Fall Khashoggi

"Die Geheimdienste werden hemmungsloser"

Indonesische Journalisten halten ein Banner, das die Untersuchung des Verschwindens des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi fordert. Sie demonstrieren vor der Botschaft Saudi-Arabiens in Jakarta.
Plakate erinnern an den toten Regimekritiker Jamal Khashoggi. © imago stock&people
Wilhelm Dietl im Gespräch mit Ute Welty · 23.10.2018
Nach dem Tod des Regimekritikers Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul stellt sich die Frage: Wie viel wusste Kronprinz Mohammed bin Salman wirklich? Alles, sagt der Ex-BND-Mitarbeiter Wilhelm Dietl: Ohne ihn keine "Operation Khashoggi".
Der Tod des Regimekritikers und Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul und die Erklärungen Saudi-Arabiens dazu haben eine Menge Spekulationen in Gang gesetzt. Wie tickt der Geheimdienst Saudi-Arabiens? Und ist es realistisch, dass Kronprinz Mohammed bin Salman nicht involviert war und die unteren Ebenen in vorauseilendem Gehorsam gehandelt haben?
Wilhelm Dietl, Buchautor, Journalist und ehemaliger BND-Mitarbeiter, kennt sich bestens in der "Szene" aus. Er hält die Vorstellung von einem ahnungslosen Kronprinzen für "völlig absurd. So eine Operation mit zwei Flugzeugen und 15 Mann – mit diesen ganzen Leuten, die er ja alle sehr, sehr genau kennt – findet nie statt ohne sein Konsent und ohne, dass er das angeordnet hat."

Der künftige König soll abgeschirmt werden

Es sei Saudi-Arabien wichtig, den Kronzprinzen abzuschirmen, um dessen Position als künftigen König vor internationalen Partnern nicht zu schwächen. Der derzeitige König sei bereits stark dement, somit sei es nur eine Frage von Zeit, bis Prinz Mohammed bin Salman König werde.
Was die 15 Männer anbelange, die in die saudische Botschaft in Istanbul gereist seien, wohl unter anderem mit einer Knochensäge im Gepäck: Diese seien Mitglieder des "Young Boys Network" des Kronprinzen und diesem strikt ergeben. Der Kronprinz selbst sei als Choleriker bekannt. Während das saudische Königshaus bislang mit einem "gütigen Familienunternehmen" vergleichbar sei, sei der Kronprinz schlicht "größenwahnsinnig".

Vielen Geheimdiensten fehlt die Routine

Dietl sagte weiter, die internationalen Geheimdienste würden – nach Jahren der relativen Zurückhaltung – wieder hemmungsloser. Das zeige der Fall Khashoggi deutlich. Da aber viele dieser Geheimdienste nicht sehr routiniert agierten, passierten Pannen, und so drängen Vorkommnisse wie die in der Botschaft in Istanbul an die Öffentlichkeit.
Zu erwarten sei, dass die Geheimdienste immer "zügelloser" würden im Umgang mit ihren vermeintlichen Feinden. Damit seien jedoch nicht der deutsche oder andere europäische Geheimdienste gemeint, sondern jene totalitärer Staaten. (mkn)

Wilhelm Dietl, "Schattenarmeen: Die Geheimdienste der islamischen Welt"
Herder Verlag 2011
360 Seiten, EUR 21,90

Mehr zum Thema