F wie Festspiele

    Von Jürgen Liebing · 13.05.2013
    Ohne die Bayreuther Festspiele wäre Richard Wagners Bedeutung nicht so groß und einzigartig, wie sie bis heute ist.
    Nike Wagner: "Es gibt ein schönes Wort von Pierre Boulez, Bayreuth sei die Mutter aller Festspiele."

    Nike Wagner, Urenkelin des Komponisten und bis zu diesem Sommer Leiterin des Weimarer Kunstfestes, das in diesem Jahr unter dem Motto steht: "Wagner-Idyll".

    Christian Thielemann: "Die Bayreuther Festspiele sollen ja der Ort sein, der Ort groß geschrieben, an dem Wagner gezeigt wird und auch auf eine bestimmte Art gezeigt wird, die wegweisend sein sollte. Auf der anderen Seite müssen Sie immer wieder überlegen, auch in Bayreuth wird mit Wasser gekocht. Es wird auch an der MET, in Wien und überall mit Wasser gekocht."

    Der Dirigent Christian Thielemann, seit dem Jahr 2000 ständiger Gast auf dem Grünen Hügel und mittlerweile auch künstlerischer Berater der Festspielleitung.
    Von Festspielen hat Richard Wagner schon früh geträumt, immer wieder erwähnt er in Briefen diese Idee, mal soll es eine Seebühne im Vierwaldstätter See sein, dann ein Platz am Rhein. Auf alle Fälle sollte es sich dabei stets um ein Provisorium handeln. Und das Publikum keinen Eintritt zahlen müssen.

    Wieland Wagner: "Die Festspielidee Richard Wagners kann wohl aus verschiedenen Aspekten gesehen werden. Ich glaube, wir müssen vor allen Dingen, zwei Probleme ins Auge fassen, wenn wir uns über die Festspielidee Richard Wagners klar werden wollen. Ich glaube, sie ist eine Synthese vom Leiden am Repertoiretheater – also am damaligen Hoftheater – und dessen zwangsläufigen Unzulänglichkeiten und seiner großen Idee in die Kultur des 19. Jahrhunderts das griechische Theater und die griechische olympische Idee wieder einzuführen, also die Wurzel der Festspielidee ist zweifellos doppelköpfig."

    Wieland Wagner, Enkel von Richard Wagner, und bis zu seinem Tod 1966 Festspielleiter gemeinsam mit seinem Bruder Wolfgang.
    Aus einer verwegenen Idee wurde Wirklichkeit. 1872 wurde der Grundstein zum Festspielhaus auf Bayreuths Grünem Hügel gelegt. Im August 1876 fanden die ersten Festspiele statt, eröffnet mit dem "Rheingold", dem Vorabend der Tetralogie "Der Ring des Nibelungen".

    Wilhelm I., Kaiser von Deutschland, Dom Pedro II., Kaiser von Brasilien, waren gekommen und viele andere Würdenträger und natürlich schon damals sogenannte Promis. Auch die Komponisten Anton Bruckner, Edvard Grieg, Peter Tschaikowsky und Camille Saint-Saens pilgerten nach Bayreuth.

    König Ludwig II. von Bayern war heimlich zu den Generalproben angereist und besuchte dann den dritten Zyklus, als die anderen Monarchen längst abgereist waren. Ohne den in Wagner vernarrten Ludwig hätte es die Festspiele nie gegeben.

    Die ersten Festspiele endeten freilich in einem finanziellen Desaster. Erst sechs Jahre später gab es die zweiten Festspiele mit der Uraufführung des "Parsifal". Dass es sie auch noch nach dem Tod des Komponisten geben könnte, davon ging Wagner selbst nicht aus, denn seine Frau Cosima hielt er für die Leitung der Festspiele für nicht geeignet. Aber sie sollte es allen Zweiflern zeigen – die erste der starken Frauen auf dem Grünen Hügel.

    In diesem Jahr finden die nunmehr 102. Festspiele statt. Zu diesem Staunen machenden Jubiläum nochmals Nike Wagner:

    "Es gibt ein schönes Wort von Pierre Boulez, Bayreuth sei die Mutter aller Festspiele. Und er meinte das in zweierlei Hinsicht. Bayreuth wurde ja gegründet, weil die anderen Theater den ‚Ring’ so nicht aufführen konnten, die Hofoperntheater. Da ist einer rausgegangen und hat sich seine eigene Bretterbude aufgeschlagen, eine ‚interesting location’ sozusagen geschaffen, und heute findet man das allenthalben. Zumindest seit den frühen siebziger Jahren geht die Kunst auch in andere Gehäuse, in Industriehallen, in Scheunen, in Kirchen, das ist uns gar nicht mehr so bewußt, daß das auch mal ein Schritt nach draußen war, raus aus den konventionellen Schuhschachteln der Opernhäuser. Es ist aber auch noch anders gemeint und zwar rein ästhetisch, es war ja erst der ‚Ring’ da, und dann kam das Festspielhaus, das heißt, die Kunst hat sich das Gehäuse geschaffen, das sie brauchte. Es ist nicht so gewesen, daß man ein leeres Gebäude mit Kunst gefüllt hat, und das ist das Sensationelle an Bayreuth und deswegen möge es auch die Mutter aller Festspiele bleiben."