"Es ist praktisch ein Revue-Passieren für uns gewesen"

Moderation: Andreas Müller · 28.03.2013
Weil sie selbst nicht eitel genug waren, sollten andere im Biermösl-Blosn-Rückblick zu Wort kommen, erklärt Christoph Well. Dass Edmund Stoiber, der Ex-Vorsitzende der von ihnen oft gescholtenen CSU, sogar ein Gedicht beigesteuert hat, findet er recht souverän von ihm, sagt der Musiker.
Andreas Müller: Dass es auch ein Bayern neben Franz-Josef Strauß gab, dass im Süden unseres Landes jede Menge anarchisches und vor allem auch komisches Potenzial existierte, diese Erkenntnis verdankt eine ganze Generation an Fernsehzuschauern dem großen Gerhard Polt, der aber vor allem das Trio Biermösl Blosn einem breiten Publikum bekannt machte.

Vor etwas mehr als einem Jahr löste sich die Gruppe auf, jetzt liegt ein Buch vor: "Biermösl Blosn – Tokyo – Kapstadt – Hausen" heißt es. Eine Autobiografie soll es nicht sein, denn – so steht es im Vorwort –, dafür fühlen sich die Brüder Christoph und Michael Well nicht alt und wichtig genug, man hält es mit dem Freund Gerhard Polt, der meint, wer eine Biografie hat, ist selbst schuld. Christoph Well ist jetzt bei uns zu Gast, schönen guten Tag!

Christoph Well: Ja, auch, grüß Gott!

Müller: Was ist denn das für ein Buch?

Well: Ach, das ist eigentlich – der Michael, der hat wahnsinnig viel gesammelt, die ganze Zeit in denen 35 Jahren. Und hat ein Riesenarchiv angelegt, an Fotos, an Zetteln, an Programmmitschriften, was wir so gemacht haben. Und wir haben uns eben gedacht, eine Biografie über uns, wie Sie schon gesagt haben, da sind wir noch nicht alt genug und nicht wichtig genug, und hoffentlich auch nicht eitel genug.

Und man soll ja nie über das, was man gemacht hat – finde ich –, selber schreiben. Man muss das andere bewerten lassen, oder, wie das wahrgenommen worden ist, das muss man anderen überlassen, die dann drüber schreiben. Und deswegen haben wir es auch so gemacht, dass verschiedene Leute über uns schreiben, so Weggefährten, die wir kennengelernt haben beim Spielen, und mit denen wir irgendwie gut ausgekommen sind, oder die irgendwas, einen Bezug zu uns gehabt haben.

Und es ist praktisch ein Revue-Passieren für uns gewesen jetzt von den 35 Jahren, noch einmal eine schöne Aufarbeitung. Und es hat wahnsinnig Spaß gemacht, sage ich Ihnen. Übrigens wollte ich das eine noch sagen: Sie sprechen Biermösl Blosn perfekt aus.

Müller: Ich habe auch lange geübt!

Well: Muss man auch mal loben, gell?

Müller: Nein, ich habe natürlich damals auch vorm Fernseher gesessen und begeistert das verfolgt, wenn nach den Späßen des Polt die Gruppe angesagt wurde, und das war ja damals glücklicherweise auch oft genug zu sehen.

Well: Und jetzt muss ich Ihnen gleich noch sagen, dass wir wahnsinnig oft – also wir sind 1,5 Millionen Kilometer mit dem Auto gefahren, und in der Zeit haben wir wahnsinnig oft Deutschlandradio gehört.

Müller: Dann haben Sie die Quote gewahrt, danke!

Well: Ja, klar!

Müller: Sie haben also schreiben lassen, also von Leuten wie Fredl Fesl – ich will nur ein paar nennen –, Alfred Biolek, Dieter Dorn, Gerhard Polt natürlich, Georg Ringsgwandl, Gerhard Schröder aber auch, Gloria von Thurn und Taxis, die Toten Hosen und anderen auch. Da kommen wir vielleicht gleich noch genauer z.

Ich möchte mal anfangen bei dem Beginn der Fahrt, die beginnt ja in einer Familie mit 15 Kindern. Vater und Mutter ließen die Geschwister Instrumente lernen, und bald trat man zusammen auf, eigentlich schon professionell, bis auf die Bezahlung vielleicht. Was erinnern Sie aus diesen Jahren?

Well: Ach, ich erinnere eigentlich enge Autofahrten – weil wir haben einen VW gehabt, so einen VW-Käfer –, wo ich immer unten gesessen bin bei den Füßen von meiner Mutter, die ist Beifahrerin gewesen. Und wir waren da zu siebt drinnen mit der Harfe, mit Hackbrett und Gitarren noch. Es war wahnsinnig eng, an das erinnere ich mich hauptsächlich, und dann erinnere ich mich, dass es bei den Veranstaltungen immer Würste gegeben hat, Wiener. Das erinnere ich mich, ah, und wie ich meinen ersten Farbigen gesehen habe, daran erinnere ich mich auch noch. Da war ich ungefähr vier Jahre alt, und da ist im Publikum doch tatsächlich ein kohlrabenschwarzer Farbiger gehockt.

Müller: Eine der Erinnerungen – Sie waren dann aber 1976, das gilt als Geburtsjahr der Blosn, quasi schon viele Jahre unterwegs gewesen. Da war aber auch ein Weg natürlich schon gegangen hin zu einer, wenn man so will, Neuentdeckung einerseits, aber auch Rückeroberung andererseits der bayrischen Volksmusik. Wie war dieser Weg?

Well: Also wir haben die Volksmusik, die wir machen – das ist eigentlich, das ist unser musikalisches Fundament. Und irgendwann kommt man in die Pubertät, und dann hinterfragt man die Inhalte: Ist das wirklich so, wie es in den Liedern ist? Und da haben wir eine gewisse Diskrepanz festgestellt. Die Kramerläden haben zugemacht, dafür ist ein Aldi, Lidl gekommen, und ein Gewerbegebiet. Und der Bach ist verrohrt worden, den wir als Kinder gestaut haben, und die Bauern haben einer nach dem anderen aufgehört. Es hat eine Los-Angelisierung der ländlichen Umgebung von uns, hat stattgefunden. Und das haben wir versucht natürlich dann irgendwann, in die Volksmusik einfließen zu lassen. Und wir haben ... uns hat auch gestunken, dass eine gewisse Partei in Bayern sich dieses Bayern so untern Nagel reißt. Also ich habe nicht eingesehen, dass einfach zum Beispiel eine Lederhose, warum soll das was für Konservative oder Ewiggestrige sein? Und so haben wir uns Stück für Stück unser Bayern wieder uns selbst einverleibt.

Müller: Sie haben anfangs viel in München gespielt, also in der dortigen Kabarettszene, und dann ging es aber hinaus aufs Land. Es kam also immer wieder zum Aufeinandertreffen Ihrer Idee von bayrischer Musik mit der – ja, wenn man so will – pseudotraditionellen Idee vielleicht. Es gibt im Buch eine kleine Passage. Da wird ein mit Trachtenhut und Janker geschmückter Mann zitiert, der – ich übersetze mal – sagt: "Es ist eine Sauerei, was die machen – aber gut!" Wie haben Sie das damals erlebt, als Sie dann plötzlich das ...

Well: Das ist ja für uns, das war ja der große Spaß! Dass man einem Publikum, das politisch vollkommen anders drauf war wie wir, dass man die praktisch so weit gebracht hat, dass sie sich unsere Meinung angehört haben - über das Transportmittel der Musik. Also das hat einfach schön geklungen, und es war lustig, und dem hat sich und kann sich kein Mensch verschließen. Die Metaphysik der Musik praktisch, die hat diesen Bezirkstagsabgeordneten so weit gebracht. Und das war auch, wenn wir im Bierzelt gespielt haben, oder auch jetzt noch spielen, weil wir spielen ja immer noch auf der Bühne.

Dann ist das so, dass – es ist der Querschnitt der Bevölkerung drin. Also mindestens 60 Prozent vom Publikum, die sind in dem Bierzelt, trinken ihr Bier und sind politisch eher anders drauf. Oder, sagen wir mal, ein bisschen gröber drauf wie ich. Und das macht immer noch, für mich, immer noch einen Wahnsinnsspaß, die durch meine Präsenz und durch unsere Musik zum Zuhören zu bewegen, und dass sie ihren Blickwinkel ein bisschen erweitern vielleicht. Und ich muss abgesehen davon meinen Blickwinkel auch dahingehend erweitern.

Müller: Diese bestimmte Partei hatte damals einen bestimmten Einfluss auf die Landesrundfunkanstalt Ihres Landes, die tat Ihnen mal den Gefallen, Sie auf den Index zu setzen. Von da ab ging es dann ja richtig los mit Ihnen, oder? Das hat Ihnen richtig gut getan.

Well: Es ist eigentlich richtig los ... ich sage es ja nicht, wir haben immer schon, also von 1976 ab und als kleine Kinder, wir haben eigentlich nie vor leeren Sälen gespielt. Es war immer ein Publikum da, das uns zugehört hat, aber natürlich hatte es so einen ... zu dieser Zeit war das nicht unbedingt karrierebehindernd, wenn man im Bayrischen Rundfunk nicht gesendet worden ist. Aber das sind so alte Geschichten –es war bloß interessant, das noch einmal zurück, oder das Revue passieren zu lassen. Aber jetzt ist es ja wirklich anders, diese so alten Feindbilder muss man nicht immer unbedingt am Leben halten, wenn sie nicht mehr stimmen.

Müller: Zu Gast im Deutschlandradio Kultur ist Christoph Well, und wir blicken mit ihn auf die Karriere der Biermösl Blosn, die er 35 Jahre lang zusammen mit seinen Brüdern, zweien seiner Brüder bildete. 1979 trafen Sie auf Gerhard Polt, hatte der Herrgott da seine Hand im Spiel, dass es zu diesem Treffen kam?

Well: Das kommt drauf an, was man jetzt unter Herrgott versteht, ob man Fatalist ist oder katholisch, oder beides. Das war ein toller Zufall. Und ein Bekannter von uns, der hat eine Platte gehabt von Gerhard, "Der Erwin" hat die geheißen. Und wir haben das gehört und wirklich schon lange nicht mehr so gelacht. Das ist für uns eine Entdeckung gewesen, wie der Karl Valentin oder der Charlie Chaplin oder die Marx Brothers.

Und dann haben wir zufällig, sind wir wo engagiert worden, wo der Gerhard auch engagiert war, und dann haben wir gemerkt, das passt irgendwie gut zusammen. Und wir haben gesagt, wir singen ein Lied, und er macht einen Text dazu, und dann haben wir gemerkt, das passt, und wir haben eine Gaudi miteinander. Also wir haben uns gegenseitig sehr geschätzt. Und so ist das dann immer mehr entstanden, dass wir miteinander aufgetreten sind.

Müller: Sie haben ja, wie gesagt, viel Schreiben lassen für dieses Buch. Und manchen Texten stellen Sie dann auch Dokumente gegenüber. Ihr Bruder hat ja, wie Sie es gesagt haben, viel gesammelt. Alfred Bioleks Lob für die Blosn ist handschriftlich im Faksimile wiedergegeben. Demgegenüber steht eine erboste Zuschauerzuschrift, die nach Ihrem Auftritt in "Bio's Bahnhof" einging, da heißt es unter anderem: "Als guten Rat möchten wir noch empfehlen, sich mehr auf bäuerliche Themen zu beschränken, wie zum Beispiel das Fensterln." Haben Sie aber gar nicht gemacht.

Well: Ja, das sage ich ja jetzt nicht.

Müller: Nein, das Beschränken meinte ich!

Well: Ach so, nein, nein, das haben wir natürlich nicht. Das war halt genau das, der Grund, warum wir als Biermösl Blosn auch angefangen haben, weil wir dieses Bayernbild vom Kammerfensterl praktisch wegbringen wollten, wieder. Oder zeigen wollten, dass das Kammerfensterl Rollos hat und keine Fensterläden mehr.

Müller: Sie saßen auch zur Rechten der Mächtigen: Altkanzler Gerhard Schröder, der von seiner – wie er in seinem Beitrag schreibt – Doris in ein Konzert von Ihnen gelockt wurde, formuliert: "Ich mag diese bayrischen Brüder und finde es wirklich schade, dass sie nicht mehr gemeinsam auftreten." Nach dem Konzert sitzt man also zusammen, es ist der Vorabend des Irakkrieges. Der Kanzler bekommt einen Anruf, und das ist ein ganz besonderer Anruf.

Sie waren aber dann erst mal ganz unbeeindruckt von ihm und haben immer nachgebohrt: Wer hat denn da angerufen?

Well: Ja, wir waren zuerst einmal mit dem Essen beschäftigt. Das war Blunzngröstl, also ein Blutwurstgeröstetes. Und das war sehr gut. Und dann hat der Tony Blair angerufen, aber er wollte es irgendwie zuerst einmal nicht rausrücken damit. Und ich habe dann immer nachgehakt und habe gesagt: Na, wer war es jetzt? Und dann hat er irgendwann gesagt, ja der Blair. Und es ist drum gegangen, dass, und er kann uns aber jetzt schon sagen, dass Deutschland nicht mitmacht bei dem Krieg.

Müller: Also der wollte unbedingt seinen Krieg, hat der Schröder da gesagt.

Well: Da waren wir ganz hart am Zeitgeschehen.

Müller: Haben Sie eigentlich schon mal Lob von Leuten erhalten, das Ihnen peinlich oder unangenehm war? Also ich möchte wirklich sagen, hier sind noch Beiträge auch beziehungsweise Zitate von Edmund Stoiber, von Erwin Huber. Gloria von Thurn und Taxis ist ein großer Fan. Es gibt Gedichte von Edmund Stoiber – ist Ihnen das peinlich, unangenehm, oder haben Sie vielleicht auch ein bisschen das Gefühl, wir haben gewonnen?

Well: Das ist doch kein Wettkampf! Ich bin ja deswegen auf der Bühne, und weil ich gern für Leute spiele, Musik mache und die Leute unterhalte. Und wenn ich dann noch bestimmte Themen mittransportieren kann oder ihnen erzählen kann, um so besser. Also ich spiele nie gegen das Publikum, auch wenn ein Stoiber drin sitzt. Er ist einmal dringesessen und hat uns dann sogar persönlich loben lassen von seinem Adlatus.

Also ich finde es eigentlich, dass der Stoiber zum Beispiel ein Gedicht gemacht hat, oder der Erwin Huber, das finde ich eigentlich ganz souverän von ihnen, hätte ich so ihnen nicht zugetraut. Und da war ich angenehm überrascht eigentlich. Und die Gloria – das finde ich auch lustig – die kritisiert uns ja auch in ihrem Brief. Sie sagt eben ähnlich wie der, der uns bei "Bio's Bahnhof" kritisiert hat, wenden Sie doch andere Themen an und so weiter. Aber grundsätzlich ist es eigentlich nett, da habe ich mich gefreut.

Müller: Sie sind ein Stück deutscher Kabarettgeschichte, aber auch Musik- und Mediengeschichte. Wie empfinden Sie das Geschäft heute? Vermissen Sie Dinge, oder sagen Sie, es ist alles gut so?

Well: Ach ... alles ist nie gut, das kommt drauf an, wie man es sieht, mit welchen Augen das man sieht. Und ich denke mir jetzt also in der Medienwelt, ich muss bestimmte Sachen einfach nicht haben. Ich schalte halt dann einfach aus, oder schalte überhaupt nicht ein, und lese ein Buch, anstatt dass ich mir den Mist im Fernsehen anschaue. Aber grundsätzlich, mein Gott, jede Gesellschaft hat diese Medien, die sie verdient, und die Medien leben von der Gesellschaft und umgekehrt – das ist eine Wechselbeziehung. Und da kann man jetzt hadern oder nicht.

So, wie es ist, ist es, ich kann ja bloß mit den Mitteln, die ich zur Verfügung habe, meine Meinung vielleicht einmal auf unterhaltende Art und Weise kundtun. Und wenn man da jemand zuhört, ist es gut. Aber, dieses große Lamento, mein Gott ... das ist ... da bin ich nicht mehr 17 Jahre alt. Und das ist auch ganz interessant, wie sich bestimmte Standpunkte auch ändern und Sichtweisen ändern. Also wir haben gemerkt, der Michael und ich, wenn wir das so zusammengestellt haben und rausgesucht haben, doch, wir sind doch älter geworden. Aber es hat was, es ist nicht so schlimm.

Müller: Christoph Well, vielen Dank! Das Buch "Biermösl Blosn – Tokyo – Kapstadt – Hausen" ist im Kein & Aber Verlag erschienen. Vielen Dank und viel Erfolg noch auf den Bühnen dieser Welt!

Well: Ja, danke schön, und Ihnen noch viel Spaß beim Senden und den Zuhörern noch viel Spaß beim Zuhören!

Müller: Danke schön!

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