"Es muss einfach Ende sein mit dieser Klientelpartei"

Doris Buchholz im Gespräch mit Nana Brink · 04.04.2011
Doris Buchholz, Bundesvorsitzende der Liberalen Frauen, hat eine mangelnde Beteiligung der FDP-Basis und der Parteigremien bei der Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin für den Parteivorsitzenden Guido Westerwelle kritisiert.
Nana Brink: Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, ist einer, der die Sache regelt, und das bin ich. – So sprach Guido Westerwelle noch vor Kurzem, und gestern Abend hat er nun seinen Rückzug vom Parteivorsitz erklärt. Auf dem Parteitag im Mai wird er nicht mehr kandidieren. Am Telefon ist jetzt Doris Buchholz, Bundesvorsitzende der Liberalen Frauen, einen schönen guten Morgen, Frau Buchholz!

Doris Buchholz: Guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Hat Sie denn der Rückzug von Parteichef Westerwelle gestern Abend noch vor der Sitzung des Präsidiums heute überrascht?

Buchholz: In gewisser Weise schon. Er hat ja sehr lange gesagt, er wird nicht zurücktreten, aber seine Entscheidung verdient Respekt. Und was die FDP jetzt braucht, ist eine personelle, inhaltliche und vor allem auch eine strukturelle Neuorientierung.

Brink: Bleiben wir doch mal bei der ersten, bei der personellen: Wer wird der Nachfolger oder die Nachfolgerin?

Buchholz: Ich finde, wir sollten im Moment uns gründlich überlegen, welcher Nachfolgerwert (Anm. d. Red.: Schwer verständlich) wichtig ist. Dass ein Team gefunden wird, das für Kompetenz und Glaubwürdigkeit steht. Ein Schnellschuss ist meines Erachtens nicht so geeignet, hier einen geeigneten Nachfolger zu finden. Bei der Suche nach dem neuen Parteivorsitzenden oder der neuen Parteivorsitzenden – kann ja auch eine Frau sein – sollten die Gremien und Vorfeldorganisationen miteinbezogen werden. Das ist im Moment nicht der Fall, es entscheidet im Moment das Präsidium mit den Landesvorsitzenden, ohne die Partei und die Basis mit einzubeziehen, und das zeigt einfach, dass im Moment einige in der Partei noch nicht verstanden haben, was eigentlich den Unmut der Basis ausgelöst hat.

Brink: Sie kritisieren das ja selbst, höre ich aus Ihren Worten heraus, es läuft ja wohl alles auf Philipp Rösler zu, er hat die Landesverbände NRW und Niedersachsen hinter sich, aber Sie selbst aus dem Saarland werden dann ihn nicht unterstützen?

Buchholz: Ich sage ja, die Parteigremien sind nicht einbezogen, es wird nicht darüber diskutiert. Es entscheiden einige wenige, ohne die Basis mit einzubeziehen. Jetzt ohne eine Person zu nennen: Ganz wichtig ist, dass wir ein Team finden aus Männern und Frauen, aus Jüngeren und Älteren, mit dem die ganze Partei sich identifizieren kann und sich vertreten fühlt. Und so, wie im Moment die Führungspersonen in der Partei gesucht werden, fühlt sich die Basis zum Teil nicht mit eingebunden. Das führt zu Unmut.

Brink: Das ist aber schon länger der Fall, keine Entwicklung seit gestern.

Buchholz: Nein, das ist schon länger der Fall, da gebe ich Ihnen recht.

Brink: Der Finanzexperte der FDP-Fraktion hat ja dafür plädiert, Herr Schäffler, nicht nur die Jungen ranzulassen, sondern auch auf bewährte Kräfte wie Wirtschaftsminister Brüderle oder Hermann Otto Solms zu setzen. Wie sehen Sie das?

Buchholz: Zu Personen äußere ich mich nicht, aber wichtig ist, dass wir ein Team haben aus Männern und Frauen, aus Jüngeren und Älteren, aus Erfahrenen und möglicherweise auch weniger Erfahrenen. In der Situation brauchen wir Leute, die die Sache wieder in die Hand nehmen, und da ist Kompetenz und Glaubwürdigkeit ein ganz, ganz wichtiges Kriterium.

Brink: Dann lassen Sie uns über die inhaltliche Neuausrichtung sprechen: Die FDP hat sich ja von einer liberalen Partei zu einer Klientelpartei gewandelt. Was muss sich da jetzt konkret ändern?

Buchholz: Die FDP braucht wieder eine mehr sozialere Ausrichtung, darüber waren wir uns in der Bundesmitgliederversammlung der Liberalen Frauen einig, wir brauchen ein Umdenken der Umwelt- und Energiepolitik, das sind Dinge, mit denen wir uns jetzt näher beschäftigen müssen. Und es muss einfach Ende sein mit dieser Klientelpartei und Klientelpolitik.

Brink: Pardon, sehen Sie denn eine Chance, dass dies auch passieren wird?

Buchholz: Ich glaube schon, wenn wir das richtige Team zusammenkriegen, ja.

Brink: Dann müssen wir aber doch über Personen reden, die das dann weiter transportieren können?

Buchholz: Ich werde im Moment keine Namen nennen.

Brink: Das ist Ihnen nicht zu entlocken. Dann möchte ich noch mal auf die Frauen zu sprechen kommen: Sie selbst haben ja gesagt, 40 Prozent in den Gremien der FDP muss mit Frauen besetzt werden.

Buchholz: Ja, das haben wir gefordert und wir haben auch schon im November wohlgemerkt, lange bevor diese ganze Parteipersonaldiskussion losging, einen Antrag auf Satzungsänderung gestellt, weil die Beteiligung von Frauen von ganz existenzieller Bedeutung ist. Und die Wahlen jetzt haben auch gezeigt, es waren bedeutend weniger Frauen als Männer, die die FDP gewählt haben, und hätten in Rheinland-Pfalz die Frauen die FDP gewählt, hätte es unter Umständen sogar gereicht.

Brink: Nun sieht es ja nicht danach aus, also man hat nicht das Gefühl, dass das gehört wird.

Buchholz: Ich glaube schon, dass man uns hören wird, es sind ja noch sechs Wochen bis zum Parteitag und wir hoffen immer noch, dass unser Antrag gehört wird, weil es wird ankommen. Im Moment sind einfach diese Diskussionen, die Emotionen sehr hoch. Ich glaube schon, dass wir uns Gehör verschaffen werden.

Brink: Ich möchte jetzt noch mal auf die Bundesebene, auf die Regierung zu sprechen kommen: Was glauben Sie denn, was der Verzicht von Guido Westerwelle für die Bundesregierung und auch für die FDP darin bedeutet?

Buchholz: Das ist im Moment schwierig abzuschätzen, hängt natürlich davon ab, wer Nachfolger oder Nachfolgerin wird. Ich glaube, es ist im Moment eine sehr, sehr schwierige Situation und wir sollten mit Ruhe mal die nächsten Tage abwarten. Ich glaube, es beruhigt sich einiges wieder und es wird sich regeln.

Brink: Doris Buchholz, Bundesvorsitzende der Liberalen Frauen. Einen schönen Dank für das Gespräch, Frau Buchholz!

Buchholz: Bitte schön, Wiederhören!
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