Fatima Farheen Mirza: "Worauf wir hoffen"

Indische Familienaufstellung

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Buchcover des Romans "Worauf wir hoffen" von Fatima Fahreen Mirza auf einem Hintergrundbild, das einen kleinen Vogel auf einer halb zerstörten Mauer zeigt.
Bei der Hochzeit kommen alle zusammen: Fatima Fahreen Mirza verarbeitet in ihrem Roman ihre eigene Familiengeschichte. © dtv/Fancycrave/Unsplash/Deutschlandradio
Von Birgit Koß · 13.04.2019
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Die erst 28-jährige Fatima Farheen Mizra verarbeitet in ihrem Romandebüt die eigene Familiengeschichte strenggläubiger indischer Muslime in den USA. Mit viel psychologischer Tiefe beschreibt die Autorin das komplizierte Beziehungsgeflecht.
Fatima Farheen Mizra, geboren 1991 in Kalifornien, stammt aus einer indisch-muslimischen Familie. Mit 18 begann sie, an ihrem Romanprojekt zu arbeiten und am renommierten Iowa Writers’ Workshop zu studieren. Nach acht Jahren war das Debüt fertig und sorgte in ihrem Heimatland für viel Aufsehen. Nun liegt die umfangreiche Familiengeschichte unter dem Titel "Worauf wir warten" auf Deutsch vor.
Die Autorin erzählt über das Leben einer muslimischen, indisch-stämmigen Familie in den USA. Der Familienvater Rafik ist bereits als Kind nach Amerika gekommen und hat nach dem frühen Tod seines Vaters den Aufstieg als angesehener Geschäftsmann geschafft. Die Ehe mit Laila aus Indien wurde von den Eltern arrangiert. Die beiden haben drei Kinder, die beiden Mädchen Haida und Huda sowie den Nachkömmling Amar. Sie sind fest in die muslimische Gemeinde des Ortes eingebunden und halten sich strikt an die dort geltenden Normen.

Die Töchter brav, der Sohn rebellisch

Rafik, ein strenges, gläubiges Familienoberhaupt, legt großen Wert auf Einhaltung aller Regeln und reagiert bei Verstößen mit Wutausbrüchen. Während die beiden Töchter brav versuchen, dem Vater zu gefallen, nimmt der Sohn schon früh eine Sonderstellung ein. Von der fürsorglichen Mutter verwöhnt, rebelliert er gegen den Vater. Konflikte sind an der Tagesordnung.
Haida, die ältere Schwester, fühlt sich einerseits für ihren Bruder verantwortlich und nimmt ihn immer wieder gegenüber den Eltern und ihrer jüngeren Schwester in Schutz. Andererseits ist sie eifersüchtig auf seine Privilegien als Junge. Sie überbietet ihn durch schulische Leistungen und schafft den Weg zum Medizinstudium in eine andere Stadt. Dort lernt sie ihren späteren Ehemann kennen und setzt es mit der ihr eigenen Beharrlichkeit durch, den Mann ihrer Wahl zu heiraten.
Diese Hochzeitsfeier bildet den Ausgangspunkt des Romans. Danach fächert die Autorin in vielen rückblickenden Episoden das Familienpanorama auf. Sehr genau zeichnet sie Strukturen, hinterfragt die Beziehungen untereinander. Amar, der schon früh das Gefühl hat, ein Außenseiter zu sein, kämpft mit dem Wunsch, einfach dazuzugehören und sich doch selbst treu zu bleiben. Nachdem klar wird, dass er die große Liebe seiner Jugend nicht heiraten kann, gleitet er in Alkoholsucht und Drogenabhängigkeit ab und verlässt die Familie – ein Drama für alle Beteiligten. Doch die Einladung zur Hochzeit seiner großen Schwester nimmt er an.

Intensität und Tiefe

Fatima Farheen Mizra entwickelt mit erstaunlicher Intensität und psychologischer Tiefe ihre einzelnen Personen und verwebt ihre Beziehungen zu einem dichten Netz. Eingehend beschäftigt sie sich mit den Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung in einer Gruppe, die von strengen Normen geprägt ist. Sie hinterfragt die Bedeutung des Glaubens für jeden einzelnen. Demgegenüber stehen äußere gesellschaftliche Einflüsse, beispielsweise durch die nichtmuslimischen Mitschüler der Kinder.
Fatima Farheen Mirza will keine Migrantengeschichte erzählen, sondern eine amerikanische Familiengeschichte. Der kulturelle Hintergrund, in den die Leserinnen und Leser tiefe Einblicke gewinnen, ist selbstverständlicher Teil dieser Geschichte und macht zugleich – weil viel zu selten so differenziert darüber erzählt wird – die Besonderheit dieses Romans aus.

Fatima Farheen Mirza: "Worauf wir hoffen"
Aus dem amerikanischen Englisch von Sabine Hübner
dtv, München 2019
478 Seiten, 24 Euro

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