Europaweite Quotenlösung

Überfordern 2000 Flüchtlinge die Polen?

Eine ukrainische Flüchtlingsfamilie in einem Aufnahmelager der Caritas in Rybaki, Polen.
Eine ukrainische Flüchtlingsfamilie in einem Aufnahmelager der Caritas in Rybaki, Polen. © picture alliance / dpa / Tomasz Waszczuk
Von Florian Kellermann · 22.07.2015
Die geplante europaweite Verteilung von Flüchtlingen, um Griechenland und Italien zu entlasten, ist vor allem am Widerstand der östlichen EU-Staaten gescheitert. Polen will 2000 Flüchtlinge aufnehmen, knapp die Hälfte der ursprünglich geplanten Quote. Doch auch das ist einigen schon zu viel.
Hässliche, fremdenfeindliche Worte fielen am vergangenen Wochenende in der malerischen Altstadt von Posen. Junge Männer mit kahlgeschorenen Köpfen skandierten, dass Polen doch "sauber und weiß" bleiben solle. Die nationalistische Organisation "Polnische Verteidigungsliga" hatte zur Demonstration geladen. Ein Sprecher erklärte durch ein Megaphon:
"Wir sollten mal darüber sprechen, was die Regierung da vorbereitet. Sie erklären, dass wir helfen müssen, dass diese Leute arm sind und so weiter. Ich glaube das nicht. Nein, wir müssen nicht helfen. Es soll mir doch keiner erzählen, dass dieser Moslem, der hierher kommt, für 1700 Zloty im Monat arbeiten wird. Nein, er wird unsere Sozialsysteme melken."
Bei einer großen Mehrheit der Polen kommen solche radikalen Sprüche nicht an. Trotzdem sehen viele die Entscheidung der Regierung kritisch, nun doch zusätzlich 2000 Flüchtlinge aufzunehmen. Die meisten von ihnen sollen im Rahmen der von der EU geplanten Umverteilung aus Griechenland und Italien kommen, erklärte gestern Ministerpräsidentin Ewa Kopacz:
"Das ist eine enorme logistische Herausforderung. Es geht ja nicht nur darum, den Menschen eine Wohnung zu geben und sie zu ernähren. Die Kinder müssen auch in die Schule gehen. Wenn diese Menschen sich entscheiden, in unserem Land zu bleiben, müssen wir ihnen eine Zukunft ermöglichen. Sie brauchen eine Arbeit und eine dauerhafte Wohnung."
Nur 1,5 Prozent Ausländer
Nur knapp über 4000 Menschen haben in Polen in diesem Jahr bisher Asyl beantragt. Das Land hätte also Kapazitäten, um Flüchtlinge aufzunehmen, meinen die einen Beobachter. Die anderen halten dagegen: Die Menschen seien den Umgang mit Fremden nicht gewohnt, denn in Polen sind nur 1,5 Prozent der Einwohner Ausländer. Sie fügen hinzu, dass die meisten Flüchtlinge doch gar nicht nach Polen wollen. Sie würden ohnehin rasch in reichere EU-Länder weiterziehen. Vize-Außenminister Rafal Trzaskowski begründete die polnische Zurückhaltung so:
"2000 Flüchtlinge, das ist nicht viel im Vergleich zu den Zahlen in anderen EU-Ländern. Aber wir haben unseren Partnern klar gemacht: Vor allem wir sind für die Ostgrenze der Europäischen Union verantwortlich. Für den Fall, dass im Osten etwas Schlimmes passiert, müssen wir ständig bereit sein, von dort Flüchtlinge aufzunehmen."
Mehrheit gegen die Aufnahme von Flüchtlingen
Vor allem aber dürfte sich die Regierung wegen der anstehenden Parlamentswahl Ende Oktober zurückhalten. Denn die stärkste Oppositionspartei, die rechtskonservative PiS, setzt sie unter Druck. Deren Spitzenkandidatin Beata Szydlo sagte auf die Frage, wie sie zur Aufnahme von Flüchtlingen stehe:
"Wir hören immer von einer europäischen Solidarität. Aber es wäre schön, wenn alle Länder der EU diese Solidarität erfahren würden. Wir haben das Gefühl, dass die polnischen Interessen von den stärkeren Ländern sehr oft übergangen werden. Was das Thema Emigration betrifft, sollten wir vielmehr an die Polen denken, die im Ausland sind und hierher zurückkommen wollen."
Warum sie polnische Arbeitsemigranten gegen Kriegsflüchtlinge aus Afrika aufrechnet, erklärte Beata Szydlo nicht. Aber ihre Rhetorik spricht viele Menschen an: Umfragen haben ergeben, dass zwischen 60 und 70 Prozent der Polen dagegen sind, Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten aufzunehmen. Als Grund nennen die meisten, die Neuankömmlinge könnten Arbeitsplätze besetzen.
Appelle von Menschenrechtsorganisationen haben an dieser Haltung bisher nichts ändern können. Die Bürger sollten sich doch daran erinnern, dass früher auch ihnen geholfen wurde, sagte Weronika Rokicka von Amnesty International in Polen. Sie erwähnte die Menschen, die bis 1989 vor dem kommunistischen Regime ins westliche Ausland geflohen waren.
Mehr zum Thema