Europäische Armee

Mammutprojekt mit vielen Streitpunkten

Bundeswehrsoldaten 2012 in Afghanistan
Juncker und von der Leyen halten eine europäische Armee für sinnvoll. Dann könnten auch Truppenteile der Bundeswehr dem Kommando anderer Ländern unterstellt werden. © imago stock&people
Von Stephan Detjen · 08.03.2015
Brauchen wir eine europäische Armee, wie von einigen Politikern gefordert? Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass die starke Position des Deutschen Bundestags eine entscheidende Hürde für dieses Projekt bildet.
Europa braucht eine gemeinsame Armee. Damit könne die EU glaubwürdig auf eine Bedrohung eines Mitgliedslandes oder eines Nachbarlandes reagieren, sagt Jean Claude Juncker im Interview der "Welt am Sonntag". Der Kommissionspräsident greift damit eine Debatte auf, die an diesem Wochenende auch hierzulande weiter vorangetrieben wird. Deutschland sei bereit, Truppen der Bundeswehr im Rahmen internationaler Kooperationen unter das Kommando anderer Nationen zu stellen, erklärt Ursula von der Leyen im DLF Interview der Woche – und auch die Bundesverteidigungsministerin macht deutlich, welches Fernziel sie dabei im Auge hat.
"Ich denke, dass wir auch in der Bundeswehr bereit sind, in besonderen Fällen auch einer anderen Nation Truppenteile zu unterstellen. Das ist das Ziel. Dieses Verflechten von Armeen mit dem Blick, eines Tages eben eine europäische Armee auch zu haben, ist meines Erachtens die Zukunft."
Die Vision einer europäischen Armee ist seit den 50er Jahren eine der Ur-Ideen Europas. Trotz vieler Rückschläge gibt es auch bereits zahlreiche Beispiele gelungener Militärintegration: die deutsch französische Brigade, gemeinsame Kommandozentralen, die Luftraumüberwachung im Baltikum. Das Modell für eine weitere Verzahnung, die von der Leyen vor Augen schwebt, ist die Unterstellung niederländischer Panzertruppen unter deutsches Kommando.
"Ja, ich muss erst einmal sagen, es ist schon wegweisend und ein absoluter Vorreiter, dass die Niederländer bereit waren, uns eine Brigade zu unterstellen, das haben wir sonst so nicht. Und das ist genau der Weg, den man gehen muss."
Ex-Verteidigungsminister Rühe: Einseitiger Ausstieg eines Bündnispartners muss verhindert werden
Umgekehrt sollten dann nach dem Willen der Bundesverteidigungsministerin auch deutsche Soldaten in Truppenteile von europäischen Partnerstaaten unterstellt werden. Von der Leyen treibt damit die Abkehr von einem zentralen Ziele der Bundeswehrreform voran, die von ihren Vorgängern zu Guttenberg und de Maiziere angestoßen worden war. Einer ihrer Grundsätze lautete, "Breite statt Tiefe" – die Bundeswehr sollte alle wesentlichen Kapazitäten einer modernen Armee selbst vorhalten:
"Mir ist das zu starr, wenn wir sagen 'Breite vor Tiefe.'"
Erklärt jetzt die Bundesverteidigungsministerin im Deutschlandfunk.
"Da muss man differenziert 'eine angemessene Breite' sagen. Und zweitens, 'vor Tiefe' bedeutet, wir würden nicht hoch spezialisiert auch lange etwas machen können, wo wir sehr gut sind. (...) Deshalb ist es für mich wichtig, atmen zu können und eine angemessene Breite zu haben, gemeinsam mit multinationalen Partnern, und dann auch eine differenzierte Tiefe, wo wir in Spezialitäten das auch brauchen."
Ähnlich fordert an diesem Wochenende im Südwestrundfunk auch der ehemalige Bundesverteidigungsminister Volker Rühe eine stärkere Militärkooperation in Europa:
"Nicht jeder Staat – das fängt mit den kleinen und mittleren an – wird auf die Dauer alle militärischen Fähigkeiten haben. Und auch Deutschland wird auf Dauer nicht Breite vor Tiefe machen können. A little bit of everything – ein bisschen von allem."
Volker Rühe leitet eine Kommission des Bundestages, die prüfen soll, wie eine stärkere internationale Militärzusammenarbeit mit den in Deutschland besonders ausgeprägten Mitspracherechten des Parlaments vereinbar ist. Besonders bei Entscheidungen über Einsätze müsse der Bundestag immer eingebunden bleiben, sagt Rühe im SWR Interview. Zugleich aber gehe es darum, die Zuverlässigkeit Deutschlands als Bündnispartner zu stärken:
"Wer diese Bündnisintegration will – und das ist mindestens so wichtig wie der Euro für den schicksalhaften Zusammenhalt Europas – der muss sie auch schützen davor, dass man einseitig aussteigt. Das hat in der Vergangenheit zwei Mal die Bundesregierung gemacht und ich hoffe, dass mit unseren Vorschlägen eine solche Situation, und das auch nicht zwischen Regierung und Parlament international gestritten wird, wer nun eigentlich verantwortlich ist für die Situation und dass Deutschland nun ein berechenbarerer Partner wird."
Rühe spielt damit auf die deutsche Haltung in den Konflikten in Libyen und im Irak an. Das zeigt zugleich, welchen innenpolitischen Streitstoff die Diskussion um eine stärkere Integration der Bundeswehr in internationale Kommandostrukturen noch beinhaltet.
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