Europäisches Kino-Monstrum versus Hollywood

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 09.05.2007
"Black Book" von Regisseur Paul Verhoeven erzählt die Geschichte der jüdischen Sängerin Rachel Stein in den Niederlanden während des Zweiten Weltkriegs. Als Agentin des Widerstands geht sie eine Affäre mit einem SS-Offizier ein. In "Eisprinzen" raufen sich zwei konkurrierende Eislauf-Egozentriker zum Männer-Paarlauf zusammen.
"Black Book"
Deutschland/Niederlande/Großbritannien/Belgien, 2006, Regie: Paul Verhoeven, Hauptdarsteller: Carice van Houten, Sebastian Koch, Thom Hoffman, ab zwölf Jahren

Paul Verhoeven ist einer der umstrittensten wie erfolgreichsten Filmemacher überhaupt. Sein neues Werk ist eine 16,3 Millionen Euro teure Co-Produktion (Niederlande, D, GB, Belgien), die Ende 2005, 2006 teilweise auch in Potsdam-Babelsberg entstand. Der gebürtige Amsterdamer Verhoeven, Jahrgang ´38, studierte Mathematik und Physik und promovierte mit einer Arbeit über Einsteins Relativitätstheorie. Seinen Wehrdienst leistete er beim Filmdienst der Marine-Infanterie ab.

Bereits sein zweiter Spielfilm, das provokante Liebesdrama "Türkische Früchte" (1973), wurde für einen "Oscar" nominiert. 1985 ging Verhoeven nach Hollywood, wo er gleich drei Kassenschlager inszenierte: Die Action-Spektakel "RoboCop" (1987) und "Total Recall" (1990, mit Arnold Schwarzenegger) sowie den Erotik-Thriller "Basic Instinct" (1992, mit Michael Douglas und Sharon Stone).

Es folgten Flops wie die Nudisten-Seifenoper "Showgirls" (1995), für die er mit der "Goldenen Himbeere" als "schlechtester Regisseur" bedacht wurde (und für die er den Preis sogar entgegennahm), sowie "Starship Troopers" (1997) und "Hollow Man - Unsichtbare Gefahr" (2000).

"Black Book" lief im Vorjahr auf den Filmfestspielen von Venedig und erzählt die Geschichte der jüdischen Sängerin Rachel Stein im Zweiten Weltkrieg. Auf der Flucht vor den Nazis gerät sie mit ihrer Familie in einen Hinterhalt, den sie als Einzige überlebt. Sie schließt sich dem holländischen Widerstand an, ändert Identität und Aussehen und dringt bis in höchste Kreise der deutschen Besatzungsmacht vor.

Verhoeven hat dies als völlig unglaubwürdige, dilettantische 142-minütige Trash-Räuberpistole inszeniert: Thrills, Sex und Crime, Verfolgungsjagden in den Amsterdamer Grachten, viel nacktes Fleisch, platte, kaum identifizierbare Pappkameraden-Figuren "hier wie dort" und Sebastian Koch ("Das Leben der Anderen") als guter, verliebter Nazi-Offizier. Man könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

Carice van Houten als "fesche Lola" macht gute Figur in einem banalen Krawall- und Klischee-Rahmen: Unmöglich im (unlogischen) Detail zu erklären, wie anfangs alle Bootsflüchtlinge (einschließlich ihre Familie) niedergemetzelt werden, wie sie "zufällig" überlebt und dann lächelnd plötzlich im Widerstandsmilieu auftaucht, um sogleich an einem "Gefecht" teilzunehmen, wie sie blondiert und mit neuer Identität ausgestattet zur Geliebten eines menschelnden SS-Offiziers "aufsteigt", während drum herum Wandlungen von (Widerstands-)Helden in Verrätern, von Rächern in Entrechtete, von Tätern in Opfer lächerlich wie peinlich an den dramaturgischen Haaren herbeigezogen werden.

Ein ebenso außen-aufwändiger wie völlig überflüssiger, blöder "Thriller" (= Presseheft). Der keineswegs provoziert (wie der Filmemacher das gerne hätte), sondern grauslich auf den Denk-Wecker geht und ob seiner flachen Figuren, dem lächerlichen 0815-Action-Treiben sowie der permanenten Unlogik, Einfältigkeit, Übertreibungen und Unglaubwürdigkeiten nur fürchterlich langweilt. Ein völlig überflüssiges europäisches Kino-Monstrum.

"Die Eisprinzen"
USA 2007, Hauptdarsteller: Will Ferrell, Jon Heder, ab sechs Jahren

Der Film ist eine Hollywood-Produktion der Regieneulinge Josh Gordon und Will Speck und liefert "leichte, vorsommerliche Unterhaltung". Dabei im Blickpunkt: Zwei amerikanische Eislauf-Egozentriker: Die blonde "Primaballerina" James MacElroy, ein ehemaliger Klosterschüler, und der selbsternannte "Sex-Tornado" Chazz Michael Michaels. Als sie sich auf dem Gewinnertreppchen bei den Olympischen Spielen anstatt anzulächeln einmal mehr angiften und schließlich sogar prügeln, werden sie auf Lebenszeit gesperrt.

Doch dann entdeckt ein pfiffiger Coach die Lücke im Regelwerk und beide treten fortan gemeinsam im Paarlauf an. Stichwort: Männer-Paarlauf. Motto zum Beispiel: Wer übernimmt künftig nun den "weiblichen Part" bzw. wer greift bei der Hebefigur wem in den Allerwertesten..... und so weiter...und so weiter. Rollenklischees der Geschlechter werden ebenso auf die komische Schippe genommen wie diese ganze bunte Welt des "schönen" Eiskunstlaufs mit den farbenfroh-kitschigen Kostümen, mit den bisweilen homoerotischen Bewegungen, Annoncen.

Diese Show kommt deshalb so augenzwinkernd-originell-amüsant ´rüber, weil Komiker-Ass Will Ferrell, der ehemalige "Saturday Night Live"-Comedian, wieder einmal mit seiner hinreißenden wie anarchischen Brachial-Clownerie überzeugt: Sein Michael Michaels verkörpert das genaue Gegenteil von dem, was man sonst in dieser "sauberen Sport(ler)-Disziplin" erwartet: Üppiges Brusthaar quillt aus dem offenen Trikot, darunter wölbt sich ein "gut gefütterter" Bierbauch, zudem bewegt er sich ständig fluchend und Zoten reißend mehr wie ein Stripper als wie ein "Künstler" auf dem Eis.

Ferrell, neulich erst im hierzulande leider völlig unterschätzten urigen Crash-Spaß "Ricky Bobby - König der Rennfahrer" ein ölverschmiertes "american dream"-As (und ansonsten kürzlich in Komödien wie "The Producers" und "Schräger als Fiktion" sehr überzeugend), gibt seinem Eis-Affen hier kräftig Zucker und wird von seinem föhn-gewellt-gestylten, papageien-bunt ausstaffierten Partner Jon Heder ("Napoleon Dynamite") als die noch-blondere Ausgabe von Owen Wilson ("Die Hochzeits-Crasher") tatkräftig-gagig unterstützt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt oder: Es lebe der bessere Klamauk!