EU-Abgeordneter Joachim Zeller

Wahl in Nigeria war "recht frei und transparent"

Viele Menschen stehen Schlange bei der Parlaments- und Präsidentschaftswahl in Nigeria
Lange Schlangen bei der Parlaments- und Präsidentschaftswahl in Nigeria © afp / Tom Saater
Joachim Zeller (CDU) im Gespräch mit Dieter Kassel · 30.03.2015
Technische Pannen, Verzögerungen und Terroranschläge überschatteten die Präsidentenwahl in Nigeria. Gemessen an den dortigen Verhältnissen sei sie dennoch im Großen und Ganzen friedlich verlaufen, meint der CDU-Europaabgeordnete Joachim Zeller.
Noch bevor überhaupt das Ergebnis vorliegt, demonstrieren in Nigeria bereits Tausende gegen angeblichen Wahlbetrug bei der Präsidentschaftswahl vom Wochenende. Der CDU-Europaabgeordnete Joachim Zeller war als Mitglied der EU-Wahlbeobachterdelegation vor Ort. Seiner Einschätzung nach verliefen die Wahlen insgesamt "recht frei und transparent".
Unregelmäßigkeiten und Manipulationen nicht auszuschließen
Dennoch habe es "ziemliche Unregelmäßigkeiten" gegeben, räumt Zeller ein. So hätten die meisten Wahllokale verspätet geöffnet und wegen der Verzögerung bei der Stimmabgabe hätten die Wahlen in einigen Stimmbezirken um einen Tag verlängert werden müssen. "Die Menschen waren sehr willig zur Wahl zu gehen, ihre Stimme abzugeben", betont der EU-Abgeordnete, der bereits mehrfach als Wahlbeobachter in Afrika eingesetzt war.
Auch Wahlmanipulationen lassen sich Zeller zufolge nicht ausschließen. Zwar herrsche auf der Ebene der Wahllokale "ziemliche Transparenz". Auf Bezirksebene jedoch sei die Möglichkeit der Manipulation gegeben. Bei der Auszählung in Lagos beispielsweise habe "ein unbeschreibliches Durcheinander" geherrscht. "Dort wurden dann erst Wahlprotokolle für die einzelnen Wahllokale ausgefüllt, und da kann es dann schon zu Unregelmäßigkeiten kommen, was wir nicht hoffen wollen", so Zeller. "Aber in der Masse kann man das natürlich nicht kontrollieren."

Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Das Leben der Menschen im bevölkerungsreichsten Land Afrikas, in Nigeria, ist seit Jahren von Gewalt geprägt. Das betrifft natürlich vor allen Dingen die Menschen im Norden des Landes, wo die Bedrohung durch die terroristische Organisation Boko Haram besonders groß ist, aber es betrifft nicht nur die, auch in anderen Landesteilen kommt es immer wieder zu Gewaltausbrüchen. Und so haben wohl die Menschen, die an diesem Wochenende einen neuen Präsidenten wählen konnten, so haben wohl die Menschen ihre Entscheidung vor allen Dingen daran fest gemacht, wem der beiden aussichtsreichsten Kandidaten sie am ehesten zutrauen, nicht nur Boko Haram, sondern auch andere gewalttätige Gruppen zurückzudrängen.
Es gibt kein Ergebnis dieser Wahl bisher, das wird erst im Laufe des Tages bekannt gegeben. Aber eine Frage, die sich natürlich auch stellt: Wie fair, wie gerecht und demokratischen Grundsätzen folgend sind diese Wahlen eigentlich abgelaufen? Das kann man beurteilen, denn unter anderem hat das Europaparlament eine Delegation von Wahlbeobachtern nach Nigeria geschickt, und Mitglied dieser Delegation war unter anderem Joachim Zeller, Berliner CDU-Abgeordneter im Europaparlament. Den haben wir jetzt in Abuja, in der Hauptstadt Nigerias, erreicht. Schönen guten Morgen, Herr Zeller.
Joachim Zeller: Guten Morgen, Herr Kassel.
Kassel: Die Wahl beobachtet haben Sie aber nicht in Abuja, sondern in Lagos, der großen Wirtschaftsmetropole, größte Stadt des Landes. Was haben Sie da am Wochenende beobachtet? Waren das für Sie freie und demokratische Wahlen?
Zeller: Für die Verhältnisse in diesem Land muss man sagen, dass die Wahlen schon recht frei und transparent waren. Und auch im Vorfeld der Wahlen – wir haben ja Langzeitbeobachter bereits hier seit Beginn des Jahres – muss man sagen, dass es diesmal wirklich auch zu einer Wahlauseinandersetzung kam mit Wahlkampagnen, mit Parteien, die also derzeit die Regierung stellen, mit der PDP und Herausforderer in der Präsidentschaftswahl, Herrn Buhari, und die Oppositionsparteien, die sich vor zwei Jahren zusammengeschlossen haben zur APC – davon kann man ausgehen, ja.
Erhebliche Verzögerung bei der Stimmabgabe
Kassel: Wie liefen die Wahlen dort, wo Sie sie konkret gesehen haben in Lagos, ab? Man hat hier von Deutschland aus schon den Eindruck, dass ein großes Chaos geherrscht habe.
Zeller: Großes Chaos würde ich nicht sagen, aber es gab schon ziemliche Unregelmäßigkeiten für unsere Verhältnisse, wenn wir die zu Grunde legen würden. Die meisten Wahllokale öffneten verspätet, mit zwei, drei Stunden Verspätung konnten die Wähler, die oftmals da schon stundenlang auf die Stimmenabgabe gewartet haben, erst dann wirklich zu dem Wahlakt schreiten. Der war zudem noch zweigeteilt. Zunächst erfolgte Akkreditierung der Wähler, die diesmal mit einem elektronischen Gerät vorgenommen wurde, was nicht immer funktionierte, um dann erst, ab späten Nachmittag, ihre Stimme abgeben zu können. Dadurch, dass es zu Verzögerungen bei Beginn kam, kam es dann natürlich auch zu erheblichen Verzögerungen bei der Stimmabgabe. Und das beeinträchtigte den Wahltag schon so, dass in manchen Stimmbezirken sogar dann um einen Tag die Wahlen verlängert werden mussten.
Kassel: Wie haben denn die Leute das hingenommen? Mit stoischer Geduld, oder gab es Unruhen? Die Wähler meine ich jetzt.
Zeller: Im Vorfeld ist ja sehr viel davon gesprochen worden, dass es hier bereits am Wahltag auch zu Gewaltausbrüchen kommen könnte. Für die Verhältnisse dieses Landes muss man sagen, es war außerordentlich friedlich, und die Menschen waren sehr willig, zur Wahl zu gehen, ihre Stimme abzugeben, damit also auch von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Und trotzdem es bedauerlicherweise in einigen Gebieten auch wieder zu Todesopfern kam, muss man im Großen und Ganzen sagen, waren die Wahlen am Wahltag selber und auch gestern noch friedlich.
Kassel: Viele Menschen, auch in Nigeria, sagen, die eigentlichen Probleme beginnen jetzt mit der Auszählung. Die Gefahr einer Manipulation, von Unregelmäßigkeiten, die starte eigentlich erst jetzt. Sehen Sie das ähnlich?
Joachim Zeller beim Europafest der Berliner CDU anlässlich der Europawahl am Breitscheidplatz am 14.05.2014 in Berlin. Angela Merkel besucht Europafest der Berliner CDU.
Schon mehrfach als Wahlbeobachter in Afrika: der Berliner CDU-Europaabgeordnete Joachim Zeller beim Europafest der Berliner CDU am 14.05.2014 in Berlin. © imago / Mauersberger
Zeller: Ja, der Auszählungsprozess auf der Zwischen- und auf der oberen Ebene der Wahlkommission, der dauert ja noch an. Und meine Erfahrung, nicht nur hier in Nigeria, auch in anderen Staaten, ist immer die, dass auf der Ebene der Wahllokale eine ziemliche Transparenz herrscht. Denn dort sind die Parteienvertreter da, dort können die Wählerinnen und Wähler den Auszählprozess beobachten.
Allerdings dann auf der Zwischenebene, auf der Bezirksebene, auch das haben Sie gesehen, dort ist dann die Möglichkeit zur Manipulation gegeben. Dort wurde auch in Lagos beispielsweise noch mal gezählt, beziehungsweise in einigen Wahllokalen hat die Polizei, weil nach Einbruch der Dunkelheit sie Sicherheitsbedenken hatte, angeordnet, dass das Auszählen im Bezirkswahllokal zu erfolgen hat, was dann dazu führte, dass dort eine Überfüllung herrschte, ein unbeschreibliches, also man muss schon sagen, Durcheinander. Und dort wurden dann erst Wahlprotokolle für die einzelnen Wahllokale ausgefüllt. Und da kann es dann schon zu Unregelmäßigkeiten kommen, was wir nicht hoffen wollen.
Kassel: Können Sie das noch kontrollieren?
Zeller: Nun, wir sind ja nicht nur alleine als Parlamentarier unterwegs. Wir haben jetzt schon die Langzeit- und auch weitere Kurzzeitbeobachter da, auch Botschaftsvertreter waren da, aber in der Masse kann man das natürlich nicht kontrollieren, nein.
Ausschreitungen nach Bekanntgabe des Ergebnisses nicht auszuschließen
Kassel: Sie haben das Ganze als bisher relativ friedlich für nigerianische Verhältnisse beschrieben, aber bei der letzten Wahl 2011 gab es die schlimmsten Gewaltausbrüche ja auch nach Bekanntgabe des Ergebnisses. Damals kamen über 1.000 Menschen ums Leben. Egal, wer nun im Laufe der nächsten Stunde als Wahlsieger bekannt gegeben wird – rechnen Sie da wieder mit Ausschreitungen?
Zeller: Wir wollen es nicht hoffen, aber ausschließen kann man es nicht. Im Südosten des Landes gab es schon Protestbewegung. Dort ist ja die Hochburg des Amtsinhabers und der Regierungspartei PDP, und auch dort schien es, dass die Opposition leicht in Führung gegangen ist, was berichtet wurde aus der Ebene der Wahllokale selbst. Und da hat es schon einzelne Proteste gegeben, die auch zu einzelnen Todesopfern geführt haben sollen. Und wir wollen hoffen, dass sich das nicht fortsetzt.
Kassel: Der Berliner CDU-Europaabgeordnete Joachim Zeller ist Teil der Delegation des Europaparlaments, die in Nigeria die Wahlen beobachtet. Mit ihm haben wir darüber gesprochen, wie diese Wahlen am Samstag und auch noch am Sonntag abgelaufen sind. Herr Zeller, vielen Dank fürs Gespräch und einen schönen Tag noch!
Zeller: Ja, gerne, auch für Sie!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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