Ewig leben dank gesundem Lebensstil

13.01.2008
Glaubt man einer Studie aus Norfolk, soll es ganz einfach sein, das eigene Leben um ganze 14 Jahre zu verlängern. Lediglich vier Regeln sollten beherzigt werden. Doch Zweifel an der Seriosität der Studie sind angebracht.
Anlass: "Vier einfache Verhaltensregeln verlängern das Leben durchschnittlich um 14 Jahre", meldete kürzlich dpa. Eine Studie aus Norfolk habe gezeigt, dass man dafür nur vier Dinge beherzigen braucht: nicht rauchen, wenig, aber regelmäßig Alkohol trinken, etwas Sport machen und täglich fünf Portionen Obst und Gemüse isst. Ist jetzt endlich der lang ersehnte Beweis gelungen, dass einfache Maßnahmen wie Alkohol und Joggen so dramatische Ergebnisse haben können? 14 Lebensjahre sind ja kein Pappenstiel. Wer hat da was untersucht?

Die Studie kommt aus Cambridge und wurde von Organisationen finanziert, die sich der Prävention und dem Antiaging verschrieben haben. Man begann mit 30.000 Personen, deren Lebensgewohnheiten vor Jahren erstmals erhoben werden sollten. 5000 Personen zogen es vor, auf eine Teilnahme zu verzichten. Beim Follow-up gingen offenbar nochmals 3000 Personen verloren, von weiteren 2000 wurden die Daten nicht verwendet, da es sich um Krebs- und Herzpatienten handelte. So blieben 20.000 Personen übrig – aus denen nun mittels Statistik 14 Extra-Lebensjahre destilliert wurden.

Aber es liegt doch nahe, dass Sport, Obst, Gemüse und Verzicht auf den Glimmstengel positiv zu Buche schlagen müssen? Wie viel Jahre bringt das denn Ihrer Meinung nach tatsächlich?
Dass der Verzicht auf das Rauchen einen günstigen Effekt hat, ist so neu nicht, stimmt aber. Gleiches gilt für den regelmäßigen Konsum von Alkohol, der das Leben verlängert. Die Autoren sprechen von bis zu zwei Gläsern täglich. Auch das haben viele Studien in den letzten Jahrzehnten gezeigt. Aber hier setzen meine Zweifel ein. Nicht weil zwei Gläser am Tag zuviel Alkohol ist, nein - ich wage zu bezweifeln, dass ein Abstinenzler länger lebt, wenn er sich zum Frühstück zwei Gläser Korn rein zwingt.

Mag sein – aber nimmt der Unsportliche Schaden, wenn er seinen Hintern bewegt?
Wohl kaum – und dennoch ist die Studie auch hier wenig vertrauenswürdig: Der Personenkreis war bei der Ersterhebung zwischen 45 und 79 Jahre alt. Am Ende der Studie also 56 bis 90. Unter älteren Menschen gibt es viele, die liebend gerne wie ein junges Kälbchen herumspringen würden, aber das aufgrund von Gehbehinderungen (z.B. Arthrose) nicht mehr können. Diese Personen schlucken täglich Medikamente und sind definitiv kränker als jene, die noch gut zu Fuß sind. Klar, dass die Gesunden länger leben – aber doch nicht weil sie Joggen.

Aber Obst und Gemüse sind ja so schlecht nicht – erstaunlich ist allenfalls, dass es gerade fünf Mal am Tag sein muss. Haben die tatsächlich die Häufigkeit des Obst- und Gemüseverzehrs erhoben?
Ja das haben sie – wie man einer anderen Publikation der Autoren entnehmen kann. Und genau diese Daten haben sie nicht verwendet. Sie wurden einfach unterschlagen. Warum wohl? Stattdessen führen sie einen sogenannten Sourrogat-Parameter ein, nämlich den Vitamin C-Spiegel im Blut. Ab einem gewissen Pegel wurde den Probanden der fünfmalige Verzehr von Tag Obst und Gemüse bescheinigt. Den fraglichen Wert erreichten kurioserweise (wie der anderen Studie zu entnehmen ist) zwei Drittel der Briten. Nie und nimmer verdrücken zwei von drei Briten diese Mengen.
Ich darf hier an die offizielle Begründung der 5-am-Tag-Kampagne in Deutschland erinnern: "Einen unmittelbaren Nachweis, dass eine Intervention mit Gemüse und Obst das Risiko für Krebs oder auch andere chronische Erkrankungen senkt, gibt es derzeitig nicht. Ebenso fehlen beobachtende epidemiologische Daten, die belegen, dass eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten im Sinne einer Erhöhung des Gemüse- und Obstverzehrs im Erwachsenenalter das Erkrankungsrisiko für Krebs und andere chronische Erkrankungen zu senken vermag."

Aber ist der Vitamin C-Spiegel nicht ein brauchbarer Maßstab?
Der Vitamin C-Status im Blut sagt herzlich wenig über die Zufuhr aus. Das wissen wir beispielsweise aus der deutschen VERA-Studie, die vor allem deshalb eine hohe Glaubwürdigkeit besitzt, weil sie ihre Daten detailliert offenlegt. Hinzu kommt, dass die meisten Ernährungsberater gar nicht wissen, wo Vitamin C wirklich drin ist und gewöhnlich den in dieser Hinsicht völlig unschuldigen Salat verdächtigen. Zum Vergleich: In Kochschinken oder einer Lyoner finden Sie um die 50 Milligramm pro 100 Gramm, also genauso viel wie in Orangen. Viele Würste enthalten im Schnitt sogar mehr Vitamin C als die meisten Obst- und Gemüsearten.

Was ist aus Ihrer Sicht das Fazit?
Raucher sterben im Schnitt etwas früher als Nichtraucher, Gehbehinderte sind nicht so gut zu Fuß wie Gesunde, und es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen der Lebenserwartung und dem Verzehr von Obst und Gemüse. Darauf dürfen Sie gerne Ihr Glas erheben.

Gibt es etwas, das tatsächlich die Lebenserwartung erhöht? Bis heute ist nur eine Methode nachweislich wirksam – sie funktioniert aber nur bei Männern. Bei denen bringt sie allerdings locker zehn Extra-Jahre: Die rechtzeitige Kastration. Deshalb leben Frauen auch länger – weil ihnen von Natur aus die kritischen Hormonspiegel fehlen.


Literatur:
Khaw KT et al: Combined impact of health behaviours and mortality in men and women: the EPIC-Norfolk prospective population study. PloS Medicine 2008: 5: e12
Khae KT et al: Relation between plasma ascorbic acid and mortality in men and women in EPIC-Norfolk prospective study: a prospective population study. Lancet 2001; 357: 657-63
Biesalski HK: "5 am Tag" -Kampagne: Wissenschaftliche Begründung. DGE-Info 2001/H.7/S.100-101
Pollmer U et al: Lexikon der Fitness-Irrtümer. Piper, München 2003