Es plappert die Mühle am Mosebach

Von Frieder Reininghaus · 25.11.2008
Seit längerem passen den Theatermachern die Texte von Beethovens Leonore/Fidelio nicht mehr in die Konzepte. Die neueren Inszenierungen ändern deshalb ungenierte die Texte. Dem niederländischen Schauspiel-Regisseur Johan Simons ging für die Neuproduktion von Fidelio der Pariser Nationaloper Martin Mosebach zur Hand.
Amélie Niermeyer näherte die Sprache durchgängig jener der TV-Soaps an, als sie Mitte November Fidelio an der Deutschen Oper am Rhein inszenierte und in Duisburg ohne Glück und Verstand auf die Bühne brachte. Dem niederländischen Schauspiel-Regisseur Johan Simons ging für die Neuproduktion der Pariser Nationaloper Martin Mosebach zur Hand.

Der Frankfurter Romancier hat sämtliche Dialoge ersetzt. Er läßt Marzelline - die mit robustem stimmlichen Mandat ausgestattete Julia Kleiter - gleich nach ihrem Auftritts-Couplet über die Männer sinnieren. Sie wägt ab zwischen dem "Männermann" Jaquino, mit dem sie sich verlobte, und dem neu hinzugekommenen Fidelio, der so sanft und zäh, weich- und weißhäutig ist.

Die drei arbeiten in einer hochmodernen, gläsern-metallischen Verwahranstalt. In ihr werden politische Gefangene unter Bedingungen gehalten, die zwar nicht ganz den Kriterien eines Rechtsstaates entsprechen, sich aber vollzugstechnisch gewiss bewährt haben.

Gouverneur Pizarro, der Baumstammbass Alan Held, erläuterte dies, deutsch radebrechend, in einem längeren Monolog bei seinem ersten Erscheinen: Sein Freund, der Minister, will, dass selbst genauere Überprüfungen der Sicherheitsapparate keinerlei Anlass zu öffentlicher Kritik bieten. Oberschließer Rocco reflektiert, bevor er von der belebenden Wirkung des Geldes singt, in einem Monolog die "Strafmaschine des Staates".

Mosebachs Texteinschübe, zunächst durchaus motivierend, kranken zunehmend daran, dass es sich eben durchweg um Monologe handelt. Sie retardieren und stellen sich quer zur Dramaturgie des Werks.

Johan Simons, der die Hauptpersonen des Stücks genau charakterisiert und führt, erspart den Besuchern der Pariser Oper grellere Zutaten, Übertragungen, Rollen-Tausch oder -Vervielfachung. Er bietet eine handwerklich solide Produktion, die am Handlungsschema nicht rüttelt. Sylvain Cambreling dirigiert die Details gründlich, das meiste sehr ruhig - treibt dann den unvermittelt hereinbrechenden Schlusschor hinsichtlich Lautstärke und Tempo zum Exzess.

Jonas Kaufmann profiliert sich als Florestan (mit manchmal ein wenig zu viel Nachdruck). Sollten die Intonationsprobleme von Angela Denoke noch behoben werden, dann bietet das Palais Garnier den hörenswertesten Fidelio.