Fantastisches aus Italien

30.09.2013
Das Debüt des italienischen Schriftstellers Gianni Celati erschien bereits 1971, jetzt veröffentlicht der Wagenbach-Verlag "Die wilden Reisen des Otero Aloysio" erstmals auf Deutsch. Darin verbringt ein Professor die Sommerfrische am Meer - und erlebt allerlei schräge Geschichten.
Dass Gianni Celati es von Anfang an faustdick hinter den Ohren hatte, war seit jeher klar. Was das genau heißt, lässt sich jetzt überprüfen: Der Wagenbach Verlag bringt das Debüt des 1937 geborenen Schriftstellers und Übersetzers erstmals auf Deutsch heraus, ergänzt durch eine zweite Fassung, die Celati kurz nach der Veröffentlichung seines Erstlings niederschrieb. "Die wilden Reisen des Otero Aloysio" erschien 1971 im Turiner Einaudi Verlag. Celatis Lektor war der Schriftsteller Italo Calvino, Verfasser so berühmter Werke wie "Der geteilte Visconte" (1952) und "Der Baron auf den Bäumen" (1957), ausgestattet mit einer großen Vorliebe für neoavantgardistische Spielereien. Er scheint seinen Zögling in seiner Neigung zu lustvollen Abschweifungen, ungeplanten Verwicklungen und assoziativen Fantastereien noch bestärkt zu haben.

Die fantastische Literatur wurde aber ohnehin eines der Steckenpferde Celatis: Er übersetzte Jonathan Swift ins Italienische und beschäftigte sich auch auf theoretischer Ebene mehrfach mit diesem Genre. Neben seinen eigenen erzählerischen Werken legte Celati immer wieder bahnbrechende Übersetzungen vor. Er übertrug Céline, Stendhal, Perec und Jack London und widmete sich in den vergangenen Jahren einer Neuübersetzung von James Joyces "Ulyssees".

Auch von der Rettung Italiens ist die Rede
Worum geht es nun in seinem Erstling? Jemand sagt "ich", bezeichnet sich als Professor und wird mit Otero Aloysio tituliert, wobei nicht sicher ist, ob es sich dabei um seinen tatsächlichen Namen handelt. Der Erzähler befindet sich in der Sommerfrische am Meer und bewohnt ein Pensionszimmer. Unter den Gästen sind drei abstruse Grundschullehrer, die Aloysio fortwährend ärgern und ihm eine baldige Ehe mit der Direktorin ankündigen, einer fetten Dame, verantwortlich für die Lehrerausbildung. Die drei Feriengenossen erhoffen sich von einer Heirat die Beschwichtigung der Signora.

In der Pension gibt es einen Haufen Regeln, auf deren Einhaltung ein Hausmeister und ein Nachtwächter achten. Alyosio scheint sich dauernd etwas zu Schulden kommen zu lassen, auf einmal steht ein Prozess gegen ihn im Raum. Mit den Strandschönheiten anzubandeln, ist ihm offenkundig nicht gestattet. Er hält sämtliche Erlebnisse in einem Heft fest, das aber verschwindet: Alle scheinen Angst zu haben, sie könnten gestrichen werden oder gar nicht erst vorkommen. Auch von der Rettung Italiens ist fortwährend die Rede; außerdem hört Aloysio immer wieder eine Stimme, die ihm alles Mögliche einflüstert. Als um den 31. herum die Abreise naht, lässt man ihn nicht ohne weiteres fort, aber schließlich kann er sich auf einem Motorrad durch die Luft davon machen.

Im Vergleich zu der sich in wilden Assoziationen fortspinnenden ersten Fassung ist die zweite in sich geschlossener, eindeutiger und sexuell saftiger. Wie die Übersetzerin Marianne Schneider im Nachwort erklärt, gingen Teile der zweiten Version allerdings verloren. Dass das Erzählen für Gianni Celati ein organischer und niemals abgeschlossener Prozess ist, bei dem jede Geschichte eine weitere produziert, lässt sich in diesem Band aufs schönste nachvollziehen.

Besprochen von Maike Albath

Gianni Celati: Die wilden Reisen des Otero Aloysio
Aus dem Italienischen von Marianne Schneider
Klaus Wagenbach Verlag Berlin
221 Seiten, 19,90 Euro
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