Familie

Kinder bekommen. Glücklich sein?

Von Catherine Newmark · 06.07.2014
Kinderreichtum ist ein Merkmal von Gesellschaften, welche die individuelle Freiheit von Müttern nicht ins Zentrum ihres Wertekanons stellen. Trotzdem bemüht sich die CDU um eine Abkehr vom Ideal der Hausfrauenehe.
Alle Menschen streben nach Glück, darin ist sich die abendländische Philosophie seit Aristoteles einig. Und spätestens seit der Aufklärung wird das Streben nach Glück in der politischen Philosophie auch als Recht aufgefasst: "The pursuit of happiness" ist ein unveräußerliches Menschenrecht, wie die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776 eingängig festhält.
Was aber kann der Staat für das Glück seiner Bevölkerung tun? Schließlich sind die persönlichen Lebensentwürfe und Glücksvorstellungen in der Moderne höchst individuell. Oder nicht? Die jetzt veröffentlichte Befragung zeigt: Heiraten, Kinder, Familie: darin sieht immer noch die überwältigende Mehrheit der jungen Deutschen das größtmögliche Glücksversprechen. Und das trotz der konstant niedrigen Geburtenraten. Die hohe Kinderlosigkeit in Deutschland wird also nicht etwa von narzisstischen und hedonistischen Singles verursacht, sondern gerade die, die eigentlich Kinder wollen, bekommen keine und verpassen so das von ihnen angestrebte Glück.
Eltern wollen perfekt sein
Die Ursachen dafür sieht die neue Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung nicht nur in fehlender staatlicher Familienhilfe, sondern auch in einem grundsätzlichen Mentalitätsproblem: die Deutschen wollen nicht einfach nur Eltern sein, sie wollen perfekte Eltern sein, insbesondere die Mütter fühlen sich zu sehr unter Druck, trotz zunehmender Berufsbelastung auch zuhause voll da zu sein. Fast 60 Prozent der Westdeutschen sind noch immer der Meinung, dass Kleinkinder leiden, wenn ihre Mütter berufstätig sind.
Die Studie empfiehlt daher eine "Erhöhung der Wahlfreiheit in der Lebensführung". Beispielsweise indem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch stärker gefördert wird, Teilzeitstellen geschaffen werden und das Kinderbetreuungsnetz ausgebaut wird. Und auch, indem die Politik die Diskussion von solch wabrigen Kategorien wie dem "Kindeswohl" befreit.
So sympathisch einem die hier von der CDU propagierte Abkehr vom Ideal der Hausfrauenehe auch sein mag: Wie plausibel ist die Vorstellung, dass der glücklich machende Kindersegen durch eine Erhöhung individueller Wahlfreiheit wahrscheinlicher wird? Schließlich ist Kinderreichtum historisch und soziologisch durchgängig ein Merkmal von Gesellschaften, welche die individuelle Freiheit von Müttern gerade nicht ins Zentrum ihres Wertekanons stellen. Man denke für die heutige Zeit etwa an stark religiös geprägte Gemeinschaften.
Freiheit ist mehr als Abwesenheit äußerer Zwänge
Dass nicht nur Freiheit und Familie, sondern auch Freiheit und Glück eher im Gegensatz zueinander stehen, ist ein klassisches philosophisches Problem: Glück ist nicht nur schwer beschreibbar, sondern auch schwer messbar, und hat am ehesten mit privaten, sinnlichen und emotionalen Momenten zu tun. Freiheit ist dagegen, sofern damit mehr gemeint ist als die bloße Abwesenheit übler äußerer Zwänge, immer auch an einen intensiven und aufreibenden Gebrauch der eigenen Vernunft gebunden.
Die Philosophie ist sich darum, von den antiken Stoikern bis zu heutigen Glücksratgebern, weitgehend einig: ein Mehr an Freiheit macht die Glückssuche nicht einfacher, sondern eher komplizierter. Das bestätigt auch die moderne, empirische, Glücksforschung: je mehr Marmeladen im Supermarkt zur Auswahl stehen, desto weniger zufrieden oder "glücklich" sind wir beim Kauf nur einer Marmelade letztlich mit unserer Wahl. Ähnliches gilt für Lebensentscheidungen wie Kinder oder Karriere.
Es ist also nicht davon auszugehen, dass die empfohlene Erhöhung der individuellen Wahlfreiheit auch zur Mehrung des persönlichen Glücks in diesem Land beiträgt. Geschweige denn zur Mehrung der geborenen Kinder. Wenn es um Bevölkerungspolitik geht, ist Glück einfach nicht die richtige Kategorie.