Father Ray Kelly

Ein Priester als Popstar

06:57 Minuten
Promofoto von Father Ray Kelly im Rahmen seines Albums "Where I Belong". Es zeigt ihn Priesterkleidung auf einen schmiedeeisernen Zaun gestützt. Im Hintergrund ist eine liebliche Hügellandschaft mit leicht bewölkten blauem Himmel zu sehen.
Zum Singen berufen: Father Ray Kelly erhielt als Sänger viel Lob im Internet und hat seit 2014 vier Alben und eine Autobiografie veröffentlicht. © Universal Music
Von Milena Reinecke · 14.03.2021
Audio herunterladen
Der irische Priester Ray Kelly singt Popsongs in der Kirche und sammelt Fans auf Youtube. In Großbritannien hatte er sogar bei einer Talentshow Erfolg. Bei einer deutschen Sendung machte er allerdings schlechte Erfahrungen.
April 2014. In einer Kirche im kleinen irischen Oldcastle zelebriert Father Ray Kelly eine Trauung. Schweigend tritt er in seinem weißen Gewand an den Altar, dann erklingt auf einmal das Vorspiel von Leonard Cohens "Hallelujah", der Priester öffnet den Mund – und entpuppt sich als geübter Sänger, der eine auf das Brautpaar umgedichtete Version des Songs gefühlvoll vorträgt.

Ein ganz normaler irischer Typ

Der Videomitschnitt wird auf der ganzen Welt innerhalb weniger Tage über 20.000 Mal geklickt. Noch im selben Jahr bringt Father Ray Kelly sein erstes Album heraus.
Mit seinen Songs begeistert er mittlerweile Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Viele sehen ihn als ein Geschenk Gottes, für andere ist er vor allem eine Youtube-Legende, für wieder andere einfach ein begnadeter Sänger.
Er selbst sagt dazu: "Ach, ich sehe mich als einen ganz normalen irischen Typen, der eben Priester geworden ist und es einfach liebt, zu singen. Und die Menschen hören mir gerne dabei zu."

Singen und Seelsorge – zwei Gaben Gottes

Seinen plötzlichen Erfolg kann er sich auch kaum erklären, zumal es 2014 nicht das erste und auch nicht das letzte Mal war, dass er bei einer Trauung selbst sang.
Und doch sehe er an der Überraschung in den Gesichtern, dass es etwas Ungewöhnliches sei, wenn ein über 60-jähriger katholischer Priester aufsteht, um vom Altar aus eine Performance zu liefern.
Priester sein und als Entertainer im Fernsehen auftreten, für den mittlerweile 67-jährigen Ray Kelly sind das zwei voneinander getrennte Dinge – oder auch, wie er sagt, zwei verschiedene Geschenke, die Gott ihm gegeben habe, so wie Gott jedem Menschen eine Gabe mit auf den Weg gebe.

Neuer Lebensmut durch die Kraft der Musik

Obwohl die Lieder auf seinen Alben häufig religiöse Texte haben, geht es ihm ausdrücklich nicht darum, mit seinem Gesang eine spirituelle Botschaft zu vermitteln. Sollte aber jemand etwas Spirituelles für sich aus seiner Musik mitnehmen, sei das natürlich großartig.
"Einmal schrieb mir eine Frau, die über Wochen hinweg chronische Schmerzen hatte. Sie stand kurz vor dem Suizid, ihr Abschiedsbrief war geschrieben. Als sie dann nachts auf Youtube auf mich stieß, wie ich 'Everybody Hurts' sang, sagte sie, war es, als käme der Heilige Geist über sie", erzählt er.
"Sie schrieb mir in dieser E-Mail: ‚Sie haben mein Leben gerettet.‘ Das hat mich ein bisschen umgehauen. Ich hatte mich selbst nie als jemanden gesehen, der so etwas tut. Ich denke, wir erfahren oft nicht, was wir anderen Menschen Gutes tun im Laufe unseres Lebens. Manche Menschen teilen es uns mit, so wie diese Frau."
Es war der REM-Song "Everybody Hurts", mit dem er 2018 die Jury von Britain's Got Talent überzeugte. Father Ray Kelly kam in diesem Jahr bis ins Halbfinale der britischen Talentshow für Gesang. 2020 fegte er sogar in der Show "Dancing With the Stars" mit einer Tanzpartnerin übers Parkett. Um ihn allerdings überhaupt für solche Sendungen zu gewinnen, brauchte es einiges an Überzeugungskraft, denn mit Castingshows hatte er schlechte Erfahrungen gemacht.

Von Dieter Bohlen vorgeführt

Bereits kurz nach seinem weltweiten Erfolg mit Leonard Cohens "Hallelujah" war der irische Priester angefragt worden, an der deutschen Talentshow Das Supertalent teilzunehmen. Er sagte zu – und wurde zum Dank in der Sendung beleidigt, wie er sagt:
"Ich war wirklich verärgert, weil sie mich beleidigt haben. Ich stand vor drei Jurymitgliedern und sollte das Lied 'Love Shine A Light' singen. Ich sang es, und sie waren nicht sehr beeindruckt. Aber ein paar Menschen im Publikum erkannten mich aus dem 'Hallelujah'-Video, und sie fingen an zu rufen: 'Hallelujah, Hallelujah!' Der Hauptjuror, Dieter Bohlen, wusste nicht, was sie meinten, also erklärte ich es ihm. Da stand das andere Jurymitglied, ein professioneller Tänzer, auf und begann zu tanzen zu 'Hallelujah'. 'Hallelujah', ich kann es nicht mehr hören, wenn Leute 'Hallelujah' singen.‘
Ich sah ihn an und dachte: Was ist los? Ich habe noch nicht einmal 'Hallelujah' gesungen. Dieter Bohlen sagte: 'Kannst du 'Hallelujah' für uns singen?' Ich sagte: 'Ich habe die Karaoke-Version davon nicht dabei.' Sie fragten: 'Würdest du es a cappella singen?' Also fing ich an zu singen, aber nach der Hälfte des Liedes hob Dieter Bohlen die Hand und sagte: 'Es reicht, ich möchte meinen Freund hier nicht länger beleidigen.' Das hat er zu mir gesagt. Ich bin einfach von der Bühne gegangen."

Bereit für die nächste USA-Tournee

Die Sendung wurde nicht ausgestrahlt. Trotzdem würde Ray Kelly gerne noch einmal in Deutschland für seine Fans singen. Doch erst einmal hofft er, 2021 mit seinem neuen Album, das zu Ostern erscheinen soll, trotz der Corona-Maßnahmen auf Tournee gehen zu können. Geplant sind neun bis zehn Konzerte in den USA. Und sollte das nicht klappen, hat er genug zu tun.
Hauptberuflich ist er nämlich immer noch Priester. Seine Arbeit für die Gemeinde in Oldcastle bleibt seine höchste Priorität und wichtigster Teil seiner Identität. Immerhin, so sagt er, mache er das schon seit über 31 Jahren, und habe auch nicht vor, damit aufzuhören. Obwohl katholische Priester eigentlich im Alter von 75 Jahren in den Ruhestand gehen, würden auch Messen von Priestern gefeiert, die deutlich über 75 seien, weil es nicht genügend Nachwuchs gebe.
Darum sagt Father Ray Kelly:"Ich denke, ich werde ziemlich genau bis zu dem Punkt weitermachen, an dem ich aus diesem Leben scheide."
Mehr zum Thema