Esperanza Spalding: "Emily's D+Evolution."

Zurück auf Los

Die amerikanische Jazz-Bassistin Esperanza Spalding bei einem Konzert in Prag.
Die amerikanische Jazz-Bassistin Esperanza Spalding bei einem Konzert in Prag. © picture alliance / dpa / Zdenek Pridal
10.03.2016
Fast die Hälfte ihrer 31 Lebensjahre hat die Jazz-Bassistin Esperanza Spalding ihrer Karriere gewidmet. Und diese ist verdammt erfolgreich. Vielleicht zu erfolgreich? Mit ihrem neuen Album "Emily's D+Evolution" versucht Spalding, aus alten Mustern auszubrechen.
Die Sicherheit, mit der Esperanza Spalding rhythmisch komplexe Basslinien spielt und dazu mal griffige Melodien, mal abenteuerlich schräge Skalen punktgenau singt, ist schlicht beeindruckend – und auch hinreißend, denn sie lächelt dabei so verzaubert, als würde sie bloß mit ihren Puppen spielen.
So etwas in der Richtung macht sie dann auch auf dem Album Emily´s D+Evolution. Es wird die Geschichte der Emily erzählt, eine neutrale Beobachterin, eine Außerirdische vielleicht, die völlig unvorbelastet das Erdendasein erlebt.
Spalding: "Noch ist sie nicht überflutet mit unseren kulturellen Erwartungen. Sie ist neu hier, sie stellt alles infrage, sie ist neugierig. Sie beobachtet alles aus einer Perspektive, die es in unserer Kultur nicht gibt, die sich nicht mit unseren Alltagserfahrungen deckt. Man kann den Albumtitel als Devolution plus Evolution lesen, besser noch als De-Evolution plus Evolution. Zumindest war das meine ursprüngliche Absicht."
Die sich nicht jedem auf Anhieb erschloss, denn das D+ wurde von amerikanischen Journalisten auch als Hochschulnote ins Spiel gebracht.
"Mit der Hochschule hatte das nichts zu tun. Aber in den USA haben es einige so interpretiert. Erst da ist mir aufgefallen, dass auch diese Lesart funktioniert."
Weil Noten nichts über die wirklichen Fähigkeiten aussagen, schließlich seien ihre auch immer schlecht gewesen, sagt Esperanza weiter. Oder war es Emily?

Emily als Kunstfigur mit autobiografischen Zügen

Die Geschichte, die Emily´s D+Evolution erzählt, mutet wie der Wunsch an, zurück auf Los zu gehen. Esperanza Spalding hat von ihren bisherigen 31 Lebensjahren gut die Hälfte ihrer Karriere gewidmet, sie hat Erfolg und Ruhm im Überfluss geerntet – dies alles aber im Korsett einer von Konventionen beherrschten Gesellschaft. Soll Emily ausleben, was sonst noch möglich gewesen wäre?
"Autobiographisch ist daran das Ausbrechen aus gewohnten Mustern, das Ausprobieren von Dingen. Es geht darum, sich selber zu ermutigen, Sachen zu versuchen, die man weder kennt noch kann. Dieser Teil ist autobiographisch. Ich wollte unbedingt das Schauspielen ausprobieren, das Inszenieren. Es war etwas, das seit meiner Kindheit in mir schlummerte. Dadurch ist die Rolle von Emily aber noch nicht autobiographisch."
Die Rolle vielleicht nicht. Wohl aber die Umstände, nämlich ein Leben in Höchstgeschwindigkeit, im Käfig von Terminen und Erwartungen, immer kurz davor, an die Schallmauer zu knallen. Alles erreicht mit 31 Jahren – und dann?
Esperanza Spalding hatte sich endlich eine Auszeit gegönnt, diese aber gleich wieder genutzt, ihre Erfahrungen damit kreativ umzusetzen. Für Künstler sei eine solche Entwicklung so unabwendbar wie die Schwerkraft, sagt Spalding.
"Everybody is an evolving artist if they choose to identify themselves as an artist. So, yeah, I definitely think it works on us similarily to how gravity works on us."
Wie ironische Begleitmusik tönt während unseres Interviews die Sirene eines Rettungswagens im Hintergrund. Auch da finde wohl gerade Entwicklung oder Rückentwicklung statt, sagt Spalding.
"There is evolving or devolving somewhere right now (lacht)."
In der Stammbesetzung eines Rock-Trios, ergänzt durch zwei mobile Einsatzkräfte am Gesang , geht es ganz schön laut zu auf Emily´s D+Evolution.

Emily´s D+Evolution ist als Multimedia-Spektakel geplant

Brüche und Tempowechsel knacken die Grundstimmung immer wieder auf und sorgen für eine szenische Wirkung, wenn man so will. Und Esperanza Spalding will. Denn Emily´s D+Evolution ist als Multimedia-Spektakel geplant. Musik plus Theater plus X.
"Was mich an der Verbindung fasziniert, ist die Kunst, Theater und Musik durch die Inszenierung zu etwas Überwältigendem zu gestalten. Das hinzubekommen, hat für mich auch etwas Mysteriöses. Das hat mich gereizt, weshalb die Inszenierung von Anfang an als Teil dieses Projektes eingeplant war. Sie ist für mich der beste Weg, meine Ideen zu transportieren."
Ob diese Ideen sich auch über das Album transportieren, darf offen bleiben. Esperanza Spalding hat mit erstklassigen Musikern ein bemerkenswertes Stück Artrock abgeliefert, soviel ist sicher.
Dass Emily drin ist, wo Esperanza drauf steht, fast ohne Jazz, sollte niemanden enttäuschen. Es ist nur eine andere Seite derselben Medaille. Allerdings, wie immer bei Esperanza Spalding, eine Goldmedaille.
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