Aus den Feuilletons

Roboter mit Staatsbürgerschaft

Mumbai, Indien: Die Roboterfrau Sofia hat am 30.12.17 ihren ersten Auftritt am Indischen Technologie Institut Bombay (IIT-B) während des Techfestes 2017.
Roboterfrau Sophia muss keinen Hijab tragen © imago/Hindustan Times
Von Adelheid Wedel · 18.01.2018
Die Roboterfrau Sophia wurde von einer Firma in Hongkong entwickelt. Bekannt wurde sie durch ihr besonders menschliches Aussehen und Verhalten. Laut dem Hersteller besitzt Sophia künstliche Intelligenz − und die saudi-arabische Staatsbürgerschaft.
Sophia muss keinen Schleier tragen, lesen wir in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Und wundern uns, denn Sophia ist eine Frau in Saudi Arabien. Ist das nun der Triumph des Feminismus? fragt die Zeitung und sorgt damit für weitere Aufmerksamkeit. Das Rätsel wird schon in der Unterzeile gelöst: Das Königreich Saudi Arabien hat eine Roboterfrau eingebürgert.
Adrian Lobe weiß: Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman treibt die Modernisierung seines Landes unbeirrt voran. Der Autor findet es erstaunlich, dass das Königreich eine Roboterfrau privilegiert, die keinen Hijab trägt, gegenüber Frauen im Land, die in der Öffentlichkeit weiterhin zum Tragen des religiösen Schleiers verpflichtet sind. Und so ist es nicht verwunderlich, dass eine Araberin auf Twitter postete: "Eines Tages will ich auch so werden wie Sophia und meine Rechte bekommen." Autorenkommentar: Das fasst das Dilemma in einem Satz zusammen.

Trump ist die Folge der Spaltung

Wir bleiben bei der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG und finden ein ganzseitiges Interview mit Salman Rushdie. Es geht dabei um seinen neuen Roman "Golden House", der in unmittelbarer us-amerikanischer Gegenwart spielt. Was wirklich passiert, übersteigt unsere Phantasie davon, was passieren könnte, meint Rushdie und klagt: Schriftsteller haben ein Problem, wenn die Welt so surreal wird. Der Roman war mein Versuch, diese Frage zu beantworten. Was mein Buch zu zeigen versucht, ist dieses gespaltene Land. Trump ist eher die Folge als die Ursache…. Und wenn Trump morgen verschwinden sollte, wird der Graben immer noch da sein, davon ist Rushdie überzeugt.
Einige schöne Sätze zum Thema Liebe stecken im Interview. Hier eine Kostprobe: Manchmal schaffen es Menschen, sich wirklich mit den Schwächen des anderen zu arrangieren und können einander stärken. Vielleicht beruhen alle engen Beziehungen – nicht nur Liebesbeziehungen – auf endloser Vergebung.

Jubiläum der Amtseinführungen

Von Liebe füreinander kann von den beiden folgenden Personen nicht die Rede sein, obwohl sie einiges verbindet. Amna Franzke schreibt in der Tageszeitung TAZ: Am Wochenende jähren sich die Amtseinführung Donald Trumps im Jahr 2017 und die Barack Obamas acht Jahre zuvor. In seinem Buch "We Were Eight Years in Power" schreibt Ta Nehisi Coates über die Ära Obama aus schwarzer Perspektive. Wir erfahren: In den USA gibt es derzeit einen Hunger nach Deutung und ein großes Publikum für Bücher, die den US-amerikanischen Rassismus zu ergründen versuchen. Coates gilt als einer der wichtigsten schwarzen Intellektuellen, er ist fasziniert davon, berichtet die Autorin, wie Obama bei den weißen Wählern und Wählerinnen punktet.
Im Roman geht es um Sklaverei und darum, wie sie sich noch immer fortschreibt… bis in den institutionellen Rassismus von heute. Viele sagen, so die Rezensentin, ein schwarzer Präsident habe die Wahl Trumps erst möglich gemacht. Te Nehisi Coates kommt das schlüssig vor: Kein anderer steht so sehr für die Idee weißer Vorherrschaft wie Trump – gerade weil er seine politische Agenda in totaler Abgrenzung zu Obama formuliert. Und so den ganzen Frust, die Vorurteile, die Abstiegsangst… den Hass der Weißen auf einen Schlag auffangen konnte.

Ziviler Ungehorsam als stärkste Waffe der Zivilgesellschaft

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG beschäftigt sich Jan-Werner Müller mit der Frage, warum ziviler Ungehorsam in den USA so schwer geworden ist. Zum Jahrestag der Amtseinführung Trumps werden derzeit Dutzende Bücher auf den amerikanischen Markt geworfen, die vor dem Untergang der US-Demokratie warnen. Angesichts dieses politischen Pessimismus könne man einen gewissen Erfolg des Widerstands aus der Zivilgesellschaft konstatieren.
Doch man solle sich nicht zu früh freuen, strategische Fehler wurden begangen, aus denen auch antipopulistische Kräfte in Europa lernen sollten, empfiehlt der Politikwissenschaftler, denn die vielleicht stärkste Waffe der Zivilgesellschaft – massenhafter ziviler Ungehorsam – bleibt bisher entweder ungenutzt oder zeitigt kaum Resultate.
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