Expressionismus-Parodie mit Büchner

Von Andrea Gerk · 03.01.2012
Eigentlich würde Georg Büchners Stück über die Französische Revolution sehr gut in die heutige Zeit passen. Claus Peymanns Interpretation bleibt jedoch weit hinter der Modernität der Vorlage "Dantons Tod" zurück.
40 Jahre habe er sich nicht an Georg Büchners "Dantons Tod" herangewagt, lässt Claus Peymann vor der Premiere verlauten und nachher muss man sich fragen, warum er diesen bewegenden Text nicht lieber noch 40 Jahre hat liegen lassen.

Mit seinem Bühnenbildner Karl-Ernst Hermann schafft Peymann zwei Szenarien, in denen er die vielen Einzelszenen des 1835 zuerst erschienenen Stückes spielen lässt: Eine im vorderen Bereich dient als Kammer, Kerker oder Salon, öffnet sich die schräg und spitz zulaufende Bühnen nach hinten, wirkt sie wie eine dunkle Schlucht, in der sich Straßen- oder Gerichtszenen abspielen.

Fast expressionistisch wirkt diese Setzung, ein Eindruck, der durch die starken Kontraste in den Kostümen, deren schrille Überdrehtheit noch verstärkt wird. Leider wirkt auch die Spielweise der Schauspieler wie aus einer Expressionismus-Parodie: Mit ihren ohnehin weiß geschminkten Gesichtern, wird beinahe jede Geste, jeder Gesichtsausdruck maßlos übertrieben und ins Klamaukige überdreht.

Der junge Ulrich Brandhoff spielt Danton als leidenschaftlichen Freidenker, als verlorenen und verzweifelten Kämpfer, dem gegenüber ein in enges Schwarz gezwängter Robespierre (Veit Schubert) in seinen Prinzipien versteinert wirkt. Auch hier also keine neue Interpretation oder Lesart, was die Protagonisten dieser Revolution ausmacht, beziehungsweise was die Revolution mit ihnen gemacht hat.

Anspielungen auf aktuelle politische Geschehnisse fallen ebenfalls aus, vielmehr bleibt der ganze Abend in einem weit entfernten, künstlichen Kosmos verhaftet, der sich inhaltlich, aber auch ästhetisch abseits jeder Gegenwärtigkeit befindet. Während Büchners Text eine ungebrochene Faszination und Modernität besitzt, er die Grenzen der Gattung sprengte und eine ungeheuer berührende poetische Kraft besitzt, bleibt diese Inszenierung weit hinter der Modernität der Vorlage zurück.

Bis auf seltene Einzelmomente - zum Beispiel, wenn Danton als nackter Mensch, voller Todesangst und Verlorenheit, jenseits von politischen Idealen und kämpferischer Pose, wie ein Kleinkind auf dem Schoß seiner Frau Julie kauert - entsteht an diesem Abend keine künstlerische Unmittelbarkeit, alles bleibt künstlich, zum Teil sogar albern, ohne nachvollziehbare Vision.

Vielmehr fühlt man sich wie in einem Theatermuseum, wo man einer furchtbar altbacken wirkenden Gattung beim Aussterben zusehen darf. Man möchte sich Alfred Kerr anschließen, der einmal schrieb: "Als ich aus dem Theater kam, regnete es. Auch das noch."

Mehr Informationen zur Inszenierung gibt es beim Berliner Ensemble
Mehr zum Thema