Familie

Kinderwunsch auf Eis gelegt

Blick auf zwei Uhren, eine zeigt fünf vor 12.
Obwohl die biologische Uhr tickt, verschieben viele Frauen ihren Kinderwunsch auf später. © deutschlandradio.de / Daniela Kurz
Von Jenni Roth · 23.06.2014
Tack, tack, tack - die Zeit drängt. Trotzdem verschieben immer mehr Frauen das Kinderkriegen auf immer später. Das bisherige Hauptproblem dabei, die mit dem Alter rapide abnehmende Fruchtbarkeit, ist lösbar geworden.
Social Freezing nennt sich der neueste Trend der Reproduktionsmedizin. Relativ junge Frauen lassen sich Eizellen entnehmen, die dann schockgefrostet und später zu einem passenden Zeitpunkt aufgetaut und eingesetzt werden. Bisher waren es meist Krebspatientinnen, die sich für Social Freezing entschieden.
Aber immer öfter spielen soziale Gründe eine Rolle: Die Frauen wollen erst mal Karriere machen, Spaß haben, die Welt bereisen, oder es fehlt einfach der passende Mann. Was heißt das für unsere Gesellschaft? Ist Social Freezing eine neue Stufe weiblicher Selbstbefreiung oder eine weitere Anpassung des Lebens an die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes?
Die wenigsten sprechen offen über das Thema
"Ich kann auf natürliche Art Kinder bekommen. Für mich ist nur wichtig, dass ich nicht unter dem Druck bin. Ich möchte jemanden finden, wo ich sage, mit dem möchte ich leben. Vielleicht ist das eine romantische Vorstellung, aber ich hätte gern wen, in den ich mich ordentlich verliebe."
Anke Bredow heißt eigentlich anders. Ihren wirklichen Namen, ihren Beruf oder Wohnort will sie nicht nennen: Social Freezing ist ein Thema, über das die wenigsten offen sprechen. Sagen wir also, Bredow ist Mitarbeiterin einer Werbeagentur und lebt in einer kleinen Stadt in Ostdeutschland.
Im Biologischen Labor des Zentrums für Reproduktionsmedizin an der Universitätsfrauenklinik in Leipzig ist eine 200-fache Vergrößerungen der Befruchtung einer Eizelle zu sehen, aufgenommen am 17.03.2011.
Eine 200-fache Vergrößerungen der Befruchtung einer Eizelle am Zentrum für Reproduktionsmedizin in Leipzig© picture-alliance / dpa / Waltraud Grubitzsch
Bredow sitzt in ihrer Wohnung auf einem weißen Flokati, die Nägel hat sie kurz geschnitten und blutrot lackiert. Sie trägt einen unauffälligen grauen Rock. Keine Schminke, kein Schmuck. Die dunklen Haare hat sie zu einem kleinen Zopf zusammengebunden, eine Katze mit silbernem Fell streunt um ihre Beine. Anke Bredow ist 38 Jahre alt, vor zwei Jahren hat sich ihr langjähriger Freund von ihr getrennt. Dabei sollte er der Vater ihrer Kinder werden:
"Ich hab Panik geschoben. Im Prinzip geht's darum, mit der Trennung bricht ganzer Lebensentwurf zusammen. Und ich hab versucht, dass das nicht auch noch flöten geht. Ich hab viel gelesen und gesurft. Ich bin dann auf das Zentrum gestoßen mit den Eizellen. Das war für mich sofort, ah, Mensch, das ist was. Je mehr ich darüber nachgedacht hab wusste ich, das würde mich entspannen."
Neuer Meilenstein der Gleichberechtigung?
Die Anti-Baby-Pille entkoppelte in den 60er-Jahren Fortpflanzung und Sexualität, man konnte Sex haben ohne schwanger zu werden. 1978 wurde dann das erste künstlich befruchtete Baby geboren. Und mit Social Freezing sollen Frauen jetzt den Zeitpunkt ihrer Familienplanung noch besser selbst bestimmen können – ein Meilenstein in der Gleichberechtigung.
Oder etwa nicht? Die Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim hat ihre Zweifel:
"Da haben mir die Reproduktionsmediziner gesagt, das sei nun die eigentliche Befreiung für Frauen, der große Emanzipationsschritt. Denn Frauen könnten damit zweierlei vereinbaren: Sie können einerseits Karriere machen und den Kinderwunsch erfüllen. Und zwar zeitlich gestaffelt. Das klang erst mal wunderbar. Ich sag ihnen einen parallelen Fall. Als die Pille auf den Markt kam, waren alle glücklich: Jetzt können wir alles haben, Kinder und Beruf. Und dann: Große Überraschung bei vielen Frauen: Sie haben verhütet, das hat geklappt, aber das Kinderkriegen hat nicht geklappt, weil die Fruchtbarkeit abnahm. Das hatten sie vorher alle nicht bedacht. Es könnte auch bei Social Freezing Überraschungen geben, die wir heute noch nicht voraussehen."