Familienpolitik in der Wirtschaftskrise

Von Kostas Petropulos · 15.05.2009
Die Nachricht vom Rückgang der Geburtenzahlen im Jahr 2008 war für die Bundesfamilienministerin eine böse Überraschung. Sollte die Familienoffensive aus Elterngeld und Krippenausbau bereits verpufft sein? Fachleute sind der Ministerin mittlerweile hilfreich zur Seite gesprungen.
Die Geburtenzahlen seien zwar im letzten Jahr wieder gesunken, die Geburtenrate, also die Zahl der Babys pro Frau, sei aber stabil geblieben. Grund dafür sei die demographische Entwicklung: Die Zahl der Frauen, die überhaupt noch Kinder bekommen können, wird immer kleiner. Die höhere Geburtenrate ab 2007 sei daher eindeutig ein Erfolg des Elterngeldes.

Mit etwas mehr Abstand zur Regierung fällt das Urteil weitaus weniger freundlich aus. Nach größeren familienpolitischen Maßnahmen gibt es in der Regel immer Effekte bei den jungen Paaren zu beobachten. Die waren aber bislang nie von Dauer. Und mit einer Steigerung der Geburtenrate im vermeintlichen Erfolgsjahr 2007 um statistisch 0,04 Kinder pro Frau ist der Elterngeld-Effekt ernüchternd gering. Andererseits verstärkt das Elterngeld gesellschaftliche Trends, die eher neue Probleme schaffen, als bestehende zu lösen.

Beispielsweise hält die Ministerin es sich zugute, dass mit dem Elterngeld vor allem Frauen im Alter von 33 bis 37 Jahren wieder mehr Kinder bekommen. Tatsächlich ist das Elterngeld ein Anreiz, die Geburt von Kindern auf die Zeit nach der oft langwierigen Etablierung im Beruf zu verschieben. Dann fällt nämlich das Elterngeld am höchsten aus, da es vom vorher verdienten Einkommen abhängig ist. Genau dies verstärkt jedoch den anhaltenden Trend zur immer späteren Mutterschaft. Damit erhöht sich auch das Risiko dauerhafter Kinderlosigkeit.

Das Elterngeld verstärkt noch einen weiteren bedenklichen Trend: Seit Ende der 90er-Jahre ist die vergleichsweise hohe Geburtenrate in den ländlichen Regionen Westdeutschlands kräftig gesunken. Selbst die Einführung des Elterngeldes ist in diesen Gebieten ohne jeden Effekt auf die Geburtenrate geblieben. Der Grund: Das Elterngeld belohnt Doppelverdiener-Paare und benachteiligt Alleinverdiener-Familien. Und genau die dominierten bislang in den ländlichen Regionen des Westens.

Dieses Alleinverdiener-Modell ist aber seit der Jahrtausendwende von der Politik faktisch zum Auslaufmodell erklärt worden. Stattdessen wird das Leitbild der doppelt-vollzeiterwerbstätigen Elternschaft propagiert und familienpolitisch besonders gefördert. Das zeigt sich ganz exemplarisch beim Elterngeld. Für die Alleinverdiener bedeutet es eine klare Verschlechterung gegenüber dem abgeschafften Erziehungsgeld.

Die verstärkte Koppelung familienpolitischer Leistungen an die Arbeitsmarktbeteiligung der Eltern ist freilich riskant. Gerade in einer Wirtschaftskrise mit steigender Arbeitslosigkeit schwindet damit für immer mehr junge Paare die wirtschaftliche Basis, die es ihnen erlaubt, eine Familie zu gründen. Das zeigt nicht nur der scharfe Rückgang der Geburtenrate im Ostdeutschland der Nachwendezeit. Selbst beim familienpolitischen Vorbild der Regierung, in Schweden, war dies bereits zu beobachten. Zwischen 1990 und dem Jahr 2000 erlebte das Land eine tiefe Wirtschaftskrise. Trotz Elterngeld und guter Krippenversorgung stürzte die Geburtenrate in dieser Zeit von 2,1 auf 1,5 Kinder pro Frau ab!

Daher sollte die Bundesregierung gewarnt sein. Ihre familienpolitische Strategie, Elternschaft immer stärker an den wechselvollen anspruchsvolleren Arbeitsmarkt zu binden, könnte uns in der Weltwirtschaftskrise zu ganz neuen Geburtentiefs führen. Tatsächlich brauchen Eltern eine über Jahre hinweg verlässliche wirtschaftliche Perspektive, die nicht konjunkturabhängig sein darf. Damit könnte unser Land wieder mehr und auch jüngere Eltern bekommen.


Kostas Petropulos, Publizist, 1960 in Dresden geboren, studierte Deutsch und Geschichte in Tübingen. Seit 1987 als freier Journalist vor allem als Autor von wirtschafts- und familienpolitischen Themen hervorgetreten. 1995 Mitbegründer des Heidelberger Büros für Familienfragen und soziale Sicherheit, das er seit Ende 1996 leitet.
Kostas Petropulos
Kostas Petropulos© privat