Youssou N'Dour

Zwischen Pop und Politik

Youssou N'Dour , senegalesischer Sänger und Komponist, bei einem Auftritt
Der senegalesische Sänger und Songschreiber Youssou N'Dour © picture alliance / dpa
Von Martina Zimmermann · 12.07.2014
Im französischen Vienne hat der Jazz das Sagen. Das Gebäude des Finanzamtes heißt Miles Davis und eine Schule ist nach Ella Fitzgerald benannt. Leibhaftig trat in diesem Jahr Youssou N'Dour beim legendären Musikfestival auf.
Sein erstes Konzert in Europa gab er 1984, damals dank der Spenden der Pariser Taxifahrer aus Senegal. Dann machte Youssou N'Dour internationale Karriere, sang mit Peter Gabriel oder Neneh Cherry und füllte mit seiner senegalesisch angehauchten Popmusik die Hallen in der ganzen Welt. Als er im April 2012 als Tourismus- und Kulturminister in die Regierungsmannschaft des neuen Präsidenten Macky Sall aufgenommen wurde war zunächst mal Schluss mit der Musik. Seit letztem September stand er – inzwischen nur noch „Berater des Präsidenten" - hin und wieder auf der Bühne, und gestern Abend trat Youssou N'Dour im französischen Vienne (nahe Lyon am Rohneufer) auf dem Jazzfestival „Jazz à Vienne" auf. Martina Zimmermann erzählt, was es Neues gibt aus Dakar und aus Vienne.
Die Stimme eines ganzen Kontinents
Der Einheizer kündigt den Maestro an, den König, die Stimme Afrikas und das Markenzeichen Senegals.
Youssou N'Dour tritt mit einer verjüngten Band an, die seine Mbalaxrhythmen frisch und abgerundet spielt, so dass auch das europäische Publikum mitswingt. Mehrere seiner früheren Musiker vom Super Etoile de Dakar haben vor zwei Jahren eine Solokarriere begonnen. N'Dour unterbrach damals seine musikalischen Aktivitäten wegen seiner politischen Ambitionen:
"Drei Musiker starteten eine Solokarriere, die anderen hatten anderes zu tun",
erzählt Youssou N'Dour.
"Das ist kein Problem. Wenn einer Solokarriere machen will, wünsche ich ihm alles Gute",
sagt der Star.
"Do you hear me father Bamba?"
Zu müde für die Pressekonferenz
Für die angekündigte Pressekonferenz war Youssou N'Dour letztendlich zu müde, war er doch soeben aus Dakar eingeflogen. Vielleicht hatte er aber auch keine Lust, Fragen nach der schwierigen politischen Lage in Senegal zu beantworten. Immer wieder hatte er betont, dass er als Politiker mehr bewirke als mit der Musik:
"Wenn ein Künstler sagt, wie die Dinge gemacht werden müssten, ist das ganz was anderes als wenn er dort plädiert, wo die Entscheidungen getroffen werden",
sagt Youssou N'Dour.
"Ein Künstler im Regierungsapparat kann die Dinge viel schneller voranbringen."
Bei den Kommunalwahlen vor wenigen Tagen brachten die Senegalesen ihre Unzufriedenheit über die Politik von Präsident Sall zum Ausdruck. Die Regierung erlitt eine Wahlniederlage, auch die von Youssou N'Dour besonders unterstützten Kandidaten, zum Beispiel in der Medina von Dakar, wo der Sänger geboren wurde. Die vom Volk nicht wiedergewählten Minister und auch Premierministerin Aminata Touré wurden vom Präsidenten abgestraft und aus der Regierung entlassen. Der internationale Star hingegen bleibt als Berater des Präsidenten in der Regierungsmannschaft, er hat wie schon seit letztem September Ministerstatus, aber kein Ministeramt. So konnte er In Senegal im Frühjahr vier neue Titel herausbringen, die sich auf traditionelle Rhythmen und Melodien der verschiedenen Regionen des Landes stützen.
Musik als Waffe
Für ein neues Album hat der Musikerminister keine Zeit, aber das Publikum versetzt er nach wie vor in Begeisterung, sobald er auf der Bühne erscheint. Musik sei ohnehin eine bessere Waffe, sagt die aus Mali stammende Künstlerin Fatoumata Diawara. Sie stellte in Vienne zum ersten Mal das neue gemeinsame Projekt mit dem kubanischen Pianisten Roberto Fonseca vor:
"Musik kann wirklich etwas ändern. Die Musik ist der Gegensatz zu Krieg. Statt zur Waffe zu greifen beeinflussen wir mit unseren Melodien. Wenn ich nach meinen Konzerten sehe wie glücklich die Menschen sind, egal welcher Hautfarbe und egal wo wir spielen, sage ich ohne Musik wäre die Welt Wahnsinn."
Auch Tastengenie Roberto Fonseca, der mit Diawara während des Konzerts magische Augenblicke schafft, meint:
"Diese Welt ist wirklich verrückt geworden, überall gibt es Krieg und Krisen. Unser Job ist es, den Menschen Frieden zu geben, Glauben und Vertrauen. Innerhalb von nur zwei Stunden lächeln sie und schöpfen neue Hoffnung."
Über zwei Wochen lang und noch bis Montag finden Konzerte in den antiken römischen Gärten und Stätten von Vienne statt. Die größten Stars spielen im antiken Theater unter den Felsen der Notre-Dame-de-Pipet-Kirche mit Blick auf das Rhône-Tal. Auf dem Programm stehen dieses Jahr auch Legenden wie Quincy Jones oder Stevie Wonder. In Vienne sei der Jazz in allen seinen Formen zuhause, erklärt Festivaldirektor Stéphane Kochoyan. Für ihn ist wichtig:
"Der Jazz hat Werte: Integration, Freiheit, Widerstand. Die Jazzmusiker haben in den USA Schwarze und Weiße zusammengebracht. Der weiße Benny Goodman nahm Lionel Hampton und Teddy Wilson in sein Orchester auf, sie fuhren im gleichen Bus und schliefen im selben Hotel. Das war damals schwierig. Das sind die Werte des Jazz, auch auf unserem Festival in Vienne."
Festivaldirektor hofft auf 175.000 Zuschauer
Und dann bringt das Festival, das ein Budget von fünf Millionen Euro hat, den Menschen der Region auch noch wirtschaftliche Vorteile. Laut einer Studie bringt ein Euro Subvention 15 Euro Einnahmen. Auch in diesem Jahr hofft Stéphane Kochoyan auf 175.000 Besucher, trotz des schlechten Wetters und obwohl das Festival von den Theaterstreiks betroffen war und kostenlose Konzerte zum Teil ausfielen. Es ist die 34. Ausgabe von "Jazz à Vienne". In dieser Stadt gibt es ein Gymnasium mit dem Namen "Ella Fitzgerald"; sogar das Finanzamt liegt im Jazzpark:
"Wenn Sie ein Schreiben vom Finanzamt bekommen",
so Stéphane Kochoyan.
"Egal ob es Gutes oder Schlechtes bringt, dann werden Sie ins Gebäude Miles Davis vorgeladen."
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