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Unternehmenskultur
Willkommene Störenfriede

Eine Win-win-Situation: Dass nicht nur die Kandidaten von Traineeprogrammen profitieren, diese Sicht setzt sich bei immer mehr Unternehmen durch. Warum sich Firmen für diese Beschäftigungsform entscheiden, auch wenn Trainees vieles durcheinanderwirbeln, zeigen Beispiele aus dem Ruhrgebiet.

Von Dirk Biernoth | 01.05.2014
    Eine Frau mit Kochmütze auf dem Kopf steht in einer Restaurantküche und rührt mit einem Löffel in einem Topf.
    Ob in der Küche oder am Schreibtisch: Trainees bringen Arbeitsabläufe durcheinander - wovon Unternehmen durchaus profitieren können. (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    Wichtig sind großen Unternehmen vor allem die Qualifikationen der Trainees. Ein Hochschulabschluss ist natürlich Mindestvoraussetzung. Das alleine reicht allerdings nicht. Künftige Trainees müssten in mehreren Auswahlrunden ihre Fähigkeiten und ihre Durchsetzungsfähigkeit unter Beweis stellen, sagt Nikola Steiger-Kutsch. Sie ist in der Personalabteilung des Chemiekonzerns Evonik in Essen für Trainee-Programme zuständig.
    "Wir haben ein Assessment-Center als Auswahlverfahren. Das heißt, da liegt die Latte recht hoch. Es kann auch mal vorkommen, dass wir drei Stellen zu besetzen haben, aber nicht unbedingt drei Kandidaten, die für uns passend sind, zu bekommen."
    Dies liegt daran, dass vielen großen Unternehmen heutzutage der Hochschulabschluss selbst nicht mehr ausreicht. Trainee-Programme liegen deshalb im Trend. Hier kann man die Hochschulabsolventen auf künftige Fach- und Führungspositionen vorbereiten und sie für die speziellen Anforderungen im Unternehmen formen. Damit sich die Trainees möglichst gut entwickeln, bekommen sie eine spezielle Betreuung und Einblick in möglichst viele Abteilungen.
    "Durch unser Rotationssystem, durch Unterstützung durch Mentoren, durch einen sogenannten Rotationsvorgesetzten, durch umfangreiche Rotationspläne - da steckt auch für uns Arbeit dahinter - haben wir gute Erfahrungen gemacht, was den unmittelbaren Einsatz und die Entwicklung der Trainees anbelangt."
    Hohe Übernahmequoten
    Die Mentoren sind auch bei der Auswahl der Bewerber beteiligt und begleiten ihre Trainees über das gesamte Programm hinweg. Denn oft sollen die Trainees später einmal ihre Nachfolge antreten. Übernahmequoten von mehr als 90 Prozent sind daher die Regel. Trainees sind dabei mehr als nur Azubis mit Hochschulabschluss. Die Anforderungen seien deutlich höher als bei einer normalen Ausbildung, sagt Jens Hartung vom Energiekonzern RWE in Essen.
    "Die sind ja auch älter und lebenserfahrener und teilweise mit Auslandserfahrung, interkulturellen Kompetenzen, viel Englisch auch im Hintergrund. Da richtet sich das Unternehmen schon neu aus. Das ist schon etwas anderes als ein Azubi. Deutlich von der Qualitätsstufung etwas weiter."
    Gerade für große Unternehmen wie RWE oder Evonik sind Trainee-Programme unverzichtbar - nicht nur als eine Art Kaderschmiede, sondern auch, um nach Außen zu zeigen, dass man etwas für den Führungsnachwuchs tut.
    "Positive Störung"
    Innerhalb des Unternehmens werden Trainees oft als Störenfriede wahrgenommen. Auch wenn sich dies erst mal negativ anhört, ist dieser Nebeneffekt durchaus gewünscht. Jens Hartung vom Personal-Marketing der RWE war selbst mal Trainee und findet es sogar sehr gut, wenn Trainees den Betrieb ein bisschen durcheinander wirbeln und alteingesessene Kollegen aus ihrer eingefahrenen Spur bringen.
    "In dem Fall wäre es ja eine positive Störung. Aber in so ein gesetztes Team mit frischen Ideen und frisch von der Uni reinzukommen, ich fand das immer spannend. Das bringt sicherlich frischen Wind und auch neue Impulse für so ein Team. Ich glaube beide Seiten passen sich dann an: Die Alteingesessenen oder die älteren Kolleginnen und Kollegen nehmen dann schon Impulse auf von den Trainees. Und es ist so ein gegenseitiger Anpassungsprozess. Aber das zum Thema „frischen Wind". Das kann man ja durchaus gebrauchen."
    Frischen Wind für das Unternehmen erhofft man sich auch beim Chemiekonzern Evonik in Essen. Nicht selten bringen Trainees neue Ideen mit ins Team ein, sagt Nikola Steiger-Kutsch aus der Personalabteilung.
    "Trainees bringen auch den erfahrenen, alten Hasen immer wieder neue Perspektiven. Das kann das aktuelle Wissen aus der Uni sein, aber auch einfach unbeleckte Sichtweisen sozusagen, die natürlich für uns auch sehr wichtig sind. Wir lernen von den Trainees und die Trainees lernen von uns."
    Ein gegenseitiges Geben und Nehmen, also. Im Gegensatz zum Direkteinstieg muss die spätere Stelle für den Trainee erst noch geschaffen werden. Das Unternehmen hat also den Vorteil, Fach- und Führungskräfte systematisch aufzubauen und die Karriere der Hochschulabsolventen strategisch zu planen.