Experiment in Bayern

Für die Forschung in den Bunker

In dem Bunker in Andechs wurden 25 Jahre lang Experimente durchgeführt. Mehr als 400 Freiwillige nahmen teil. Untersucht wurde ihr Zeitgefühl.
In dem Bunker in Andechs wurden 25 Jahre lang Experimente durchgeführt. Mehr als 400 Freiwillige nahmen teil. Untersucht wurde ihr Zeitgefühl. © Georg Gruber / Deutschlandradio
Von Georg Gruber · 15.04.2016
Weltweit wird an diesem Samstag der "Obscura Day" begangen: Dabei geht es um die Suche nach Orten mit einer besonderen Geschichte. "Aschoffs Bunker" im bayrischen Andechs ist so ein Ort. In 25 Jahren gingen 400 Freiwillige in ihn - im Dienste der Wissenschaft.
Sue Anne Zollinger "This is the controllroom area."
1964 begannen die Versuche in dem Bunker, gleich hinter der Tür war der Kontrollraum, hier saßen die Wissenschaftler. Hier wurden die Daten der Probanden gesammelt, die in einer Wohneinheit mit eigener Küche und Bad lebten. Freiwillig. Vier Wochen bis drei Monate. Völlig isoliert. Ohne Kontakt auch zu den Wissenschaftlern:
Anne Zollinger: "When they wanted to communicate…"
Um mit der Außenwelt zu kommunizieren gab es einen kleinen Raum, zugänglich von beiden Seiten, dort konnten sie Zettel mit Wünschen hinterlegen, dort wurde ihnen auch Essen hingestellt.
Anne Zollinger: "Or they would leave food here or whatever the person inside wanted, they could put it here."

Es ist kalt und still, nur eine Neonröhre klickt

Der eigentliche Wohnraum ist klein, vielleicht 20 Quadratmeter, Neonröhren an der Decke. 1989 waren hier die letzten Probanden.
In dem Bunker in Andechs wurden 25 Jahre lang Experimente durchgeführt. Mehr als 400 Freiwillige nahmen teil. Untersucht wurde ihr Zeitgefühl.
In dem Bunker in Andechs wurden 25 Jahre lang Experimente durchgeführt. Mehr als 400 Freiwillige nahmen teil. Untersucht wurde ihr Zeitgefühl.© Georg Gruber / Deutschlandradio
Zollinger: "They had a desk, where they could write, and a chair and a bed."
Bett ist keines mehr da, nur ein Stuhl mit blauem Stoffbezug, ein Tisch. In der kleinen Küche noch ein paar Pfannen und Töpfe, im Regal eine Dose Tee, der Kühlschrank ist leer. Es ist kalt. Und still, sehr still, nur eine Neonröhre klickt. Früher summte hier, so wird erzählt, die Klimaanlage, auch um allerletzte Geräusche von außen zu übertönen. Der Boden war mit Kontakten versehen, so konnten die Wissenschaftler verfolgen, wo sich die Versuchsperson gerade befand. Videoüberwachung gab es nicht. Wer hier einsaß, musste seinen Tagesablauf protokollieren, auf einen Knopf drücken, beim Schlafengehen und beim Aufstehen.
Zollinger: "They had to surrender everything, that they could use to tell time."

Andechs wurde zum Mekka für der Chronobiologen

Keine Uhr, kein Radio, kein Fernsehen, kein Telefon und natürlich auch kein Internet. Nichts, was Aufschluss hätte geben können über den Lauf der Zeit. Es zeigte sich: Jeder Mensch hat eine innere Uhr, unabhängig von Sonnenlicht und dem Wechsel von Tag und Nacht.
Zollinger: "There is something inside your body, that tells you how long is the day."
Aber: diese innere Uhr ist nicht auf 24 Stunden geeicht, sondern meist auf rund 25.
Zollinger: "It’s just a little bit longer than the real day"
Andechs wurde zum Mekka für Chronobiologen aus aller Welt. Die verschiedensten Versuche wurden dort durchgeführt, unter anderem mit Blinden und mit Depressiven. Und auch mit Vögeln. Heute steht das gesamte Gelände mit mehreren Gebäuden und eben jenem Bunker, zum Verkauf.
In dem Bunker in Andechs wurden 25 Jahre lang Experimente durchgeführt. Mehr als 400 Freiwillige nahmen teil. Untersucht wurde ihr Zeitgefühl.
In dem Bunker in Andechs wurden 25 Jahre lang Experimente durchgeführt. Mehr als 400 Freiwillige nahmen teil. Untersucht wurde ihr Zeitgefühl.© Georg Gruber / Deutschlandradio
Dieter Schmidl, 76, ist der letzte, der noch die Stellung hält, er betreut hier für das Max-Planck-Institut für Ornithologie eine Studie über Lieder-pfeifende Dompfaffen. Er kannte Jürgen Aschoff, den wegweisenden Wissenschaftler, der 1998 starb, noch persönlich:

"Aschoff war ein guter Chef"

Schmidl: "Aschoff war ein guter Chef, sehr menschlich, gab immer Feste bei ihm, wo wir abends dann gefeiert und seinen Weinkeller geleert haben. (lacht) Also es war ein Erlebnis, wirklich ein tolles Erlebnis.
Dieter Schmidl wollte nie als Proband in den Bunker. An Freiwilligen hat es selten gemangelt, oft lernten hier Studenten auf Prüfungen. Ich selbst bin wenige Kilometer entfernt aufgewachsen und habe schon in meiner Jugend von diesem seltsamen Ort gehört. Und wollte immer gerne hinein. Nun bin ich da und doch zu spät. Aber hätte ich hier wirklich Ruhe und vielleicht zu mir selbst gefunden? Hätte ich es ausgehalten, in dieser Enge? In der Isolation? Kaum einer brach den Versuch ab, vielleicht 20 von 400. Die Türen waren immer unverschlossen.
Zollinger: "They often were kind of sad, to come out."
Viele waren traurig, schließlich wieder nach draußen zu müssen, ans Tageslicht, in die laute, helle und anstrengende echte Welt.
Zollinger: "Okay – so, shall we go out?"
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