Familienpolitik

GroKo – gut für Eltern und Kinder?

Ein Kind läuft in die Arme seines Vaters.
Eltern sollen mehr Zeit für die Familie haben. Da sind sich eigentlich alle einig. © imago stock&people
Von Frank Capellan · 08.01.2018
Elterngeld und Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz – beides wurde von der Großen Koalition beschlossen. Und auch weiterhin wollen sich Union und SPD für das Wohl von Familien einsetzen, wenn auch mit unterschiedlichen Maßnahmen.
Renate Schmidt: "Den ersten Elterngeldentwurf habe ich 1985 eingebracht. Und ich wurde mit Hohn und Spott übersät, weil ich auch schon Elterngeldmonate vorgesehen hatte. Manchmal dauert es eben etwas länger, bis sich gute Ideen durchsetzen."
Es hat lange gedauert, sehr lange. Sozialdemokratin Renate Schmidt war in den Augen von Gerhard Schröder 2002 noch eine Ministerin für Gedöns. Familien, Frauen, Senioren, Jugend – alles zusammengefasst in einem Ressort und doch von untergeordneter Bedeutung. In einer von Männern dominierten Politik und Gesellschaft galt eine Auszeit für Väter lange als verpönt.
Erst Renate Schmidts Nachfolgerin Ursula von der Leyen gelingt es 2007, das Elterngeld Realität werden zu lassen.
"Unbestritten steht im Raum, dass wir einen dramatischen Rückgang der Geburten haben in Deutschland. Da müssen neue Konzepte entwickelt werden."

Die CSU spricht vom "Wickelvolontariat"

Die Christdemokratin setzt Vätermonate durch, die damals von konservativen Christsozialen noch als "Wickelvolontariat" verspottet werden.
In Merkels erster Koalition mit den Sozialdemokraten findet sich eine Mehrheit für einen Paradigmenwechsel in der Familienpolitik. Ein Jahr lang zahlt der Staat, zwei Partnermonate können draufgelegt werden, damit soll auch Vätern die Kinderbetreuung schmackhaft gemacht werden. Wer zu Hause bleibt, erhält 67 Prozent des letzten Nettogehaltes, maximal 1800 Euro monatlich.
Diese neuen Wege beschränken sich fortan nicht allein aufs Elterngeld, bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht es um mehr als das Finanzielle. Zu einem zentralen Projekt wird der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz: In ein Gesetz gegossen von CDU-Ministerin Ursula von der Leyen 2008 – in Kraft getreten 2013 unter CDU-Ministerin Kristina Schröder, und für die Kommunen eine gewaltige Herausforderung.
"Wir können es schaffen, wenn sich alle zuständigen daran halten, was sie zugesagt haben."
In die Amtszeit von Kristina Schröder fällt allerdings auch die Einführung des Betreuungsgeldes für Familien, die keinen Kita-Platz in Anspruch nehmen. Auf Druck der CSU umgesetzt, von Gegnern als "Herdprämie" verschrien, wird diese Leistung allerdings sehr bald durch das Bundesverfassungsgericht verworfen. Der Bund, so die Richter, habe keine Zuständigkeit. In der Folge beginnt Manuela Schwesig ab 2013 als sozialdemokratische Familienministerin in der zweiten GroKo das frei gewordene Geld in eine bessere Kita-Qualität zu stecken: mehr Fachpersonal, bessere Sprachförderung und Gebührenentlastung für viele Eltern.

CDU und SPD wollen mit Familienpolitik punkten

Als "Helferin von Frau Merkel", wie Manuela Schwesig von einem Kind bei einem Kita-Besuch bezeichnet wird, setzt die Ministerin neue familienpolitische Akzente. 2015 wird das Elterngeld Plus eingeführt. Väter und Mütter, die nach der Geburt des Kindes auf Teilzeitbeschäftigung umstellen, können den Bezug der staatlichen Leistung strecken – über die bis dahin geltenden 14 Lebensmonate hinaus.
"Das Elterngeld Plus sorgt dafür, dass die Eltern, die in ihrer Elternzeit teilzeit arbeiten, doppelt so lange Elterngeld bekommen wie bisher."
Schwesig sieht sich darin bestärkt, dass auch Bundeskanzlerin Angela Merkel das Thema Familienförderung längst für die Union entdeckt hat.
"Zeit für die Familie ist etwas, was den Wünschen der Familien entspricht."
Wir lassen Familien in Ruhe, aber nicht im Stich, heißt es im CDU-Programm für die vergangene Bundestagswahl. Das zeigt die familienpolitischen Unterschiede von Union und SPD: Die Christdemokraten setzten auf mehr Kindergeld, einen höheren Kinderzuschlag und -freibetrag und mehr Entlastung für Alleinerziehende. Die SPD will eine Familienarbeitszeit durchsetzen, was die Konservativen aber ablehnen. Zum Unmut von Manuela Schwesig:
"Paare in Deutschland wünschen sich überwiegend Zeit für die Familie und Zeit für den Job. Also Familienarbeitszeit. 60 Prozent wünschen sich das. 14 Prozent machen das nur. Das ist ein Zeichen, dass wir den Wünschen der Familien nicht gerecht werden in Deutschland."

Schwesig fordert die Familienarbeitszeit

Die Familienarbeitszeit soll sich an das Elterngeld anschließen, Eltern, die zugunsten der Kinderbetreuung die Arbeit reduzieren, sollen nach SPD-Vorstellungen ein Familiengeld in Höhe von 300 Euro monatlich erhalten. Zudem fordern die Sozialdemokraten das Ende der Kita-Gebühren und einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter. In den Sondierungsgesprächen soll Manuela Schwesig als Parteivize für die sozialdemokratische Handschrift in der Familienpolitik sorgen.
Anzupacken gibt es noch einiges. Zwar wirken die familienpolitischen Maßnahmen der letzten zwölf Jahre ganz offensichtlich: Mit durchschnittlich 1,5 Kindern pro Frau ist die Geburtenziffer so hoch wie seit über 30 Jahren nicht mehr, im EU-Vergleich allerdings liegt Deutschland unter dem Mittelwert. Und Männer, die länger als zwei Monate zuhause bleiben, sind immer noch die Ausnahme.
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