freier, gleicher und geheimer Wahl ernannt werden muss.

Wenn Chailly nun die Berliner Philharmoniker durch die Faust-Musiken von Richard Wagner und Franz Liszt führt, werden sich viele ihren Teil dazu denken – freuen darf man sich in jedem Fall auf eine hochkarätige Präsentation zweier eng miteinander verbundener, aber nicht oft miteinander aufgeführter Werke. Nebenbei möge jeder das passende Zitat aus Goethes "Faust"-Tragödien zum philharmonischen Dirigenten-Casting heraussuchen – auf dass uns nicht der Glaube fehlt, wenn wir die Botschaft über den Wahlausgang hören.

Live aus der Philharmonie Berlin

Richard Wagner
"Eine Faust-Ouvertüre" d-Moll

Franz Liszt
"Eine Faust-Sinfonie in drei Charakterbildern nach J. W. von Goethe"
für Tenor, Männerchor und Orchester


Nikolai Schukoff, Tenor
Herren des Rundfunkchors Berlin
Berliner Philharmoniker
Leitung: Riccardo Chailly

nach Konzertende ca. 21:57 Nachrichten