Fantasy-Autor Matthias Oden

Es muss nicht immer Blut fließen

04:59 Minuten
Der Fantasyautor Matthias Oden
Das Böse ist nicht nur böse: Matthias Oden will in seinem Roman die Grautöne einfangen. © Sarah El-Wassimy
Von Elena Gorgis · 02.04.2019
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Die Fantasyliteratur ist dem Autor Matthias Oden meist zu schwarz-weiß gezeichnet. Er setzt in seinem neuen Roman "Die Krone der Elemente" lieber auf einen umfangreichen Weltentwurf – und auf das Kopfkino der Leser.
Wir stehen vor Peter Paul Rubens‘ Heiligem Sebastian von 1618 in der Berliner Gemäldegalerie:
"Der wird mit Pfeilen durchbohrt und die ersten sind so gesetzt, dass sie nicht tödlich sind. Das ist eigentlich krass wie einfallsreich wir sind, um unseren Mitmenschen Übles anzutun."

Die Alten Meister vor Augen

Der fast nackte Heilige Sebastian steht an einen Baum gelehnt in einer unberührten Landschaft. Sein Blick gen Himmel, er scheint zu sterben. Fünf Pfeile haben seinen Körper durchbohrt, im Hintergrund geht die Sonne malerisch unter.
Die Bilder der Alten Meister erzählen oft von Geschichten, in denen es eine klare religiöse und moralische Botschaft gibt. Die Rollen, wer gut und wer böse ist, sind klar verteilt.
Nicht nur bei den idyllischen Landschaften bedient sich die klassische Fantasyliteratur, sondern auch bei diesem religiösen Gut-Böse-Kontrast.

Metaphysischer Begriff

Matthias Oden kann mit "dem Bösen" aber nicht so viel anfangen. Zu metaphysisch sei der Begriff.
Er legt den Kopf zur Seite und betrachtet den Heiligen konzentriert. Da, wo die Pfeile den Körper durchbohren, tropft Blut heraus. Es muss nicht immer in Strömen fließen, wenn man zeigen will, wie grausam etwas ist, sagt er. Daran hält er sich beim Schreiben.
"Ich wollt nicht immer drastische Gewaltdarstellung. Im Großen und Ganzen kann man durch eine rechtzeitige Abblende letztendlich viel mehr Kopfkino erzeugen, als wenn man die Sachen tatsächlich beschreibt."

Schlaflose Nacht

Matthias Oden reibt sich müde die Augen, der Wahlmünchner ist mit seiner Familie zu Besuch in seiner Heimatstadt Berlin; sein zehn Monate alter Sohn hat ihn vergangene Nacht nicht schlafen lassen.
Sein neuer Roman, die "Krone der Elemente", ist ein umfangreicher fantastischer Weltentwurf, so etwa wie bei Genreklassikern von J. R. R. Tolkien oder Tad Williams. Die Welt wird in diesem Fall zusammengehalten von einem riesigen, trägen Vielvölkerstaat.
Aber plötzlich beginnt der Krieg. An den Grenzen erheben sich die Feinde. Und sie erobern nicht nur Gebiete, sie bringen ihre einstigen Nachbarn systematisch um.

Viele Perspektiven erzählen

Inzwischen stehen wir vor dem Flügelaltar mit dem letzten Urteil, das Lucas Cranach der Ältere nach einem Triptychon von Hieronymus Bosch gestaltet hat. Auch hier ist noch ganz klar aufgeteilt, wer gut und wer böse ist, wer in die Hölle und wer in den Himmel kommt.
"Es geht in ganz vielen Fantasygeschichten immer nur um Gut gegen Böse und Schwarz und Weiß. Dazwischen gibt es keine Grautöne und das Böse ist böse, weil es böse ist, ohne wirkliche Motivation. Das ist, finde ich, eine der ganz großen Schwächen des Herrn der Ringe."
Oden unterbricht bei seinem Roman deshalb immer wieder den Erzählfluss, um die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen. Etwas, das er sich bei George R. R. Martin und dessen "Lied von Eis und Feuer" abgeguckt hat.
"Das finde ich so toll an den Büchern. Es gibt kein klares Gut und kein klares Böse. Natürlich gibt es Sympathieträger und es gibt Parteien, die sind deutlich unsympathischer, aber die haben alle Gründe, wofür sie es tun."

Detaillierte Beschreibung

Bei klassischer Fantasy erwarten Leser normalerweise Lagerfeuerromantik, Abenteuergeschichten mit Rittern und Pferden, mit Schlachten und Helden. Matthias Oden bleibt zwar im Genre und auch in der "Krone" gibt es am Ende eine große Schlacht. Aber die Gewalt wird nicht verherrlicht. Täter gibt es auf allen Seiten, Opfer auch. Höchst ungewöhnlich für eine Fantasygeschichte.
Der Historiker und Journalist Matthias Oden hat alles genauestens ausgearbeitet: die Landkarten, die Geschichte der verschiedenen Völker, gesamte Familienchroniken der Charaktere. Die Alten Meister, an deren Werken wir in der Gemäldegalerie vorbeispazieren, hatten für die Details des Bildhintergrunds ihre Mitarbeiter. Würde er die Fleißarbeit manchmal auch gerne an jemand anderen abgeben?
"Nein. Ich hätte ganz gerne manchmal mehr Zeit oder dass es schneller geht, aber nein, das muss ich schon selber machen."

Schreiben in der Bibliothek

Matthias Oden ist diszipliniert, Deadlines einhalten mag er. Seitdem sein Sohn da ist, zieht er sich zum Schreiben in die Münchner Stadtbibliothek am Gasteig zurück.
"Jeden Samstag von 10 bis 19 Uhr."
Neben seinem Job unter der Woche in einer Marketingagentur hängt er den als Schriftsteller am Wochenende noch dran. Die mehr als 700 Seiten seines Romans hat er so aber nicht geschafft.
"Ich hab mich auch mal während meiner Elternzeit irgendwie eine Woche komplett weggesperrt. Oder Teile meines Urlaubs dafür verbraucht."

Zwei Bücher geplant

Unser Rundgang ist zu Ende. Wenn alles gutgeht und die Leser das Buch annehmen, sollen mindestens noch zwei Bände auf "Die Krone der Elemente" folgen. Das Projekt wird Jahre brauchen. Ohne seine Frau, die ihm den Rücken freihält, würde das nicht gehen, gesteht Matthias Oden.
Hat er nicht Angst, auf Jahre in so einer Fantasywelt gefangen zu sein? Da muss Matthias Oden lächeln:
"Ich fühl mich damit wohl. Natürlich denkt man immer daran, aber gefangen würde ich das nicht nennen."

Matthias Oden: Die Krone der Elemente
Heyne, München 2019
737 Seiten, 16,99 Euro

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