Faszination der Maya

Ausstellung über eine rätselhafte Kultur

Kalkstein-Säulenskulpturen aus der Zeit 900-1250 n. Chr. stehen in der Ausstellung "Die Maya - Sprache der Schönheit" im Martin-Gropius-Bau in Berlin.
Kalkstein-Säulenskulpturen aus der Zeit 900-1250 n. Chr. sind in der Ausstellung "Die Maya - Sprache der Schönheit" im Martin-Gropius-Bau in Berlin zu sehen. © dpa / picture alliance / Bernd von Jutrczenka
Gereon Sievernich im Gespräch mit Nana Brink · 12.04.2016
Viele Mythen ranken sich um die Maya, jene hoch entwickelte Kultur, die reiche Prachtbauten, rätselhafte Schriftzeichen und einen Kalender hinterließ – wonach die Welt Ende 2012 hätte untergehen müssen. Eine Berliner Ausstellung widmet sich nun Kunst und Ästhetik dieser Kultur.
Die Maya sind die einzige altamerikanische Kultur mit einer eigenen Schriftsprache. Und immer noch ist diese Schrift nicht komplett entschlüsselt. Warum um 900 nach Christus ein ein Großteil der Bevölkerung verschwand, gibt heute noch Rätsel auf. Weniger rätselhaft ist hingegen, warum um 1500 herum viele Stätten der Maya-Kultur geplündert oder zerstört, die Maya selbst ermordet oder versklavt wurden: Die Spanier fielen in Mexiko ein und machten kurzen Prozess mit dem Maya-Kulturerbe. Zum Glück nicht komplett, deshalb gibt es heute noch viel zu tun für Archäologen, Kunsthistoriker und Ethnologen.
Der Berliner Martin-Gropius-Bau feiert die faszinierende Kultur der mexikanischen Ureinwohner nun in der Ausstellung "Die Maya – Die Sprache der Schönheit".
Heute gebe es noch acht Millionen Menschen, die Maya sprächen, sagt Gereon Sievernich, Direktor des Ausstellungshauses. Viele von ihnen leben auf der Yucatan-Halbinsel in Mexiko, wo 16 Tempelstätten zu besichtigen sind. "Aber es gibt noch 3000 Grabungsstätten. Die Archäologen haben noch einige hundert Jahre zu tun." Um die Ausgrabungsstätten geht es in der Ausstellung jedoch nicht, sondern um Kunst und Ästhetik der Maya-Zeit. Deutlich werde: Die Maya hatten einen ganz anderen Begriff von Schönheit als wir Europäer des 20. Jahrhunderts, sagt Sievernich. Die Schau versuche, "das Rätsel Maya zu lösen".

"Die Maya: Sprache der Schönheit", bis 17. August im Berliner Martin-Gropius-Bau



Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Die Maya sind eine der ältesten Kulturen der Welt. Viele Mythen ranken sich um jene hochentwickelte Kultur, die reiche Prachtbauten und rätselhafte Schriftzeichen hinterlassen hat, als circa 900 nach Christus ein Großteil der Bevölkerung verschwunden ist, auch die Kultur verschwunden ist. Das gibt Rätsel bis heute auf. "Die Maya: Sprache der Schönheit" heißt eine Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau. Gestern Abend ist sie eröffnet worden, und bei mir im Studio ist nun Gereon Sievernich, Ethnologe und Direktor des Martin-Gropius-Bau. Schönen guten Morgen!
Gereon Sievernich: Guten Morgen!
Brink: Sind es diese Rätsel, diese Mythen, die die Mayas immer noch aufwerfen, die uns so faszinieren, oder was steckt für Sie als Ethnologe hinter diesem Mythos Maya?
Sievernich: Die Maya sind die einzige altamerikanische Kultur, die eine Schrift entwickelt haben, und um diese Schrift gab es ganz zauberhafte und abenteuerliche Prozesse, um sie zu entziffern. Bis heute sind 15 Prozent dieser Schrift immer noch nicht entziffert. Wir alle kennen, irgendwie haben wir schon gehört von dem Mayakalender, diese verrückte Geschichte des Weltuntergangs, glaube 2012, die nach dem Mayakalender erfolgen sollte.
Also die Maya sind immer irgendwie in den Medien, obwohl sie um etwa 1500 von den Spaniern unterworfen wurden, und die Spanier die Mayaschrift verboten haben, die Schriften verbrannt haben. Also das ist eine ganz faszinierende Geschichte, und die Ausstellung, die wir zeigen, umfasst etwa 2000 Jahre antiker, alter Mayageschichte, etwa 500 vor bis 1500 nach, eine grandiose Ausstellung mit über 300 Objekten.
Brink: Sie haben gesagt, es ist eine Herzensangelegenheit für Sie, als Sie gerade ins Studio reinkamen.

Nach den Azteken zeigt der Gropius-Bau nun die Maya

Sievernich: Wir haben im Gropius-Bau schon die Azteken gezeigt 2006 und dann die Kultur der Teotihuacan-Zeit und jetzt eben die Maya. Das war ein Herzensanliegen. Ich war selber auch im Januar dann in Yucatan, um mit den Kollegen dort zu verhandeln. Yucatan, die Halbinsel Yucatan, dort leben die Maya, übrigens leben heute noch acht Millionen Menschen, die Maya sprechen auf Yucatan. Man kann eine Promotion schreiben in der Universität Valladolid, man kann Maya lernen, es wird in Maya gelehrt. Also die Kultur der Maya existiert. Wir wissen auch, dass es noch immer synkretistische Glaubensvorstellungen gibt, wo sich also der christliche Glaube mit dem alten Mayaglauben überlagert hat. Also das ist sehr, sehr spannend.
Die großen Ruinen, die wir alle kennen, darum geht es nicht in der Ausstellung. Kleine Fußnote: Als die Europäer das im 19. Jahrhundert entdeckten, waren sie so arrogant zu sagen, das müssen die Römer gewesen sein, die sie gebaut haben, aber wir wissen natürlich, dass das nicht so war. Diese Ausstellung beschäftigt sich wesentlich mit der Ästhetik der Mayakünstler, die es gab, also wie haben sie die Körper skulptiert in Stein oder in Stuck, und das ist faszinierend zu sehen. Es ist, wenn Sie so wollen, eine kleine Kunstausstellung über die Kunst der Maya.
Brink: Ich habe mir natürlich nicht, also habe mir die Ausstellung noch nicht angeguckt, aber bin natürlich auf der Website noch mal rumgesurft. Diese kleinen und großen Skulpturen, an denen kann man sehen, die – wie soll ich das ausdrücken – in unseren Augen nicht unbedingt schön sind. Die sind manchmal – wie soll ich das sagen – verzerrt, kurios. Also ich würde für mich manchmal sagen, das ist wie aus einem Comic. Haben die ganz andere Schönheitsideale gehabt als wir?

Sprechblasen wie im Comic

Sievernich: Ganz gewiss. Es gibt ein ganzes Kapitel über den Körper als Leinwand. Damit will man sagen, die Maya haben die Körper reich geschmückt, auch sicher in der Realität und dieses dann in der Skulptur abgebildet. Dieser Federschmuck, den ein Krieger trägt –man fragt sich, wie kann der überhaupt kämpfen damit. Das sieht schon abenteuerlich aus. Was die Comicfans auch immer wieder interessiert: Es gibt so eine Art Sprechblasen auf diesen Steinen. Es scheint, als hätten wären die Comics schon von den Maya erfunden worden, aber es hat natürlich eine andere Bedeutung, aber für uns wirkt es rätselhaft, und die Ausstellung versucht diese Rätsel zu lösen.
Brink: Was steht in diesen Sprechblasen?
Sievernich: Gar nichts, aber es sieht ein bisschen so aus. Es ist dann der Atem, oder der Geist, oder die Seele, wie immer man das bezeichnen will, die sozusagen aus dem Herrscher spricht, so wie wir auch in unseren Vorstellungen durchaus den Begriff der Aura kennen, also eine Aura, die eine bestimmte Person ausstrahlt. Man könnte auch sagen, das ist so eine Art Aura, die dieser Herrscher oder dieser Gott, der dort dargestellt ist, ausstrahlt.
Brink: Sie haben es am Anfang schon erwähnt in unserem Gespräch: Es gibt noch viele Nachkommen der Mayas heute, auch eine Kultur, aber diese Hochkultur, also das, was wir so auch als Klischee der Mayas im Kopf haben, das ist verschwunden, und das gibt bis heute Rätsel auf. Warum konnte man das nicht herausfinden?

Die Spanier haben vieles verbrannt

Sievernich: Das ist eine schwierige Sache, weil wir keine Dokumente haben. Die Mayaschriften wurden um 1540 herum alle verbrannt von den Spaniern. Nur drei Kodizes sind übrig geblieben – einer liegt übrigens in Dresden. Deswegen wissen wir wenig über die Mayazeit, außer den Dokumenten, die in Stein geschlagen wurden. Ich sprach schon über die Schrift, also die Maya haben überall auf ihren Steinen und Dokumenten Glyphen hinterlassen, die man entziffern kann.
Brink: Aber entziffern kann man sie mittlerweile.
Sievernich: Man kann bis auf 15 Prozent entziffern. Man kann sagen, das war der Herrscher sowieso, aber man hat nicht das Narrativ, man weiß also nicht, warum sie Städte verlassen haben. Man nimmt an, das war vielleicht die Wasserversorgung, die dort teilweise sehr schwierig ist. Die Stadtstaaten haben auch immer untereinander gekämpft, vielleicht waren sie erschöpft von den Kämpfen. Also vieles wissen wir nicht.

Es gibt noch viel auszugraben

Wir wissen aber zum Beispiel auch, dass es noch, glaube, 16 Tempelstätten sind, zugänglich der Öffentlichkeit heute auf Yucatan, aber es gibt noch etwa 3000 Grabungsstätten. Die Archäologen haben noch einige hundert Jahre zu tun, dieses Weltkulturerbe vollständig auszugraben. Dann wird man vielleicht noch mehr wissen, aber so ganz genau wird man das natürlich nicht erfahren. Die Spanier, als sie um 1517 ankamen, haben schon leere Städte vorgefunden, aber auch eben noch bewohnte Städte.
Brink: Also viel zu entdecken noch – das kann man in der Ausstellung im Martin-Gropius-Bau in Berlin, "Die Maya: Sprache der Schönheit", gestern Abend ist sie eröffnet worden. Vielen Dank! Hier im Studio war der Direktor des Martin-Gropius-Bau Gereon Sievernich. Vielen Dank für Ihren Besuch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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