Farb-Unterstützung durch "Color Visor"

Von Annegret Faber · 03.01.2013
Alljährlich ist am 4. Januar der Tag der Blindenschrift. Der Franzose Louis Braille hatte die Blindenschrift vor rund 200 Jahren erfunden und hätte sich damals sicher nicht vorstellen können, welche Möglichkeiten und Hilfen für Blinde und Sehbehinderte heute entwickelt werden können. Ein Dresdner Informatiker hilft mit einer Farberkennungs-App.
Jan Blüher sitzt an seinem Schreibtisch und tippt Befehl in sein iPhone. Der 35-Jährige ist schwarz gekleidet und trägt eine schwarze Sonnenbrille. Das iPhone bedient er mit Hilfe eines sogenannten Screenreaders. Einem Programm, das alle Befehle und Vorgänge in Sprache ausgibt.

"So jetzt haben wir den Colorvisor, starten ihn ... "

Screenreader: "Colorvisor, Kamerabild"

Jan Blüher öffnet die Farberkennungs-App. Die grafische Oberfläche ist übersichtlich und bedienerfreundlich. Entwickelt hat sie der Dresdner Torsten Becker:

"Wenn man das Programm öffnet, sieht man in der Mitte - und das hat mich zu der graphischen Gestaltung inspiriert - das Feld, in dem man wie durch das Gerät hindurch guckt, weil das Kamerabild das sieht, in Form von einem Auge, sozusagen das sehende Auge, das durch das Programm hindurch führt. Und oben drüber, dort wo das Augenlied wäre, ist ein Streifen, auf dem man die Farbe sieht, die das Programm analysiert hat und da kann man als Sehender vergleichen: Stimmt die Farbe überein. - Das, was ich in dem Kamerabild sehe mit dem Streifen, auf dem mir die ausgewertete Farbe angezeigt wird."

Screenreader: "…"

Jan Blüher hält sein iPhone über verschiedene Gegenstände, die auf seinem Schreibtisch liegen, und scannt die Farben.

"Jetzt sind wir in der Ansicht, in der der Colorvisor ständig nach der Farbe sucht. Man hört den Kalibrier-Ton, der immer dann ertönt, wenn die Kamera sich auf die Umgebungsbedingungen, also Beleuchtung, Entfernung der Objekte, einstellt..."
Screenreader: "Pastellbraun"

"...und wenn er dann der Meinung ist, ..."

"..Pastellbraun..."

"..es ist einigermaßen stabil, dann sagt er die Farbe an, die er gerade im Fokus hat."

Die Kalibrierung sei das Entscheidende an diesem Programm, hört man von Blinden Nutzern. Die Kamera kann sich an die Umgebungshelligkeit anpassen und so die Farbe genau bestimmen. Andere Farb-Apps hätten diese Funktion nicht und seien deshalb nur als Spielzeug zu gebrauchen. Auch im Dunkeln kann Colorvisor Farben erkennen. Jan Blüher nutzt den Blitz wie eine Taschenlampe und legt das iPhone mit der Linse direkt auf den Gegenstand.

"Was wichtig ist, ist die Blitztaste, weil wenn man im Dunkeln etwas scannen möchte, kann man das einscannen, kann das iPhone auch nah auf ein Objekt legen und kann auch unter ungünstigen Lichtbedingungen Farbwerte ... "

Screenreader: " ... rot, blau, pastellbraun ... "

" ... erkennen. "

Screenreader: " ... RBB 180, 185, 96, Taste, Speichert die Farbe in der Farbtabelle."

In der Farbtabelle sind alle gescannten Farben übersichtlich aufgelistet mit Datum, Farbaufnahme und der genauen Aufschlüsselung in RGB- und HSB-Werten. Das ist vor allem für Grafiker wichtig. RGB steht für rot, grün und blau. HSB bezeichnet Ton, Sättigung und Helligkeit der Farbe. Diese Parameter sind für Grafiker wichtig.

Jan Blüher: "Es gibt auch Blinde, die sagen: RGB - das interessiert mich sehr und da kann ich mir unter den Farben auch etwas vorstellen. Das ist aber eher auch gedacht in Richtung Grafiker und Designer, die mit den Farben dann arbeiten wollen, die sagen: Ach die Komponenten hat diese Farbe und wenn ich die Farbe dann mal verwenden möchte, kann ich diese RGB-Werte als Ausgangspunkt nehmen, um die in mein Produkt in meinem Werk einzubetten."

Screenreader: "…"

Alle Appleprodukte haben einen integrierten Screenreader. Auch der Rechner von Jan Blüher. Mit diesem nützlichen Programm kann er auch ohne Augenlicht Programme schreiben. Für den sehenden Grafiker Torsten Becker ein hoch komplizierter Vorgang:

"Sie müssen mal sehen, wie das aussieht wenn Jan programmiert. Der sitzt an der Tastatur, hat eine normale Tastatur zur Eingabe von den Befehlen, hat aber keinen Monitor davor. Das ist also ein Computer ohne Bildschirm."

Alle Befehle, die Jan Blüher eingibt, muss er sich merken. "Kein Problem", sagt er, und erklärt, mit welcher Programmiersprache er die App geschrieben hat.

Screenreader: "…"

"Für die Apps benutzt man Objektive C. Objective-C ist eine ganz bekannte Programmiersprache die es schon lange gibt. Allerdings, wenn man jetzt anfängt, die Kommandos zu schreiben, dann wird man auf Grund der Komplexität auch dieser kleinen App, nicht mehr fertig. Und damit das effizienter und schneller geht, gibt es Programmbibliotheken, wo schon vorbereitete Programmteile, Befehlslisten drin stehen und auf die man dann zurück greift. Und es ist sozusagen die wesentlich schwierigere Aufgabe diese Programmbibliotheken zu kennen, um dort effizient eine App zu entwickeln."

Jan Blüher kennt sie alle. Er hat Informatik studiert und viele Jahre wissenschaftlich gearbeitet. Er promovierte, arbeitete zehn Jahre an der Dresdner Universität und machte sich selbstständig. App-Entwickler nennt er sich heute. In Deutschland sei er einer der ersten, der ohne Augenlicht Apps programmiert, heißt es im Deutschen Blinden und Sehbehindertenverband. Da Jan Blüher selbst blind ist, seien seine Programme für Blinde Menschen besonders gut nutzbar. Seine erste App, Colorvisor, wird von sehenden Menschen gekauft, aber vor allem von Blinden und Farbenblinden. Und für einige Menschen sei diese FarbApp für tägliche Dinge schon unverzichtbar. So bei der alltäglichen Farbauswahl der Kleidung.

"Die erste Sache, die immer wichtig ist, ist Kleidung. Besonders wenn ich alleine wohne als Blinder möchte ich trotzdem einen gewissen Grund drin haben, mit der Mode gehen sozusagen oder einfach gleichfarbige Socken anziehen."

Screenreader: "Mittleres Stahlbau, dunkelblau, zartes Altrosa."

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