Europäisches Patentamt

Endspurt im Patent auf Leben

Ein Schild mit der Aufschrift "Patent" liegt auf mehreren Brokkoli vor dem Europäischen Patentamt in München, aufgenommen 2010.
Demonstrationen gegen Patente auf Leben sind ein Happening auf Wiedervorlage. © picture alliance / dpa / Marc Müller
Von Susanne Lettenbauer · 28.10.2014
Bauernverbände, Umweltorganisationen und Bürger demonstrieren wieder einmal vor dem Europäischen Patentamt gegen Patente auf Leben. Bislang scheinbar wirkungslos, weil trotzdem immer wieder welche beantragt werden. Doch es gibt gute Chancen, das Steuer noch herumzureißen.
Eine riesige Gummitomate schwebt vor dem Europäischen Patentamt, Aktivisten des Umweltinstitutes München haben sich in Brokkolikostüme gezwängt. Die Bilder gleichen sich seit Jahren, der Tomatenballon kommt wieder und wieder zum Einsatz. Ein Happening auf Wiedervorlage. Regelmäßig demonstrieren aufgebrachte Bürger gegen Patente auf Leben, nicht nur in München. Scheinbar wirkungslos. 2009, 2011, 2013 und diese Woche.
"Wir stehen deshalb immer wieder vor dem Europäischen Patentamt, weil natürlich immer wieder neue Patente beantragt werden und in diesen Prozess hineingehen und vergeben werden, oder wenn sie vergeben wurden, dann in die Prüfung gehen, ob die Vergabe jetzt richtig war oder nicht."
Karl Bähr vom Umweltinstitut München kämpft seit Jahren gegen die umstrittene Vergabepraxis des Europäischen Patentamtes. Auf konventionelle Züchtungen dürfe es keine Rechte geben, das hat der Koalitionsvertrag festgeschrieben. Passiert sei hingegen nichts, so Bähr. Jährlich werden neue Anträge eingereicht und bewilligt, jährlich rufen die Umweltschützer zu Protesten auf.
Die Umweltverbände in München wehren sich vor allem gegen Patente auf konventionelle Züchtungen, seit 2010 läuft ein Berufungsverfahren gegen die Patentvergabe, zusätzlich wehren sich Saatgutfirmen gegen Saatgutfirmen, die Patentrechte verletzt sehen. Nur noch Insider verstehen, worum es da tatsächlich geht:
Patente auf Eigenschaften einer Pflanze sind zugelassen
Das bereits 2002 erteilte "Brokkoli"-Patent mit dem Namen EP 1069819 ermöglicht die Züchtung von Pflanzen, bei denen ein Anteil eines bestimmten, vermutlich Krebs vorbeugenden Inhaltsstoffs in den Pflanzen erhöht werden kann.
Das verwendete Züchtungsverfahren beinhaltet sowohl konventionelle Schritte wie auch genetische Marker zur Kennzeichnung der für die Inhaltsstoffe verantwortlichen Gene im Erbgut der Brokkoli-Pflanzen, so das Europäische Patentamt. Genetische Modifikationen können - vom Patentrecht her – sehr wohl eingereicht und genehmigt werden. Schwierig wird es dann, wenn auch ganz normale Züchtungen, traditionell per Auslese, im Europäischen Patentamt verhandelt werden, so Karl Bähr. Die Firmen verpacken dies jedoch sehr trickreich:
"Indem man sagt: Wir patentieren gar nicht diese Brokkolisorte, sondern wir patentieren ganz im allgemeinen Gemüse, das einen höheren Anteil an Antioxidantien hat. Darum ging es jetzt, dass dieser Brokkoli einen höheren Anteil an Antioxidantien hat. Die formale Regelung vom Europäischen Patentamt ist dann, dass, weil es sich nicht um ein Patent auf die Pflanze, sondern um ein Patent auf die Eigenschaft der Pflanzen und die Samen, die diese Eigenschaft enthalten, beinhaltet, deshalb ist das okay."
Wird die deutsche Regierung ihren Einfluss offensiv geltend machen?
Das Problem: Landwirte, die diese Pflanzen anbauen, können die Samen nicht kostenlos wiederverwenden im folgenden Jahr, sondern müssen ein Nutzungsrecht erwerben. Ein Nutzungsrecht an der Natur – das hieße, dass nach und nach die Natur nicht mehr unentgeltlich genutzt werden könne, so Georg Janßen vom Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft . Für ihn und seine Landwirte ein Schreckgespenst, das in den USA mittlerweile zu 50 Prozent Realität sei, gegen das man in Europa aber noch ankämpfen könne, vor allem die deutsche Regierung sei gefragt, meint Janßen:
"Die Frage ist, ob die deutsche Regierung ihren Einfluss tatsächlich offensiv geltend macht. Wir haben ja eigentlich eine gute politische Beschlusslage. Es kommt ja selten vor, dass die CSU gemeinsam mit den Linken und Grünen einen Antrag abstimmt. Im deutschen Bundestag gab es einen einstimmigen Antrag, dass die Patenterteilung auf konventionell gezüchtete Pflanzen, also ganz normal gezüchtete Pflanzen verboten werden muss. Das Europäische Parlament hat ebenfalls 2012 einen fraktionsübergreifenden Beschluss zu dem Thema gefasst."
Die deutsche Bundesregierung sitze im Verwaltungsrat des Europäischen Patentamtes und könne sehr wohl die Patentierung von konventionell gezüchteten Pflanzen unterbinden, meint Janßen. Doch das zuständige Bundesjustizministerium schweigt, zumindest nach außen hin.
Wenn sich jetzt die Bürger vehement gegen die Großkonzerne der Saatgutindustrie wehren, so Janßen, gäbe es gute Chancen, das Rad doch noch herumzureißen. Es sei noch nicht zu spät, meint er. Denn wann die Entscheidung zum laufenden Berufungsverfahren gefallen sein wird, kann man selbst am Europäischen Patentamt auch nicht sagen. Bis dahin ist das Patent eingeschränkt wirksam.
Für den 17. Januar planen Janßen und weitere betroffene Landwirte und Umweltorganisationen die nächste Großdemonstration, dann geht es um eine andere Landwirtschaftspolitik.
Mehr zum Thema