Ex-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer

Operation Politik

Wolfgang Böhmer, früherer Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, am 12. April 2016 in Berlin
Wolfgang Böhmer, früherer Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, am 12. April 2016 in Berlin © dpa / picture alliance / Bernd Von Jutrczenka
Von Florian Felix Weyh · 17.09.2016
Ein Gesprächsbuch mit Wolfgang Böhmer beweist: Der CDU-Politiker und ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt ist gesättigt mit Erfahrungen einer langen Berufsbiografie. Der Arzt operierte sogar noch, als er schon Minister war.
Es klingt wie eine Geschichte aus der Dritten Welt: Der amtierende Finanzminister widmet sich am Wochenende nicht der Parteiarbeit, sondern geht ins Krankenhaus und operiert. Richtig gehört: Er wird nicht operiert, er operiert selbst. Die Dritte Welt liegt in diesem Fall in Sachsen-Anhalt, der Finanzminister heißt Wolfgang Böhmer und ist Gynäkologe. Anfang der 90er-Jahre haben ihn die Wirren der Wendezeit in die Politik verschlagen. Doch was wiegt schwerer: Ein politisches oder ein praktisches Problem?
In der DDR besaßen Ärzte ein hohes Sozialprestige, und so erzählt Böhmer von der damaligen Angst, in seiner Heimatstadt Wittenberg von Patienten beschimpft zu werden, weil er sie "im Stich gelassen" habe. Der Wechsel in die Politik wird nicht goutiert, so operiert der Finanzminister in seiner Freizeit weiter.

Der Arzt als Politiker ist noch immer ein Gewinn

Natürlich, das ist bizarr! Und das restliche politische Leben Böhmers bis hin zum CDU-Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts verläuft dann in gleichförmiger werdenden Bahnen des Polit-Establishments. Dennoch ist im buchlangen biografischen Interview mit der Journalistin Monika Zimmermann noch eine Ahnung davon zu spüren, welche andere Politik eine Zeitlang möglich schien: Professionell betrieben, ja, doch deutlich gesättigter mit Erfahrungen einer langen Berufsbiografie, als sie die Retortenpolitiker heutiger Bauart aufweisen können. Für die bürgerliche Demokratie ist der Arzt im politischen Amt ein Gewinn, noch immer.
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© Cover: Miteldeutscher Verlag
"Was bleibt von Wolfgang Böhmer?", fragt die Interviewerin zum Schluss. "Ein Grabstein", antwortet der hochbetagte Elder Statesman. Man nimmt ihm diese unprätentiöse Haltung ab. Schließlich kennt er die Vergänglichkeit allen Daseins.

"Auf ein Wort, Herr Böhmer". Monika Zimmermann im Gespräch mit Wolfgang Böhmer
Mitteldeutscher Verlag, 160 Seiten, 9,95 Euro

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