"Es lässt sich ein fairer Kompromiss erreichen“
Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Günter Gloser rechnet mit einer Einigung auf einen gemeinsamen Haushalt beim heute beginnenden EU-Gipfel in Brüssel. Die bisherige Entwicklung rechtfertige einen "verhaltenen Optimismus", sagte der SPD-Politiker.
Degenhardt: Am Telefon von Deutschlandradiokultur begrüße ich Günter Gloser, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt. Guten Morgen, Herr Gloser
Gloser: Guten Morgen!
Degenhardt: Haben Sie schon alle Hoffnungen auf erfolgreiche Gespräche, also auf einen Haushaltskompromiss begraben?
Gloser: Nein, ich habe sie nicht begraben. Das heißt nicht, dass man jetzt mit ganz großem Optimismus reingeht, aber ich darf es jetzt so bezeichnen, einen verhaltenen Optimismus gibt auch die bisherige Entwicklung, so dass es doch morgen zu einer sehr positiven Entscheidung kommen kann.
Degenhardt: Sollte der Gipfel dann aber doch scheitern - was ja nicht wenige voraussagen - wer trägt dann die Schuld? London alleine, oder zum Beispiel auch Paris?
Gloser: Ach, ich fange jetzt einen Tag vor der entscheidenden Sitzung auch nicht mit Schuldzuweisungen an. Nur ich glaube, wir alle müssen uns bewusst sein, dass nach bestimmten Entwicklungen gerade in diesem Jahr, nämlich die beiden negativen Referenden in Frankreich und in den Niederlanden zum Verfassungsvertrag, zum anderen auch das Scheitern des ersten Versuches unter Luxemburger Ratspräsidentschaft eine Einigung für die finanzielle Vorausschau zu bekommen, dass die Europäische Union in vielen anderen Bereichen viele Anstrengungen unternehmen kann und müsste, um die Akzeptanz für diese Europäische Union wieder zu erhöhen. Deshalb ist es ja so wichtig, dass man von Brüssel aus ein positives Signal gibt. Und ich glaube, diese Verantwortung liegt nicht nur bei einem, oder die Schuld bei einem, sondern es ist die Verantwortung aller 25.
Degenhardt: Zunächst mal geht es aber ums Geld. Falls es nun keine Einigung geben sollte in Sachen EU-Finanzen 2007 bis 2013, was hätte das denn überhaupt für Folgen? Wäre das zum Beispiel auch das Ende der Erweiterung?
Gloser: Nein, das ist erst einmal so, dass wir ja noch eine Möglichkeit haben. Die Österreicher beginnen zu Beginn des neuen Jahres ihre Ratspräsidentschaft, da wird das weiter geführt, aber wir wissen natürlich alle, unter welchen Druck das steht. Und ich weiß auch nicht, ob generell die Ausgangssituation dann auch eine günstige ist. Es verändern sich auch Daten, wo ja bestimmte Maßnahmen dieser Europäischen Union auch fixiert sind, beispielsweise in der Strukturpolitik. Das müsste auch neu austariert werden, insofern kommen wir doch unter einen erheblichen Zeitdruck.
Degenhardt: Ein EU-Parlamentarier meinte gestern, wir haben das vorhin auch noch mal in einem Vorbericht gehört, Europa werde zur Zeit von Kaufleuten oder von Kaufmännern regiert und nicht von Staatsmännern. Haben Sie auch dieses Gefühl?
Gloser: Einmal hat natürlich jedes Land auch Interessen, wie wir es auch formuliert haben, nicht allein, sondern mit fünf weiteren zum Beispiel zu sagen, unsere große Netto-Zahler-Position, die muss entsprechend korrigiert werden. Wir haben das mit einem Prozent formuliert, auch die alte Regierung, wie aber auch die neue Regierung unter Frau Merkel, andere ebenso. Wir haben aber gleichzeitig mal wieder gesagt, das formulieren wir jetzt als Deutschland, aber wenn wir vor einer Möglichkeit einer Einigung sind, dann muss auch Deutschland kompromissfähig sein. Das geht nicht grenzenlos. Und da hat es ja auch Vorschläge gegeben, beispielsweise durch Herrn Junker, wo wir gesagt haben, gut, dieser Kompromiss ist noch vertretbar. Und diese Kompromissbereitschaft zu einem fairen Kompromiss, die erwarte ich natürlich auch von allen Beteiligten.
Degenhardt: Muss die dauerhafte Reform des Briten-Rabatts ein Bestandteil dieses Kompromisses sein, also auch eine Voraussetzung für eine Einigung überhaupt in Sachen europäischer Finanzplanung?
Gloser: Also ich glaube schon, wenn wir von einem fairen Kompromiss sprechen, den wir erreichen wollen, dann gilt auch darunter die Dauerhaftigkeit der Frage des Briten-Rabatts. Sie haben ja vorhin schon angesprochen das Thema der Erweiterung, es wäre fatal, wenn wir jetzt zwar zu diesem Thema in irgendeiner Form einen Kompromiss finden könnten, aber dann bei der nächsten finanziellen Vorausschau noch einmal beginnen müssten über das Thema Briten-Rabatt. Es ist eine einstimmige Entscheidung aller gewesen, dass wir zum ersten Mai 2004 neue Mitgliedstaaten aufnehmen wollen. Wir wussten alle, das erfordert von der Europäischen Union Solidarität gegenüber diesen Staaten. Wir haben einen Agrarkompromiss geschlossen auch unter Zustimmung der Briten und aller anderen. Wir wissen allerdings auch, das sagt ja auch die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, dass wir aber an der Agrarpolitik auch etwas verändern müssen. Wir haben auch gesagt, dass hat aber dann finanzielle Auswirkung erst bei der nächsten finanziellen Vorausschau. Und wir können ja auch nicht ständig sozusagen Beschlüsse, die wir vor zwei, drei Jahren gefasst haben, gleich wieder entsprechend umkehren. Lassen wir uns auf eine Debatte ein, die ist richtig und wichtig, beispielsweise eine "Rendezvous-Klausel", dass wir sagen, wir diskutieren über den Bereich. Und da denke ich, könnte es doch auch Möglichkeiten geben zu einem Kompromiss, sowohl was Interessen anderer europäischer Mitgliedstaaten angeht, aber auch was das Interesse Großbritanniens anbelangt, aber natürlich auch Frankreichs.
Degenhardt: Höre ich da raus, dass Sie durchaus auch die Einschätzung Polens, Warschaus teilen, dass die Neuen in der europäischen Familie vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzplanung, also des britischen Vorschlags, dass sie da einfach zu kurz kommen?
Gloser: Ich denke, es war vielleicht ein nicht gutes Signal zunächst zu sagen, wir kürzen gerade insbesondere in der Strukturpolitik bei den neuen Mitgliedsländern. Da hat sich natürlich auch manches aufgelöst, wenn man bestimmte Vorschläge der Briten durchgerechnet hat. Aber ich sage, es darf doch nicht immer nur bei der Sonntagsrede bleiben. Wir haben diesen Ländern und damit auch deren Bevölkerung gesagt, wir stehen zu dieser Situation. Und ich habe jetzt kürzlich erst auch ein Gespräch mit spanischen Vertretern der Regierung geführt, die auch immer wieder gesagt haben, wir haben über viele Jahre die Solidarität der Europäischen Union erfahren, jetzt ist natürlich klar, wir sind herangeführt worden, wir haben wirtschaftlich aufgeholt, dass wir in demselben Atemzug sozusagen auch jetzt Solidarität gegenüber den anderen, den neuen Ländern zeigen, auch wenn es dann auch bei uns zu Verlusten führt, weil wir nicht mehr in der Form die Höhe der Strukturpolitikmittel bekommen. Also ich glaube, das darf nicht alles unter dem Aspekt von Gewinnern und Verlierern bezogen auf die nationale Ebene gehen. Wir 25 müssen dann auch sagen, wir wollen den Mehrwert für diese Europäische Union, und wenn dieser politische Wille vorhanden ist, dann glaube ich, lässt sich auch bei all den Diskussionen und Aufgeregtheiten, die es jetzt in den letzten Wochen gegeben hat, auch wirklich ein fairer Kompromiss hinbekommen, und das denke ich wäre ein sehr positives Signal, was insgesamt an die europäische Familie versandt werden könnte.
Degenhardt: Heute beginnt in Brüssel das Gipfeltreffen über die milliardenschwere Finanzplanung der Europäischen Union. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur war Günter Gloser, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt.
Gloser: Guten Morgen!
Degenhardt: Haben Sie schon alle Hoffnungen auf erfolgreiche Gespräche, also auf einen Haushaltskompromiss begraben?
Gloser: Nein, ich habe sie nicht begraben. Das heißt nicht, dass man jetzt mit ganz großem Optimismus reingeht, aber ich darf es jetzt so bezeichnen, einen verhaltenen Optimismus gibt auch die bisherige Entwicklung, so dass es doch morgen zu einer sehr positiven Entscheidung kommen kann.
Degenhardt: Sollte der Gipfel dann aber doch scheitern - was ja nicht wenige voraussagen - wer trägt dann die Schuld? London alleine, oder zum Beispiel auch Paris?
Gloser: Ach, ich fange jetzt einen Tag vor der entscheidenden Sitzung auch nicht mit Schuldzuweisungen an. Nur ich glaube, wir alle müssen uns bewusst sein, dass nach bestimmten Entwicklungen gerade in diesem Jahr, nämlich die beiden negativen Referenden in Frankreich und in den Niederlanden zum Verfassungsvertrag, zum anderen auch das Scheitern des ersten Versuches unter Luxemburger Ratspräsidentschaft eine Einigung für die finanzielle Vorausschau zu bekommen, dass die Europäische Union in vielen anderen Bereichen viele Anstrengungen unternehmen kann und müsste, um die Akzeptanz für diese Europäische Union wieder zu erhöhen. Deshalb ist es ja so wichtig, dass man von Brüssel aus ein positives Signal gibt. Und ich glaube, diese Verantwortung liegt nicht nur bei einem, oder die Schuld bei einem, sondern es ist die Verantwortung aller 25.
Degenhardt: Zunächst mal geht es aber ums Geld. Falls es nun keine Einigung geben sollte in Sachen EU-Finanzen 2007 bis 2013, was hätte das denn überhaupt für Folgen? Wäre das zum Beispiel auch das Ende der Erweiterung?
Gloser: Nein, das ist erst einmal so, dass wir ja noch eine Möglichkeit haben. Die Österreicher beginnen zu Beginn des neuen Jahres ihre Ratspräsidentschaft, da wird das weiter geführt, aber wir wissen natürlich alle, unter welchen Druck das steht. Und ich weiß auch nicht, ob generell die Ausgangssituation dann auch eine günstige ist. Es verändern sich auch Daten, wo ja bestimmte Maßnahmen dieser Europäischen Union auch fixiert sind, beispielsweise in der Strukturpolitik. Das müsste auch neu austariert werden, insofern kommen wir doch unter einen erheblichen Zeitdruck.
Degenhardt: Ein EU-Parlamentarier meinte gestern, wir haben das vorhin auch noch mal in einem Vorbericht gehört, Europa werde zur Zeit von Kaufleuten oder von Kaufmännern regiert und nicht von Staatsmännern. Haben Sie auch dieses Gefühl?
Gloser: Einmal hat natürlich jedes Land auch Interessen, wie wir es auch formuliert haben, nicht allein, sondern mit fünf weiteren zum Beispiel zu sagen, unsere große Netto-Zahler-Position, die muss entsprechend korrigiert werden. Wir haben das mit einem Prozent formuliert, auch die alte Regierung, wie aber auch die neue Regierung unter Frau Merkel, andere ebenso. Wir haben aber gleichzeitig mal wieder gesagt, das formulieren wir jetzt als Deutschland, aber wenn wir vor einer Möglichkeit einer Einigung sind, dann muss auch Deutschland kompromissfähig sein. Das geht nicht grenzenlos. Und da hat es ja auch Vorschläge gegeben, beispielsweise durch Herrn Junker, wo wir gesagt haben, gut, dieser Kompromiss ist noch vertretbar. Und diese Kompromissbereitschaft zu einem fairen Kompromiss, die erwarte ich natürlich auch von allen Beteiligten.
Degenhardt: Muss die dauerhafte Reform des Briten-Rabatts ein Bestandteil dieses Kompromisses sein, also auch eine Voraussetzung für eine Einigung überhaupt in Sachen europäischer Finanzplanung?
Gloser: Also ich glaube schon, wenn wir von einem fairen Kompromiss sprechen, den wir erreichen wollen, dann gilt auch darunter die Dauerhaftigkeit der Frage des Briten-Rabatts. Sie haben ja vorhin schon angesprochen das Thema der Erweiterung, es wäre fatal, wenn wir jetzt zwar zu diesem Thema in irgendeiner Form einen Kompromiss finden könnten, aber dann bei der nächsten finanziellen Vorausschau noch einmal beginnen müssten über das Thema Briten-Rabatt. Es ist eine einstimmige Entscheidung aller gewesen, dass wir zum ersten Mai 2004 neue Mitgliedstaaten aufnehmen wollen. Wir wussten alle, das erfordert von der Europäischen Union Solidarität gegenüber diesen Staaten. Wir haben einen Agrarkompromiss geschlossen auch unter Zustimmung der Briten und aller anderen. Wir wissen allerdings auch, das sagt ja auch die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, dass wir aber an der Agrarpolitik auch etwas verändern müssen. Wir haben auch gesagt, dass hat aber dann finanzielle Auswirkung erst bei der nächsten finanziellen Vorausschau. Und wir können ja auch nicht ständig sozusagen Beschlüsse, die wir vor zwei, drei Jahren gefasst haben, gleich wieder entsprechend umkehren. Lassen wir uns auf eine Debatte ein, die ist richtig und wichtig, beispielsweise eine "Rendezvous-Klausel", dass wir sagen, wir diskutieren über den Bereich. Und da denke ich, könnte es doch auch Möglichkeiten geben zu einem Kompromiss, sowohl was Interessen anderer europäischer Mitgliedstaaten angeht, aber auch was das Interesse Großbritanniens anbelangt, aber natürlich auch Frankreichs.
Degenhardt: Höre ich da raus, dass Sie durchaus auch die Einschätzung Polens, Warschaus teilen, dass die Neuen in der europäischen Familie vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzplanung, also des britischen Vorschlags, dass sie da einfach zu kurz kommen?
Gloser: Ich denke, es war vielleicht ein nicht gutes Signal zunächst zu sagen, wir kürzen gerade insbesondere in der Strukturpolitik bei den neuen Mitgliedsländern. Da hat sich natürlich auch manches aufgelöst, wenn man bestimmte Vorschläge der Briten durchgerechnet hat. Aber ich sage, es darf doch nicht immer nur bei der Sonntagsrede bleiben. Wir haben diesen Ländern und damit auch deren Bevölkerung gesagt, wir stehen zu dieser Situation. Und ich habe jetzt kürzlich erst auch ein Gespräch mit spanischen Vertretern der Regierung geführt, die auch immer wieder gesagt haben, wir haben über viele Jahre die Solidarität der Europäischen Union erfahren, jetzt ist natürlich klar, wir sind herangeführt worden, wir haben wirtschaftlich aufgeholt, dass wir in demselben Atemzug sozusagen auch jetzt Solidarität gegenüber den anderen, den neuen Ländern zeigen, auch wenn es dann auch bei uns zu Verlusten führt, weil wir nicht mehr in der Form die Höhe der Strukturpolitikmittel bekommen. Also ich glaube, das darf nicht alles unter dem Aspekt von Gewinnern und Verlierern bezogen auf die nationale Ebene gehen. Wir 25 müssen dann auch sagen, wir wollen den Mehrwert für diese Europäische Union, und wenn dieser politische Wille vorhanden ist, dann glaube ich, lässt sich auch bei all den Diskussionen und Aufgeregtheiten, die es jetzt in den letzten Wochen gegeben hat, auch wirklich ein fairer Kompromiss hinbekommen, und das denke ich wäre ein sehr positives Signal, was insgesamt an die europäische Familie versandt werden könnte.
Degenhardt: Heute beginnt in Brüssel das Gipfeltreffen über die milliardenschwere Finanzplanung der Europäischen Union. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur war Günter Gloser, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt.