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Bayer vs. BUND
Pestizide verantwortlich für Bienensterben?

Schon seit den 1990er-Jahren vermuten Wissenschaftler, dass Pestizide für das Sterben von Bienen verantwortlich sind. Der BUND warnt vor Insektenvernichtungsmitteln mit toxischen Neonicotinoiden als Wirkstoff. Der Hersteller Bayer hat diese Frage am Landgericht Düsseldorf verhandeln lassen.

Von Ralph Ahrens | 24.02.2015
    Der Streit begann im Herbst letzten Jahres, nachdem der 'Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland', der BUND, seinen Einkaufscheck 'Pestizidverkauf in Bau und Gartenmärkten' im Internet veröffentlichte. Darin bezeichnete der Umweltverband zwei Insektenbekämpfungsmittel der Firma Bayer CropScience – 'Schädlingsfrei Calypso' und 'Zierpflanzenspray Lizetan' – als bienengefährlich. Diese Aussage gefällt dem Konzern nicht, denn, so Pressesprecher Utz Klages, ...
    "Beide Produkte, die den Wirkstoff Thiacloprid enthalten, sind aus Sicht von Bayer CropScience sicher für Bienen. Das haben die zuständigen Behörden nach umfangreichen Untersuchungen und Tests bestätigt. Das war auch der Grund 'B4' eingestuft sind, das heißt 'bienenungefährlich'."
    Und Bayer CropScience erwirkte Ende 2014 eine einstweilige Verfügung. Der BUND darf seitdem nicht mehr behaupten, beide Produkte seien bienengefährlich, ohne gleichzeitig auf derselben Seite auch zu sagen, beide Insektenbekämpfungsmittel gelten als 'bienenungefährlich'. Doch der BUND will beide Aussagen nicht miteinander verknüpfen müssen – und legte Widerspruch ein. Er hält die Zulassungen für die Insektenbekämpfungsmittel von 2007 für veraltet. Sie würden den aktuellen Stand der Wissenschaft nicht widergeben, betont Rechtsanwalt Remo Klinger, der den BUND vertritt.
    "Wir haben eben hochrangige wissenschaftliche Untersuchungen, die zu dem Ergebnis kommen, dass diese Stoffe in hohem Maße eben bienengefährlich sind und eben auch Mitauslöser des Bienensterbens sind – und aus diesem Grund will sich der BUND hier nicht einschränken lassen in seiner Äußerung."
    Nicht tödlich aber stark beeinträchtigend
    Eine neue Studie veröffentlichte Randolf Menzel im April letzten Jahres. Der Neurobiologe an der Freien Universität Berlin fand heraus, dass geringe Mengen des Nervengifts Thiacloprid Bienen zwar nicht töten, sie aber stark beeinträchtigen. Ein Beispiel: Nimmt eine Biene an etwa vier aufeinander folgenden Tage jeweils 100 Nanogramm dieses Nervengifts aus Blütennektar zu sich...
    "... dann reichert sich das langsam in ihrem Körper an, und sie sind dann in ihrer Navigation beeinträchtigt, sie stellen ihre soziale Kommunikation ein. Sie machen keinen Schwänzeltanz mehr, das soziale Gefüge wird gestört."
    Nimmt eine Biene einmal gar 500 Nanogramm, also ein halbes Mikrogramm Thiacloprid zu sich, ist ihr 'Landschaftsgedächtnis' gestört.
    "Sie kommen entweder gar nicht nach Hause zurück oder sie müssen sehr viel länger suchen oder sie kommen erst am nächsten Tag zurück."
    Der Agrarkonzern Bayer CropScience hält diese Untersuchung aber für nicht relevant. Pressesprecher Utz Klages
    "In dieser Studie wird mit Wirkstoffkonzentrationen gearbeitet, die 100mal über dem liegen, was in der Praxis angewendet wird."
    Zudem spritzten Landwirte seit etwa zehn Jahren Thiacloprid-haltige Pestizide in großen Mengen auch auf blühende Rapskulturen, ohne dass Schädigungen von Bienenvölkern bekannt geworden sind. Auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sieht bislang keinen Anlass, die Zulassung Thiacloprid-haltiger Insektizide zu überdenken. Doch Neurobiologe Randolf Menzel widerspricht. Er hält eine so geringe Aufnahme des Nervengifts durch Bienen für durchaus realistisch
    "Wenn ein Rosenzüchter oder irgendein Gärtner dieses Mittel in der vorgegebenen Weise auf seine Rosen sprüht, dann kann man abschätzen, dass bei einem Besuch einer Biene sie drei Mikrogramm von dem Thiacloprid aufnimmt."
    "Meinungsaustausch"
    Und drei Mikrogramm seien immerhin sechsmal mehr als nötig ist, um das 'Landschaftsgedächtnis' einer Biene zu stören. Welche Fakten nun herangezogen werden sollten, um zu bewerten, wie gefährlich das Nervengift Thiacloprid für Bienen ist, wurde gestern nicht entschieden. Doch die Richterin am Landgericht beschrieb gestern am Ende der Verhandlung den Streit zwischen Unternehmen und Umweltverband als 'Meinungsaustausch basierend auf Fakten'. Remo Klinger.
    "Die Meinungsfreiheit als hohes Gut wurde hier schon eben durch die Richterin hervorgehoben. Und wir berufen uns auf diese."
    Der Rechtsanwalt ist daher zuversichtlich, dass die Richterin am Tag der Urteilsverkündung die einstweilige Verfügung aufheben wird. Verzichtet das Unternehmen Bayer CropScience dann auf eine Berufung, dürfte der BUND wieder behaupten, Insektizide mit dem Wirkstoff Thiacloprid seien bienengefährlich. Der Verband kündigte an, dies dann auch tun zu wollen – solange, bis Insektenbekämpfungsmittel mit diesem Nervengift im Markt nicht mehr erhältlich sind.