Europa

Koalieren gegen rechte Populisten

Der Luxemburger Jean-Claude Juncker bei der Vorstellung seiner Pläne und Kandidaten im Europaparlament.
Jean-Claude Juncker hatte vor der Abstimmung über die neue EU-Kommission noch einmal die Kandidaten und seine Ziele vorgestellt. © picture alliance / dpa / Patrick Seeger
Von Otto Thomas · 22.10.2014
Jugendarbeitslosigkeit, drohende Deflation und eine aufkeimende Europamüdigkeit fordern die europäische Politik. Die neue EU-Kommission sollte deshalb einen Neuanfang wagen, meint Deutschlandradio-Korrespondent Thomas Otto.
Mit der Wahl der neuen Kommission hat das EU-Parlament dem mutigen Projekt von Jean-Claude Juncker zugestimmt. Den Abgeordneten selbst hat allerdings der Mut gefehlt, in entscheidenden Punkten "Nein!" zu sagen. Vielmehr hat die Angst davor, die Kommission Juncker schon vor Amtsantritt zu beschädigen und den Europagegnern neues Pulver zu liefern, zu einer Großen Koalition des Stillhaltens geführt.
Die Herausforderungen für Junckers Team sind groß: Jugendarbeitslosigkeit, drohende Deflation, das Erstarken der EU-Kritiker – Europamüdigkeit! Die neue Kommission muss in Europa deshalb einen politischen Neuanfang machen.
Der begann mit der Europawahl. Zum ersten Mal haben die Bürger selbst mitbestimmt, wer Kommissionspräsident wird und Juncker mit einem demokratischen Mandat ausgestattet. Die Kommission selbst ist nicht direkt durch die Bürger legitimiert: Die Regierungen schicken ihre Kandidaten für die Kommissarsposten – Juncker muss mit diesen Kandidaten leben.
Falsche Personen auf richtigen Posten
Sein erster, mutiger Schritt war der komplette Umbau der Kommission mit einer völlig neuen Struktur. Sein Zweiter: Umstrittene Kommissare auf die Posten setzen, auf denen sie sich gegen ihre Herkunftsländer stellen müssen. Wer nationale statt europäischer Politik mache, könne ganz schnell umbesetzt werden, drohte Juncker.
Viele Abgeordnete hat das nicht überzeugt. So wie im Fall des Spaniers Cañete, der Anteile einer Ölfirma hatte und Klimakommissar wird. Oder des Ungarn Navracsics, der die Pressefreiheit in Ungarn eingeschränkt hat und sich nun unter anderem um die Pressefreiheit in Europa kümmern soll.
Von ihrem einzigartigen Mitspracherecht, als gewählte Volksvertreter Kommissare abzulehnen und neue Kandidaten zu fordern, machten die Abgeordneten aber nur einmal Gebrauch: Die offensichtlich überforderte slowenische Kandidatin Bratušek wurde geopfert – für einen kurzen Moment ließ das Parlament seine Muskeln spielen. Bratušeks Nachfolgerin ist allerdings fachlich ebenso unerfahren. Im Schnellverfahren hetzte das Parlament ihre Anhörung durch, um den Zeitplan um jeden Preis einzuhalten. Sozialdemokraten und Konservative machten einen Deal und stimmten allen anderen umstrittenen Kandidaten zu.
Die neue Kommission ist keine Kommission des Parlaments. Die neue Kommission ist die Kommission der Großen Brüsseler Koalition. Die Angst vor den Rechtspopulisten hat diese Koalition entstehen lassen. Keinesfalls sollte das Projekt Juncker scheitern. Die neue Brüsseler "GroKo" hat deshalb zu viele Kröten geschluckt – Wasser auf die Mühlen der Europagegner.
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