Europa

Kurz und kritisch

09.02.2014
Eine gut lesbare Emanzipationsgeschichte Asiens, eine Analyse neuer imperialistischer Verhaltensweisen und ein Abgesang auf das europäische Haus.
Des einen Reichtum ist des anderen Armut. Aber ist Reichtum stets auch Ausbeutung? Das kommt auf die Perspektive an, und dem satten Westen tut ein neuer Blickwinkel auf das hungrige Asien gut. Pankaj Mishra ist indischer Schriftsteller und Essayist, er schreibt für asiatische wie amerikanische wie europäische Publikationen, er kennt die Weltregionen mit ihrer selektiven Blindheit. In seinem jüngsten Buch widersetzt er sich dem Blick des weißen Mannes auf die Welt.
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Cover: Aus den Ruinen des Empires© Verlag S. Fischer
Er schildert den "Wiederaufstieg Asiens" und dessen "Revolte gegen den Westen". Er beginnt mit 150 Jahren der Demütigungen, der koloniale Unterwerfung, des vorgeschobenen westlichen Kampfes gegen das Opium. Doch Mishra formuliert keine Schuldzuweisung, er benennt unerschrocken die Schwächen auf allen Seiten: Imperialismus und Wachstumswahn im Westen, intellektuelles Scheitern im Osten, fundamentalistische Albträume in vielen Ländern. Und er formuliert bei aller Bitterkeit eine Aufstiegsgeschichte, eine Emanzipationsgeschichte, die manch eurozentrische Gewissheit erschüttert, prall geschrieben und gut zu lesen.

Pankaj Mishra: Aus den Ruinen des Empires. Die Revolte gegen den Westen und der Wiederaufstieg Asiens
Verlag S. Fischer
448 Seiten, 26,99 Euro, als E-Book 23,99 Euro

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts haben die Europäer viel ihrer geraubten Macht wieder verloren: 'Dekolonisation' heißt der Prozess, der Europa wieder auf seine geographischen Grenzen zurückführte. Die Europäer haben diese Entwicklung weitgehend unbeschädigt überstanden. Nicht unbedingt die neuen Nationalstaaten, die weiterhin mit den Folgen der Kolonisierung und der Befreiung von ihr zu kämpfen haben. Denn die Dekolonisation hat zu keiner neuen internationalen Ordnung in hierarchiefreier, friedlicher Koexistenz im Pluriversum von Nationalstaaten geführt.
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Cover: Dekolonisation© Verlag C. H. Beck
Die Welt ist geopolitisch fragmentiert, und das verleitet nach wie vor zu imperialistischen Verhaltensweisen. Diesmal mit neuer Legitimation: im Namen der Menschenrechte, der Freiheit und Demokratisierung. Humanitäre Interventionen lassen grüßen. Zwar verbietet das Recht auf Selbstbestimmung diese fremde Herrschaft und Ausbeutung. Doch was genau bedeutet 'fremd'? Angesichts solcher Ungewissheiten hat das Ende der Imperien keineswegs das Ende des Imperialismus bewirkt. Er versteckt sich nur hinter neuen Namen.
Jan C. Jansen, Jürgen Osterhammel: Dekolonisation. Das Ende der Imperien
C.H. Beck Verlag
144 Seiten, 8,95 Euro, als E-Book 7,95


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Cover: Die letzten Tage Europas© Knaus Verlag
Die Europäische Union als imperiales Globalisierungsprojekt? Wem das alles zu links und zu garstig-politisch klingt, der kann sich als kritischer Europäer mit Henryk M. Broder erholen. Der schreibt von den "letzten Tagen Europas". Er will aber gar nicht einen Vergleich mit "Den letzten Tagen der Menschheit" von Karl Kraus wagen. Nein, denn Europa hält viel aus, wie dieser Broder, dieser Florian Silbereisen der politischen Folklore versichert. Virtuos bläst Broder des deutschen Spießers Wunderhorn.
Natürlich ist "Brüssel" schrecklich wegen der dauernden Einmischung in unsere Lebens- und Essgewohnheiten, klagt er aufgebracht, dabei um jeden nur möglichen Kalauer launig bemüht. Und das europäische Haus ist kein ehrenwertes Haus mehr. Wer möchte schon in einem Haus wohnen, in dem fünf Mietparteien von der Stütze leben und die Übrigen mit Ach und Krach über die Runde kommen? Die aufgeblähte Bürokratie und die hohen Gehälter! Skandal! Broder kommt sich kühn wie ein Ketzer vor. Und schreibt: "Die werden nicht mehr verbrannt. Aber man könnte (sie) im Lichte von Energiesparlampen an einen Pranger stellen und so lange mit Äpfeln bewerfen, bis sie ihre Sünden gestehen und auf allen vieren nach Brüssel kriechen".

Henryk M. Broder: Die letzten Tage Europas. Wie wir eine gute Idee versenken
Knaus Verlag
222 Seiten, 19,99 Euro, als E-Book 15,99 Euro