Euro in der Krise – Ende der europäischen Idee?

15.10.2011
Keine Woche ohne neue Hiobsbotschaften rund um die europäische Schuldenmisere, ohne Krisentreffen, neue Milliardensummen für Rettungsschirme, deren Höhe längst schon niemand mehr beziffern kann. Es scheint, als bestehe Europa nur noch aus dem Euro.
Was ist aus der europäischen Idee geworden? Ist sie am Ende?
Scheitert Europa wirklich, wenn der Euro scheitert?
Was bedeutet Europa jenseits des Euros für uns?
Brauchen wir mehr oder weniger Europa?


"Wir brauchen mehr Europa!",

fordert Ulrike Guérot. Die Politikwissenschaftlerin leitet das Berliner Büro des Think Tanks "European Council on Foreign Affairs" (ECFR) und ist eine glühende Verfechterin der europäischen Idee. Ihre Überzeugung:

"Nur zusammen sind wir stark."

Sie verteidigt die Rettung Griechenlands, notfalls auch mit den umstrittenen Eurobonds und würde dafür sogar die Verfassungen ändern.

"Wir sollen sicher helfen, aber nicht aus altruistischen Gründen und auch nicht ohne Bedingungen. Natürlich sollen die Griechen in ihrem Land aufräumen, so wie übrigens auch die Italiener, aber die Frage ist doch: Wie helfen wir den Griechen besser? Und vor allem: Wie helfen wir den Griechen so, dass wir nicht gefährdet sind? Jeden Dominoeffekt sollte sich Deutschland überlegen. Wir können uns den Bruch von Europa und der Eurozone am wenigsten leisten."
Der Euro treffe

"ins Herz der europäischen Demokratie."

Europa bedeute:

"Mehr Bürgerbeteiligung, mehr Legitimation, mehr Rechte."

Euro in der Krise – Ende der europäischen Idee?

Diese Frage beschäftigt auch den Wirtschaftsexperten Prof. Dr. Ansgar Belke.

"Das kann man schon sagen, wenn man es vom Ende her denkt. Die Nationen kehren immer mehr zu sich zurück, es kommt zu Sezessionsbewegungen, Nationalismus, sehen Sie nur den Front National in Frankreich oder die True Finns."

All das könne dazu führen, dass der Euro "zerbröckelt". Im Falle Griechenlands plädiert der Inhaber des Lehrstuhls für Makroökonomie an der Universität Duisburg-Essen und Forschungsdirektor Internationale Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin seit langem für eine Umschuldung:

"Es muss zu einem Schuldenschnitt für Griechenland kommen. Die Alternative zum ‘Weiter so wie bisher‘ mit immer neuen Rettungspaketen ist nicht notwendigerweise die ungeordnete Insolvenz. Diese wäre viel zu teuer. Auch ist das ‘Weiter so‘, also der schrittweise Transfer der Risiken auf die Europäische Zentralbank und den europäischen Steuerzahler allen Berechnungen zufolge nicht harmloser als ein Staatsbankrott. Die Staatsschulden Griechenlands müssen zur Wiederherstellung seiner finanziellen Stabilität mindestens zu Hälfte erlassen werden."

Forderungen, Schuldnerländer wie Griechenland aus der Eurozone zu verbannen, hält er für populistisch und kurz gegriffen:

"Das würde eine Lawine lostreten, bis hin zu einer ungeordneten Auflösung des Euroraumes."

Man müsse aufpassen, dass der Euro - das bisher einzige Bindeglied Europas - nicht zum Spaltpilz werde.


Euro in der Krise – Ende der europäischen Idee?
Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Ulrike Guérot und Ansgar Belke. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 – 2254 2254 oder per E-Mail gespraech@dradio.de.


Informationen im Internet:
Über Dr. Ulrike Guérot
Über Prof. Dr. Ansgar Belke