Exportschlager deutsches Regietheater
Hierzulande wird das deutsche Regietheater mitunter heftig gescholten, doch in Japan sorgt es jetzt für Begeisterung: Die Stuttgarter Staatsoper präsentierte in Tokio eine Inszenierung von Peter Konwitschny von Mozarts "Zauberflöte". Das japanische Publikum war davon mehr als angetan.
Leicht angeschlagen wirken sie alle, und müde, als Opernintendant Klaus Zehelein sein Ensemble zur bevorstehenden Generalprobe des Japan-Gastspiels begrüßt. Neugierig wandern die Blicke der Solisten und des Chores durch den ungewohnten Bühnenraum. Man ist halt nicht zu Hause.
Bariton Motti Kaston, mit der Zeitverschiebung von immerhin acht Stunden in den Knochen, will mal sehen, ob die Stimme schon wieder anspricht:
"Ich habe es ein bisschen versucht, es geht. Die Stimme hat schon ganz gut reagiert. Der Zuschauerraum ist auf jeden Fall größer als in Stuttgart. Ich bin gespannt, wie es klingen wird."
Immerhin, dass Bühnenbild, die Kostüme und Requisiten, alles ist ohne Schäden angekommen. Bühne und Beleuchtung sind bereits komplett eingerichtet, obwohl der Bühnenmeister Michael Zimmermann einige Kompromisse machen musste:
"Vor allem die Auftritte der Künstler müssen hier durch die veränderten Platzverhältnisse geändert werden. Außerdem ist die Bühne in der Tiefe rund vier Meter kürzer, was natürlich den Chor zwingt, sich zuweilen langsamer als gewohnt zu bewegen."
Mehr und mehr Orchestermitglieder nehmen ihre Plätze ein, man stimmt die Instrumente und horcht dabei in den Saal hinein. Und schließlich erscheint auch Maestro Lothar Zagrosek:
"Willkommen in Tokio, spielen wir mal ein paar Takte, dann schauen wir mal, wie das hier klingt."
"Schon bei den ersten Takten hatte ich das Gefühl, dass der Saal sehr transparent ist und wir die ganze dynamische Bandbreite ausnutzen können. Wichtig ist: man muss alles ganz, ganz genau artikulieren."
Diese erstmalige Reise der Stuttgarter Staatsoper nach Japan, insgesamt 205 Personen waren daran beteiligt, ist quasi eine Art Krönung für die Opernarbeit der im Sommer 2006 zu Ende gehenden Intendanz von Klaus Zehelein. Zumal auch die Einladung zu den drei "Zauberflöten"-Aufführungen in Tokio nicht von einer der japanischen Konzertagenturen kam, sondern von Japans großem Medienkonzern Asahi Shimbun ausgesprochen worden war. Und der Leiter der Kulturabteilung, Asayuki Suzuki, nennt die Gründe dafür:
"Dass hat hier sehr viel mit unserem Verständnis von einer Zeitung zu tun. Denn uns geht es nicht nur darum, die Neuigkeiten aus aller Welt unseren Lesern in Wort und Bild zu vermitteln, sondern diese Neuigkeiten auch direkt in unser Land zu holen und hier zu zeigen. Und die Stuttgarter Oper ist nun mal ein "Top-Runner" in der westlichen Opernwelt, deren modernes Musiktheater wir den japanischen Musikfreunden nicht länger vorenthalten wollen."
Peter Konwitschnys keineswegs unumstrittene Inszenierung der Mozartschen "Zauberflöte" vermeidet denn auch alle Märchenhaftigkeit, und betont mit ebenso lustigen wie brennenden Bildern gerade die Heterogenität des Werkes zwischen Singspiel, Volkstheater und Freimaurer-Thematik und stellt damit, wie Klaus Zehelein betont, die Visitenkarte eines anderen deutschen Musiktheaters dar:
"Gerade diese Perspektive bei einem der bekanntesten Werke des Opernrepertoires stellte für uns seinerzeit die Herausforderung dar und hat wohl letztlich auch die Verantwortlichen von Asahi Shimbun überzeugt."
Allerdings wurden Tokios Opernfreunde nicht ins kalte Wasser geschubst. Es gab etliche Vorberichte in den Medien, ausführliche Erläuterungen zur Inszenierung im Programmheft, und es gab Übertitel:
"Gerade diese Übertitel haben beim Verständnis sehr geholfen. Sie sind sehr detailliert und adäquat zum Libretto entwickelt worden."
Gezeigt wurde die Stuttgarter "Zauberflöten"-Version im Kulturzentrum Bunkamura, dem größten in Japan, das im heftig pulsierenden Tokioer Stadttteil Shibuya liegt, und dessen großer Saal rund 2.200 Besucher fasst.
Trotz aller akribischen Vorbereitung aber, und trotz der gewohnten perfekten japanischen Organisation, herrschte hinter den Kulissen eine große Nervosität, wie wohl das Publikum, obwohl alle drei Aufführungen restlos ausverkauft waren, auf diese ungewöhnliche Erzählweise reagieren würde.
Direkt befragt, zeigen Japans Opernfreunde ein ähnliches Meinungsspektrum, wie wir es auch hierzulande erleben. Ältere Besucher waren begeistert von der sängerischen und der musikalischen Qualität, vermissten aber das Märchen:
Er habe noch nie so viel gelacht in einer "Zauberflöte", gesteht dieser Opernbesucher. Ein Jugendlicher, von denen übrigens auffallend viele im Publikum saßen, empfand Konwitschnys Ideen so aufregend neu nun auch wieder nicht, war aber von den Sängern regelrecht begeistert.
Und ein japanischer Kritikerkollege hob vor allem die äußerst interessante Charakterisierung der Figuren hervor. Vor allem bei Pamina, die hier nicht, wie in Japan üblich, als Unschuldsengel gezeigt werde, sondern als regelrechte Revoluzzerin, die gehörig gegen Sarastro aufbegehre.
Schlussendlich aber herrschte eitel Freude. Die Stimmung wurde von Abend zu Abend gelöster, vor allem wenn Papageno bei seinem großen Showauftritt das Publikum zum Mitmachen animierte:
Die Botschaft eines modernen Musiktheaters speziell deutscher Prägung ist also angekommen in Japans Klassikszene. Und zu hoffen bleibt, dass die Verantwortlichen, die Opernhäuser, die Partner und Sponsoren, die Chance begreifen, die sie da in die Hand bekommen haben. Nämlich, im immer breiter werdenden Strom des Kulturaustausches mit Fernost die vielleicht interessantesten Akzente setzen zu können.
Bariton Motti Kaston, mit der Zeitverschiebung von immerhin acht Stunden in den Knochen, will mal sehen, ob die Stimme schon wieder anspricht:
"Ich habe es ein bisschen versucht, es geht. Die Stimme hat schon ganz gut reagiert. Der Zuschauerraum ist auf jeden Fall größer als in Stuttgart. Ich bin gespannt, wie es klingen wird."
Immerhin, dass Bühnenbild, die Kostüme und Requisiten, alles ist ohne Schäden angekommen. Bühne und Beleuchtung sind bereits komplett eingerichtet, obwohl der Bühnenmeister Michael Zimmermann einige Kompromisse machen musste:
"Vor allem die Auftritte der Künstler müssen hier durch die veränderten Platzverhältnisse geändert werden. Außerdem ist die Bühne in der Tiefe rund vier Meter kürzer, was natürlich den Chor zwingt, sich zuweilen langsamer als gewohnt zu bewegen."
Mehr und mehr Orchestermitglieder nehmen ihre Plätze ein, man stimmt die Instrumente und horcht dabei in den Saal hinein. Und schließlich erscheint auch Maestro Lothar Zagrosek:
"Willkommen in Tokio, spielen wir mal ein paar Takte, dann schauen wir mal, wie das hier klingt."
"Schon bei den ersten Takten hatte ich das Gefühl, dass der Saal sehr transparent ist und wir die ganze dynamische Bandbreite ausnutzen können. Wichtig ist: man muss alles ganz, ganz genau artikulieren."
Diese erstmalige Reise der Stuttgarter Staatsoper nach Japan, insgesamt 205 Personen waren daran beteiligt, ist quasi eine Art Krönung für die Opernarbeit der im Sommer 2006 zu Ende gehenden Intendanz von Klaus Zehelein. Zumal auch die Einladung zu den drei "Zauberflöten"-Aufführungen in Tokio nicht von einer der japanischen Konzertagenturen kam, sondern von Japans großem Medienkonzern Asahi Shimbun ausgesprochen worden war. Und der Leiter der Kulturabteilung, Asayuki Suzuki, nennt die Gründe dafür:
"Dass hat hier sehr viel mit unserem Verständnis von einer Zeitung zu tun. Denn uns geht es nicht nur darum, die Neuigkeiten aus aller Welt unseren Lesern in Wort und Bild zu vermitteln, sondern diese Neuigkeiten auch direkt in unser Land zu holen und hier zu zeigen. Und die Stuttgarter Oper ist nun mal ein "Top-Runner" in der westlichen Opernwelt, deren modernes Musiktheater wir den japanischen Musikfreunden nicht länger vorenthalten wollen."
Peter Konwitschnys keineswegs unumstrittene Inszenierung der Mozartschen "Zauberflöte" vermeidet denn auch alle Märchenhaftigkeit, und betont mit ebenso lustigen wie brennenden Bildern gerade die Heterogenität des Werkes zwischen Singspiel, Volkstheater und Freimaurer-Thematik und stellt damit, wie Klaus Zehelein betont, die Visitenkarte eines anderen deutschen Musiktheaters dar:
"Gerade diese Perspektive bei einem der bekanntesten Werke des Opernrepertoires stellte für uns seinerzeit die Herausforderung dar und hat wohl letztlich auch die Verantwortlichen von Asahi Shimbun überzeugt."
Allerdings wurden Tokios Opernfreunde nicht ins kalte Wasser geschubst. Es gab etliche Vorberichte in den Medien, ausführliche Erläuterungen zur Inszenierung im Programmheft, und es gab Übertitel:
"Gerade diese Übertitel haben beim Verständnis sehr geholfen. Sie sind sehr detailliert und adäquat zum Libretto entwickelt worden."
Gezeigt wurde die Stuttgarter "Zauberflöten"-Version im Kulturzentrum Bunkamura, dem größten in Japan, das im heftig pulsierenden Tokioer Stadttteil Shibuya liegt, und dessen großer Saal rund 2.200 Besucher fasst.
Trotz aller akribischen Vorbereitung aber, und trotz der gewohnten perfekten japanischen Organisation, herrschte hinter den Kulissen eine große Nervosität, wie wohl das Publikum, obwohl alle drei Aufführungen restlos ausverkauft waren, auf diese ungewöhnliche Erzählweise reagieren würde.
Direkt befragt, zeigen Japans Opernfreunde ein ähnliches Meinungsspektrum, wie wir es auch hierzulande erleben. Ältere Besucher waren begeistert von der sängerischen und der musikalischen Qualität, vermissten aber das Märchen:
Er habe noch nie so viel gelacht in einer "Zauberflöte", gesteht dieser Opernbesucher. Ein Jugendlicher, von denen übrigens auffallend viele im Publikum saßen, empfand Konwitschnys Ideen so aufregend neu nun auch wieder nicht, war aber von den Sängern regelrecht begeistert.
Und ein japanischer Kritikerkollege hob vor allem die äußerst interessante Charakterisierung der Figuren hervor. Vor allem bei Pamina, die hier nicht, wie in Japan üblich, als Unschuldsengel gezeigt werde, sondern als regelrechte Revoluzzerin, die gehörig gegen Sarastro aufbegehre.
Schlussendlich aber herrschte eitel Freude. Die Stimmung wurde von Abend zu Abend gelöster, vor allem wenn Papageno bei seinem großen Showauftritt das Publikum zum Mitmachen animierte:
Die Botschaft eines modernen Musiktheaters speziell deutscher Prägung ist also angekommen in Japans Klassikszene. Und zu hoffen bleibt, dass die Verantwortlichen, die Opernhäuser, die Partner und Sponsoren, die Chance begreifen, die sie da in die Hand bekommen haben. Nämlich, im immer breiter werdenden Strom des Kulturaustausches mit Fernost die vielleicht interessantesten Akzente setzen zu können.