Evolutionsbiologe über die Zukunft der Erde

Das Ende der Welt ist näher, als gedacht

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Eine Landschaftsaufnahme zeigt Wüstenlandschaft "Deadvlei" im Namib-Naukluft National Park in Namibia. Vor einer rötlichen Sanddüne unter blauem klaren Himmel sind tote Bäume zu sehen.
Blick in die Zukunft? Die Wüstenlandschaft Deadvlei im Namib-Naukluft in Namibia. © unsplash / Sam Power
Matthias Glaubrecht im Gespräch mit Dieter Kassel  · 02.12.2019
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Selbst wenn wir den Klimawandel stoppen, ist unser Leben in großer Gefahr, sagt der Biologe Matthias Glaubrecht. Denn gehen Artensterben und Bevölkerungswachstum so weiter wie jetzt, werde es die Welt, wie wir sie kennen, bald nicht mehr geben.
In Science-Fiction-Filmen wurde immer wieder skizziert, wie das Ende der Welt wohl mal aussieht – graue, staubige Weiten ohne jedes Anzeichen von Leben. Ganz so weit geht der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht in seinem neuen Buch "Das Ende der Evolution" zwar nicht. Das Leben auf der Erde werde sich aber in absehbarer Zukunft dramatisch verändern, ist der Wissenschaftler überzeugt.

Ein Großteil der Menschheit wird sterben

"Wir verlieren eigentlich alle Mitlebewesen, mit denen wir in den letzten Jahrmillionen unsere Evolution geteilt haben", so Glaubrecht.
Der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht im Centrum für Naturkunde (CeNak), Universität Hamburg
Der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht im Centrum für Naturkunde (CeNak), Universität Hamburg© UHH / CeNak / Philipp Reiss
"Wir verlieren wahrscheinlich vor allen Dingen uns selber, einen Großteil der Menschheit. Es wird das Ende der Evolution sein mit den Tieren und Pflanzen und die belebte Welt, wie wir sie kennen." Die Entwicklung sei hier bereits viel weiter, als befürchtet - und Jahrzehnte ignoriert worden. So habe die Biomasse der Insekten in den letzten 30 bis 40 Jahren um drei Viertel abgenommen. In der Vogelwelt gebe es seit den 80er Jahren 300 Millionen Ackervögel weniger.
"Überall auf der Welt - von den Regenwäldern bis zu den Ozeanen - sehen wir einen dramatischen Schwund an Arten", so Glaubrecht. Es gehe um Heerscharen von Tieren, bei denen die Bestände verloren gingen, "weil wir ihnen keinen Raum mehr lassen und eigentlich überall, auf allen Kontinenten, den Raum und die Ressourcen für uns selber nutzen". Diese Entwicklung werde sich auch dann nicht aufhalten lassen, wenn es gelingen würde, den CO2-Ausstoß zu reduzieren: "Das Artensterben bleibt uns auch dann erhalten, wenn wir alle Probleme beim Klimawandel längst in den Griff bekommen haben."

Zentrales Problem ist Bevölkerungswachstum

Das zweite Problem neben dem Artensterben ist dem Wissenschaftler zufolge das Bevölkerungswachstum. Es sei erstaunlich, dass dieses Thema völlig aus unserem Bewusstsein und den Medien verschwunden sei. Laut Prognosen würden bis Ende des Jahrhunderts elf Milliarden Menschen auf der Erde leben, erst danach werde sich dieses Wachstum verlangsamen. "Es hilft uns aber nichts, wenn wir wissen, irgendwann flacht die Kurve von alleine ab - bis dahin haben wir extreme Krisensituationen, wenn wir nicht anfangen, über dieses Problem zu reden."

Literaturhinweis:

Matthias Glaubrecht: "Das Ende der Evolution. Der Mensch und die Vernichtung der Arten"
C. Bertelsmann, München 2019
1072 Seiten, 38 Euro

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