"Es ist jetzt erforderlich zu handeln"

Garrelt Duin im Gespräch mit Gabi Wuttke · 25.04.2012
Es gebe zwar einen Fahrplan für den Atomausstieg, aber keinen für die Ersatzinvestitionen, macht der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Garrelt Duin, deutlich. Die Bundesregierung habe zu wenig getan, um die Probleme beim Aufbau der Windparks zu lösen.
Gabi Wuttke: Hold on - haben Sie noch ein bisschen Geduld: Bald hat sich Deutschland gehäutet. Dann brauchen wir keine Energie aus Atomkraft mehr, sondern versorgen uns sauber, aus Wasser, Wind und Sonne. Vor einem Jahr wurde die Botschaft plakativ in den Raum gestellt, doch die Zeichen mehren sich, dass das angekündigte Wunder sich als Windei entpuppen könnte. Susanne Schrammar über die Probleme bei der Windkraftgewinnung auf hoher See.

Hochseewindkraft in Deutschland - ein höchst teures Windei. Um das zu besprechen, ist um 6:50 Uhr Garrelt Duin am Telefon. Beheimatet ist der Sozialdemokrat im niedersächsischen Emden und ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. Einen schönen guten Morgen!

Garrelt Duin: Schönen guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Hat die schwarzgelbe Bundesregierung die Probleme beim Ausbau auch der Offshore-Windkraft unterschätzt oder Ihrer Meinung nach ignoriert?

Duin: Sie hat ein Jahr lang überhaupt nichts getan und hat die Probleme - die wirklich immens sind, die man lösen kann, wenn man etwas tut, aber die zurzeit doch wirklich an allen Ecken und Kanten sichtbar werden -, hat sie ein Jahr lang ignoriert. Wir sind ja in einem vergleichsweise großen Konsens vor einem Jahr gemeinsam mit der schwarzgelben Bundesregierung aus der Atomkraft ausgestiegen. Dafür gibt es einen Fahrplan, wie das in den nächsten zehn Jahren über die Bühne gehen soll, aber einen wirklichen Fahrplan für die Ersatzinvestition gibt es leider nicht.

Wuttke: Dann - haben Sie denn in der Position, die Sie vor einem Jahr hatten, auch mal darauf hingewiesen, dass es nicht sein kann, und beziehungsweise was nicht ignoriert werden darf?

Duin: Wir haben ja verschiedene Baustellen - im wahrsten Sinne des Wortes. Das ist in dem Beitrag gerade auch deutlich geworden: Es geht zum einen darum, dass die Parks errichtet werden müssen, dafür sind fünf Milliarden zur Verfügung gestellt worden, aber das reicht nicht aus, weil zum Beispiel das Thema Schiffbau, das ein ganz wichtiges ist, weil man diese Infrastruktur - also die Schiffe - dafür braucht, die gehören nicht zu diesem Förderprogramm.

Das Zweite ist die Netzanbindung, da hat man sich auf einen ausländischen Investor, die Firma TenneT, verlassen, und jetzt stellt man eben fest, dass die das gar nicht können. Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, darüber nachzudenken, wie man eine andere Netzgesellschaft, die breiter aufgestellt ist und eben auch wo die staatliche Beteiligung nicht ausgeschlossen werden kann, dieses künftig bewerkstelligen kann. Wir haben jetzt Probleme, die vor einem Jahr schon sichtbar waren, nur es ist eben leider ein Jahr lang überhaupt nichts passiert.

Wuttke: Sagen Sie das alles auch vor dem Hintergrund, dass in Emden der Hafen gerade für ein Offshore-Unternehmen ausgebaut wird?

Duin: Wir haben hier an der Küste eine quasi Goldgräberstimmung. Es gibt einen ganz intensiven Wettbewerb entlang der Nordseeküste - an der Ostseeküste ist das vergleichbar -, wo die Hafenstädte sich bemühen, die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, damit das alles gemacht werden kann. Man braucht ja nicht nur den Bau der Anlagen, sondern dann auch die ständige Versorgung dieser Parks.

Aber zurzeit haben wir ein ganz anderes Problem: Wir haben nicht zu wenig Flächen oder zu wenig Personal, sondern die Firmen, die hier sich schon angesiedelt haben, sind fast durchgängig in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, weil sie nicht sicher sein können, dass die Banken weiter mitmachen, weil eben diese Unsicherheit über ihre Investitionen herrscht, und dann ziehen sich Banken zurück und Unternehmen geraten ins Trudeln, was wiederum zu einer noch weiteren Verzögerung führt.

Wuttke: Wir haben ja aber auch lesen können, dass es nicht nur an den Investoren an und für sich, sondern auch an der technologischen Entwicklung mangelt, dass man zum Beispiel in Nord- und Ostsee eben Turbinen braucht, die auf eine besondere Art und Weise nicht in der Lage sind zu rosten, was sie aber trotzdem tun.

Wir haben immer noch keine neuen Stromnetzkabel auf dem Meeresgrund. Das nur zwei Beispiele dafür, dass ja nachvollziehbar ist, warum Investoren auch aus anderen Gründen sehr vorsichtig sind, zu investieren.

Duin: Aber diese Probleme, dass man draußen auf See andere Voraussetzungen hat als an Land, sind ja nicht neu, das sind ja Erkenntnisse, die waren auch schon vor der sogenannten Energiewende da. Gleichwohl haben sich Firmen im Konzert gemeinsam mit auch entsprechenden Banken ja auf den Weg gemacht. Was sie aber brauchen, ist eine wirklich verlässliche Zusage durch die Bundesregierung, dass die Dinge auch ans Laufen kommen.

Also eine Netzgesellschaft, die wirklich ihre Aufgabe bewältigen kann, Zusagen für die Banken, dass im Falle von Schwierigkeiten auch eingestanden wird - da sind wir jetzt dabei, Vorschläge zu erarbeiten, wie auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau in eine solche Rolle hineingehen kann -, denn wir dürfen keinen Stein, der in dieser Kette wichtig ist, herausbrechen lassen.

Wenn Banken oder Unternehmen oder Netzbetreiber oder Projektgesellschaften, die für diese Windparks verantwortlich zeichnen, rausgehen, dann stimmt auch der Rest der Kette nicht mehr, und dann wird es zu Verzögerungen kommen, die wir uns angesichts des Zeitplans aus der Atomenergie überhaupt nicht erlauben können. Es ist jetzt erforderlich, zu handeln.

Wuttke: Zum Gesamtkomplex der Finanzierung gehört die politische Welt des - sage ich mal - schönen Scheins: Wir wollen es machen, und wir wollen es schnell machen, und es wird auch irgendwie gelingen. Wir sprechen gerade über die Probleme, dann gibt es aber auf der anderen Seite natürlich auch noch den Steuerzahler und Verbraucher, der zusehen kann, wie die Strompreise steigen. Gibt es denn dafür eine Grenze der Belastung?

Duin: Es wird sicherlich Grenzen geben, aber so zu tun, als ob die Energiewende kostenlos zu haben wäre, ist ja ohnehin sehr blauäugig gewesen. Aber wir haben zurzeit nicht das Problem von zu schnell steigenden Strompreisen aufgrund der Offshore-Energie, weil die ist, ja noch gar nicht am Netz. Wir haben Alpha Ventus, wir haben sozusagen einen kleinen Park, der am Netz ist, aber alles andere kommt ja überhaupt erst noch.

Wuttke: Ja, aber Sie sprechen ja davon, die staatliche Finanzierung wird gerade bei der Offshore-Windkraft in Deutschland ja womöglich kommen.

Duin: Wir brauchen in erster Linie Bürgschaften und Bürgschaftsprogramme, die sicherstellen, dass die Finanzierung läuft. Ich bin von der Wirtschaftlichkeit dieser ganzen Projekte am Ende fest überzeugt, nur die Anfangsschwierigkeiten, die wir jetzt haben, die müssen auch mit staatlicher Hilfe überbrückt werden. Aber da geht es nicht nur darum, dass direkt Geld ausgegeben wird, sondern es geht darum, dass diejenigen, die sich finanziell dort engagieren, auch entsprechend abgesichert werden: Planungssicherheit, Finanzierungssicherheit sind zurzeit nicht gegeben, und das kann der Staat durchaus bewerkstelligen, ohne dass dafür neue Belastungen für Bürgerinnen und Bürger beziehungsweise Verbraucherinnen und Verbraucher da mit einhergehen.

Wuttke: Wenn wir uns ansehen, wie der Terminplan aussieht - wir sprechen über die Schwierigkeiten, die es gibt, die Energiewende im Bereich der Windkraft in Deutschland umzusetzen -, in acht Jahren zehn Gigawatt-Offshore-Anlagen in Betrieb - das ist doch gar nicht einzuhalten.

Duin: Wenn man sich jetzt schnell entscheidet, die Sachen gut zu regeln, dann ist das zu schaffen. Die Ausbauziele, die wir vor vielen Jahren festgelegt haben für die Windenergieanlagen an Land, wurden zu Beginn auch von allen bezweifelt, dann hat es einen riesigen Boom gegeben, und wir haben nicht nur in Norddeutschland, sondern inzwischen ja nach Süden hin wachsend, doch sehr viel mehr erreicht, als viele uns damals zugetraut haben.

Die Ziele sind alle übertroffen worden, aber das ist deswegen gelungen, weil man durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz eine klare Marschroute gegeben hat. Und etwas in dieser Art an verlässliche, planbare Politik, die Herr Röttgen und Herr Rösler eben zurzeit nicht anbieten, die brauchen wir jetzt auch. Dann kann man diese Schwierigkeiten überwinden, und dann wird es auch gelingen.

Wuttke: Er kritisiert die Bundesregierung, ist aber weiter optimistisch, dass der Zeitplan eingehalten werden kann. Garrelt Duin, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur. Besten Dank und schönen Tag!

Duin: Schönen Tag noch!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Der niedersächsische SPD-Landesvorsitzende Garrelt Duin
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Garrelt Duin© AP
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