Experimentelle Klänge

Musik für Außerirdische

Der Musiker und Hörspielmacher Felix Kubin posiert bei der Verleihung des Deutschen Hörbuchpreises 2014.
Felix Kubin © picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Von Tobias Lehmkuhl · 14.04.2014
Synthesizer, Seifenrassel, Eimerschlagzeug - mit diesem Instrumentarium hat der Hamburger Musiker Felix Kubin als Teenager Platten aufgenommen. Auch wenn Kubin inzwischen zuweilen für Streichquartett komponiert, ist ihm der Spieltrieb nicht abhanden gekommen. Ein Studiobesuch.
“Ich arbeite immer gerne mit einem Sequenzer, den finde ich ganz toll, der hat einen ganz schönen Groove...“
“... ein Schrittfolgenersteller, der erstellt eine Schrittfolge, das sind natürlich alles hier noch klassisch analoge Spannungen und die werden per Hand eingestellt, dadurch klingt das alles ziemlich ungenau, was ich aber auch toll finde und dann kann man damit verschiedene Tonhöhen, Filtereinstellungen, Spannungen erzeugen, die irgendetwas antriggern.“
In Hamburg ist Felix Kubin aufgewachsen und in der Hansestadt hat er auch sein Studio, einen großen Raum im ersten Stock eines Künstlerhauses. Überall stapeln sich CDs und Schallplatten, Computer und Mischpulte. Auch drei Synthesizer, Modelle aus den 80er-Jahren.
“Dieser Korg MS-20, der gerade so eine Renaissance erfährt, es gibt sogar eine Neuauflage davon, der hat mich tatsächlich sehr geprägt und sehr zum Musikmachen und Krachmachen angeregt.“
In den 70er-Jahren wurden die frühen Synthesizer noch als reine Begleitinstrumente verwendet. Erst Gruppen wie Kraftwerk, DAF, Liaison Dangereuse oder Palais Schaumburg stellten sie ins Zentrum ihrer Musik und experimentierten mit den Möglichkeiten der elektronischen Klangerzeugung.
“Der hat einen wunderschönen Ton, und auch der Sequenzer, der macht diese leichten Knacker, die ich so toll finde. Man kann da jetzt auch so Filtersachen reindrehen, das klingt sehr nasal.“
Kubin, Jahrgang 1969, war damals freilich noch zu jung, um die Musik der Neuen Deutschen Welle mitzuprägen. Nichtsdestotrotz hat er schon als Teenager Auftritte gehabt. Und hat noch früher mit dem Komponieren angefangen.
“Ich komme ursprünglich von der elektronischen Heimorgel, ein Instrument, das nur kurze Zeit angesagt war und dann sehr schnell den üblen Ruf der Alleinunterhalter-B-Musik verpasst bekam. Oder der Ruf hat sich angeheftet an dieses Instrument, zu Unrecht, was den Sound betrifft, aber zu Recht, was die Leute anbetrifft, das waren ja schon Leute, die auf irgendwelchen Festen so reproduziert haben, das habe ich ja nicht gemacht, ich habe ja schon mit neun angefangen Musik zu komponieren.“
Ein dadaistischer Umgang mit der Tradition
Sci-Fi-Pop, Sound Art, Radio Plays, Chamber Music, so fasst Kubin auf seine akustischen Betätigungsfelder zusammen. Im Sci-Fi-Pop lebt der Sound der Neuen Deutschen Welle nach, wenngleich Kubin darüber hinausgeht und die Entwicklung der elektronischen und nicht nur der elektronischen Musik in den letzten zwanzig Jahren mit einbezieht. Spielerisch und äußerst humorvoll geht er mit dieser Tradition um, dadaistisch, sagen manche, oder auch „wie ein Ennio Morricone vom anderen Stern“. So hört sich seine Musik zuweilen an, als würden klobige Außerirdische einen Watscheltanz aufführen.
Coiffeur@Musiques Volantes 2005" target="_blank" href="http://vimeo.com/52098562">Felix Kubin - J'appelle Le Coiffeur@Musiques Volantes 2005 from Felix Kubin on Vimeo.
“Die Ideen kommen sehr stark aus meinem Leben heraus. Ich würde sagen, dass ich ein intensives Leben habe und dass mir auch viele Ideen zufallen oder dass ich einfach aus meinem Privatleben oder aus meinem sozialen Umfeld heraus Sachen entwickle. Zum Beispiel waren wir im Studio, da war so ein Rauchmelder, da war die Batterie alle und der piepte die ganze Zeit und da haben wir gesagt, gut, wenn dieses Gerät unbedingt mit dabei sein will. Dann haben wir es halt aufgenommen und in das Stück mit reingenommen.“
Das sprengt die Schädeldecke
Auch als das Aufnahmegerät schon ausgeschaltet ist, spricht Kubin unermüdlich weiter, so viele Ideen habe er schließlich, dass es ihm zuweilen die Schädeldecke wegsprenge. Nicht zuletzt in Hörspielen finden diese Ideen dann Platz, zuletzt in dem Stück „Orphée Mécanique“, einer Neufassung des griechischen Mythos, in der ein moderner Orpheus verloren durch die Welt zieht, versehen mit einem sogenannten Psychotron, das Gedanken direkt in Musik zu verwandeln vermag. Letztes Jahr gewann die Produktion den Hörspielpreis der Kriegsblinden.
“Ich sehe mich eigentlich mehr als ein Künstler, der Musik macht, früher hätte ich gesagt, ok, ich bin nur Musiker, aber das stimmt einfach nicht, also ich arbeite zu konzeptionell, ich arbeite tatsächlich auf eine Art experimentell, obwohl meine Musik von der Ästhetik her gar nicht so experimentell anmutet.“
Vielleicht nicht experimentell, aber abenteuerlich ist sie allemal. Ein unerschöpflicher Kosmos, dieser Kubin. Mit diesem Gedanken verlassen wir Hamburg, den Kopfhören auf den Ohren und lassen uns die Schädeldecke sprengen.
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